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Gemeinsame Novembergeschichte

E

Ela67

Guest
Hier soll also eine gemeinsame Novembergeschichte entstehen.
Dann mach ich doch einfach mal den Anfang und bitte um Entschuldigung, dass es gleich nochmal um Nebel geht.
Aber ich hoffe, dass ich den Anfang genug offen lasse, dass ihr die Geschichte so weiterspinnen könnt, wie ihr Lust habt, von mir aus auch gerne ganz schnell weg vom Nebel...:zauberer2




Gemeinsame Novembergeschichte​

Der Nebel liegt träge über dem Fluss.
Er liegt dort schon eine ganze Weile, trödelt ein wenig herum, unentschlossen, was er mit diesem ersten Novembertag anfangen soll. Er wallt ein bisschen hin und her, streicht sanft übers Wasser und merkt, das dies auf die Dauer wohl eine eher unbefriedigende Beschäftigung darstellt.
Also nimmt er sich endlich so gut wie möglich zusammen und fasst den Entschluss, sich etwas die Umgebung anzuschauen.
Er steigt die Uferböschung hoch, spielt einen Moment mit den müden Schilfhalmen herum, verfängt sich kurz im Geäst einer Trauerweide und verbreitet sich dann weiter über eine sattgrüne Wiese den Hügel hinauf.
Er erschreckt ein paar Schafe, die ängstlich vor ihm zurückweichen und versuchen, sich unter einander zu verstecken. Gelangweilt lässt er sie links liegen und wälzt sich weiter auf ein kleines Häuschen zu, das etwas windschief auf der Hügelkuppe steht.
Vor dem Haus ragen drei Birken in die Höhe, ein Schwarm Krähen sitzt in ihren fast kahlen Kronen und die bewegungslosen Vögel sehen aus wie überreife, grotesk aufgeblähte, vergessene Früchte.
Der Nebel quetscht sich durch die Lücken eines Gartenzaunes, der dringend einen neuen Anstrich nötig hätte und schleicht dann neugierig ums Haus herum.
Wer hier wohl wohnt?
Er erhebt sich ein wenig, um durchs Fenster nach drinnen zu linsen.
....

Und was sieht er wohl dort drinnen?
Wie soll die Geschichte weitergehen?
Die Zukunft liegt im Nebel. So zu sagen.
Wer mag, schreibt einfach weiter.
 
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AW: Gemeinsame Novembergeschichte

Nun auch im Zimmer
Sich der Nebel verbreitet
Und nimmt mir die Sicht.

Entschuldigung für meinen heutigen Hang zum Haiku, überspringt mich einfach
 
AW: Gemeinsame Novembergeschichte

Meine Fortsetzung schließt sich dem Haiku an...


Der Maler der in diesem Haus wohnte, stand auf und sah schon jetzt etwas entmutigt dem Tag entgegen. Seit Tagen versuchte er sein Landschaftsbild fertig zu stellen – jeden Abend aber beim Betrachten seines Tageswerkes überkam ihn wieder die gleiche Unzufriedenheit wie am Vortag.

Etwas stimmte in diesem Bild nicht. Er konnte dabei keinen Fehler entdecken in Bezug auf die Komposition des Bildes, die Perspektive stimmte auch, die Farben ergänzten sich oder aber kontrastierten gekonnt – das alles hätte Harmonie und auch eine gewisse Spannung der Landschaft verleihen sollen…und doch stimme etwas nicht.

Nach einigen Tagen musste er sich eingestehen, dass seine Landschaft einfach langweilig war - und so hatte er sich am Vorabend entschlossen das Bild zu seinen nicht gelungenen Werken vorerst beiseite zu legen.

Nun stand er da und war verblüfft: der Nebel war durch das offene Fenster ins Zimmer gedrungen und lies nun die Landschaft weniger scharf und langweilig-präzise erscheinen, es hatte alles eine leicht heimliche Note bekommen, man konnte träumen und sich fragen, was wohl der Nebel verbergen würde.

Und so wusste er plötzlich, dass er dem Bild das verleihen soll, was uns auch im Leben meist anzieht: das etwas Geheimnisvolle, nicht gleich Offensichtliche…
 
AW: Gemeinsame Novembergeschichte

Allerdings reichte diese Erkenntnis alleine nicht aus um sofort zum Pinsel zu greifen und dem Bild dieses Geheimnis zu verleihen, denn der Maler war sich darüber im Klaren, dass er erst begreifen musste, was es mit dem Geheimnisvollen überhaupt auf sich hatte.
Dazu muss hier vielleicht die Tatsache erwähnt werden, dass das Leben des Malers bisher immer sehr geordnet und ohne grössere Ereignisse, die irgendwas in Unruhe hätten bringen können verlaufen war. Schon früh hatte man sein Talent zum Zeichnen erkannt, er hatte das Glück gehabt, Eltern zu haben, die seine künstlerische Begabung förderten und es ihm ermöglichten, eine Kunstakademie zu besuchen, die er auch erfolgreich abschloss.
Danach arbeitete er teilzeit als Illustrator und als das Internet so richtig zu brummen begann, ergriff er die Gelegenheit, bildete sich weiter und gründete eine Firma für Webdesign, mit der er in kurzer Zeit ziemlich reich wurde.
Er heiratete eine nette Frau, trennte sich ein paar Jahre später wieder von ihr, auch hier ohne grosses Drama, man hatte sich einfach auseinander gelebt.
Die Malerei, seine grosse Leidenschaft (wenn man bei ihm überhaupt von Leidenschaft sprechen konnte) pflegte er weiter, so oft es nur ging. Und bisher hatte es ihn auch nie gross gestört, dass er nicht besonders viel Fantasie hatte, er hatte es eigentlich nicht einmal gewusst.
Es machte ihm grosse Freude, vor allem Landschaftsbilder zu gestalten, aber eben: Es gab nichts Geheimnisvolles darin, und das machte sie irgendwie kraftlos und flach.
Der Nebel, der ihm all das gezeigt hatte flüsterte nass in sein Ohr:" Wenn du in deinem Leben kein Geheimnis kennst, warum gehst du nicht und fragst andere Leute danach?"
Und der Mann dachte: 'Ja, das will ich tun, ich will losziehen und versuchen, herauszufinden, was es mit dem Geheimnisvollen auf sich hat.'
Und damit verliess er das Haus.
 
AW: Gemeinsame Novembergeschichte

Doch als er eben das Gartentor hinter sich schließen wollte, fuhr ihm ein leiser Windhauch in den Nacken, sanft aber nicht zu ignorieren. Er drehte sich um, suchte nach einem Hinweis, einem Beben in den kahlen Ästen der Birke, einem Zittern in den verdorrenden Stängeln der Dahlien. Aber das Einzige, was er sah, war eine zarte Schleierwolke, die sich an ein Fenster seines Hauses schmiegte, als ob sie nach Ritzen suchte, durch die sie ins Haus eindringen konnte.

Dem Maler wurde es ein bisschen mulmig. Er beobachtete diese feine Nebelwolke, die langsam von einem Fenster zum nächsten zog, an allen Fugen schnüffelnd, doch nirgends Einlass fand. Vorsichtig ging er zum Haus zurück und betrachtete aufmerksam die Fenster im Obergeschoß des Hauses. Er hatte plötzlich Angst davor, dass dieser feine Nebel irgendwo ins Innere des Hauses gelangen könnte, ohne dass er sagen hätte können, wovor er sich da zu fürchten hätte.

Doch dann schoss es ihm auf einmal durch den Kopf, dass es ja hier in diesem Haus ein Geheimnis geben müsse, das mit diesem geheimnisvollen Nebelschleier in Zusammenhang stand. Er fasste sich ein Herz, lief zur Haustür, sperrte schnell auf, huschte hinein und warf sie sofort wieder ins Schloss. Heftig atmend lehnte er sich von innen dagegen, so als ob er damit verhindern könnte, dass der Nebel die Tür öffnet.

Er warf seine Siebensachen achtlos in eine Ecke und schlich wie ein Dieb ins Obergeschoß. Er wollte doch erst einmal in seinem eigenen Haus nachsehen, ob er dem Wesen des Mysteriösen und Geheimnisvollen auf die Spur kommen könnte.

Und auf dem Dachboden wollte er mit seiner Suche anfangen.
 
AW: Gemeinsame Novembergeschichte

Er stieg die knarrende Treppe zum Dachboden hinauf. Er war schon lange nicht mehr dort oben gewesen. Und eigentlich wusste er auch gar nicht mehr so genau, was er in diesem staubigen und mit Spinnweben durchzogenen Raum eingelagert hatte.
Oben an der Treppe blieb er einen Moment zögernd stehen. Sollte er nicht doch lieber an die frische Luft gehen, vielleicht ins Dorf spazieren, einen Kaffee trinken, Leute treffen und über irgendwelche Belanglosigkeiten mit ihnen plaudern?
Aber dann erinnerte er sich an den Nebel und die Aussicht, durch die dicken, kalten und nassen Schwaden zu stapfen hatte noch weniger Anziehungskraft, als dieser Abstecher zwischen die Spinnweben.
Also gab er sich einen Ruck und öffnete die Tür zum Speicher.
Er tastete nach dem Lichtschalter, drehte ihn, aber nichts passierte. Mist.
Durch ein trübes Dachfenster tropfte ein wenig Licht in den Raum, dem es aber nicht im geringsten gelang, die Schatten zu vertreiben, im Gegenteil, irgendwie betonte es sogar noch die Düsternis, die hier herrschte.
Auf einem Regal gleich neben der Tür fand der Maler eine Taschenlampe, die zwar dick mit Staub bedeckt war aber erstaunlicherweise offenbar noch funktionierende Batterien hatte. Er liess ihren Lichtkegel durch den Raum schweifen. Er fiel auf einen alten Schaukelstuhl, über dessen Rückenlehne eine nicht besonders sorgfältig zusammengefaltete Plastikplane lag, eine grosse Truhe deren Deckel halb offen stand, und einen grossen, mit Schnitzereien verzierten Kleiderschrank, der aus einem vollkommen unverständlichen Grund mitten im Raum stand und die Aussicht auf das, was dahinter lag versperrte. Links unter der Dachschräge stapelten sich Kartonschachteln und er hatte nicht die geringste Idee, was dort eingelagert war.
Plötzlich hörte er ein Rascheln und das leise Trippeln kleiner Füsse.
Etwas huschte aus dem Schatten hinter dem Schrank hervor und setzte sich direkt vor ihn mitten in den zitternden Lichtkreis der Taschenlampe.
Es war eine kleine, weiss-braun gefleckte Maus, die ihn erwartungsvoll anstarrte.
 
AW: Gemeinsame Novembergeschichte

Der Maler starrte auf das kleine possierliche Wesen und wusste für einen Moment nicht, was er tun sollte. Das Mäuschen saß reglos, wenn man vom leisen Zittern seines kleinen Schnäuzchens und der Barthaare absehen wollte.
Das Licht der Taschenlampe wurde schwächer, aber knapp bevor das Licht ganz erlosch, sah der Maler noch aus den Augenwinkeln eine Bewegung am Rand der kleinen Dachluke. Dann stand er im Dunkeln.

Das Mäuschen trappelte in vorsichtigen Schrittchen hin und her, das konnte er hören. Und noch etwas hörte er: Ein Wispern, das von dort hinten kam, dort hinter dem Schrank, wo er jetzt auch einen vagen Schimmer mehr ahnen als sehen konnte. Er horchte auf das Trippeln und Trappeln der Mäusefüßchen, das sich jetzt auch in diese Richtung bewegte und ging vorsichtig hin um nachzusehen, wo dieser zarte Schimmer her kam. Fast magisch wurde er hingezogen, das Flüstern und Wispern kroch in seine Ohren und erzeugte in ihm ein Gefühl von einer solchen Intensität, wie er es noch nie gefühlt hatte. Ein Gemisch aus Sehnsucht und Neugier, Forscherdrang und Verheißung wurde so stark, dass er alle Vorsicht vergaß und hinter dem Mäusegetrippel herlief, am Schrank vorbei und weiter in dieses magische Licht, in dem er nichts erkennen konnte als leuchtenden Nebel.
 
und schon fand er sich in einer anderen welt wieder.
nichts und niemand hätte ihm jemals von so etwas unglaublichem erzählen können?
erzählen sowieso nicht.
denn mit worten war das nicht zu beschreiben.

außer dem alles durchdringenden licht konnte er vorerst nichts anderes wahrnehmen. doch allein dieses licht war unfasslich, für ihn völlig neu und.......UNENDLICH.
er mitsamt seinem ganzen körper fühlte sich vollständig von diesem licht durchstrahlt. doch nicht nur seine körperlichen - festen - bestandteile wurden sozusagen durchleuchtet. auch seine gedanken waren von diesem licht umgeben, vermischten sich gleichsam damit, WAREN das licht.
auch mit seinen gefühlen war es so.
er konnte es nicht anders ausdrücken: seine gefühle waren LICHT.
 
AW: Gemeinsame Novembergeschichte

unnennbar leuchtete etwas in ihm auf, das außerhalb des Erlebnisfeldes
aber sofort wieder verschwand, und außer es in seiner Erinnerung aufzubewahren, konnte er sonst weiter nichts tun.
Kein Ruf, kein Name konnte es zurückholen bzw. ihn zurückversetzen :confused: was tun ?:confused:?

er dachte an Goethes Schatzgräber, zog einen Kreis, und noch einen,
als aber nichts geschah, verklausulierte er sich in der Hoffnung das passende Zauberwort finden zu können,
und um sein zukünftiges Tun in das Gute Licht zu stellen, sagte er dreimal das altehrwürdige Wort: TUGEND ...
 
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TUGEND
dieses wort noch auf den lippen und nachhallend in seinen gehörgängen stieg er langsam die treppe vom dachboden hinab.
noch den restlichen tag über und auch den größten teil der folgenden nacht hörte er diese sprachmelodie in sich klingen.
er wusste, spürte, irgendetwas war mit ihm geschehen. er war nicht mehr der gleiche wie noch vor einem tag.

dennoch merkte er, dass seine erinnerung an das seltsame erlebnis auf dem speicher langsam verblasste.
jeder krampfhafte versuch, sich noch einmal in diese wundervolle stimmung zu versetzen, diese reminiszenz körperlich zu spüren, scheiterte.
wie eine gebetsmühle hörte er sich murmeln. TUGEND, TUGEND, TUGEND.
doch es half nichts, er fühlte sich abgeschnitten.
er fühlte sich allein.

erstmals in seinem leben fühlte er sich einsam...
 
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