Und tatsächlich wurde da von Katholoken die Meinug vertreten, der Papst hätte sich doch entschuldigt und das würde ja nun genügen.
Um also Menschen aufzwecken, die nach wie vor diesen ganzen Mist klein reden oder beschönigen, braucht es meiner Meinung nach dauerhafte Aufklärung.
Das reicht nicht.
Aus eigener Betroffenheit (nicht durch katholische Kleriker, sondern u.a. durch einen evangelischen Pastor und innerhalb einer angesehenen Institution, die Kinder aufzieht) meine Einstellung dazu:
Die Anerkenntnis, daß Gewalt und sexuelle Übergriffe stattgefunden haben, ist immens wichtig für Opfer dieser Gewalt. Das hängt damit zusammen, daß Kinder immer auch glauben, sie seien selbst schuld an dem, was Erwachsene ihnen zugefügt haben. Es reicht nicht, daß sie als Erwachsene vom Verstand her wissen, daß sie als Kinder nichts dagegen tun konnten. Es ist so eine Art Bestätigung durch die Verantwortlichen nötig, die da sagt: Ja, es ist passiert, und ja, es war ein Verbrechen an dir. Das löst das erlittene Unrecht nicht auf, ist aber ein wichtiger erster Schritt.
Wenn ein Papst zwar sagt: "Sorry, tut mir echt leid, was dir in meiner Kirche zugestoßen ist", dem aber keine glaubwürdigen Taten folgen - nämlich vollständige Aufklärung und harte Konsequenzen für die Täter - kommt bei den Opfern lediglich eine weitere Kränkung an. Man nimmt sie nicht ernst, die Täter kommen ungeschoren davon, nach wie vor erfahren die Täter mehr Schutz als deren Opfer.
Warum gerade in der Kirche so brisant: weil es um strukturelle Gewalt geht.
Es ist richtig, Gewalt physischer, sexueller und psychischer Art finden auch in häuslichem Umfeld statt. Potentiert wird das Ganze, wenn sich eine Gesellschaft quasi vor die Täter stellt: durch Verschweigen, durch Verharmlosung, auch durch Ansagen, daß das Opfer lügt oder sich alles nur eingebildet hätte. So empfinde ich es als sehr erleichternd, daß zumindest in der Öffentlichkeit mittlerweile laut und kontrovers darüber gesprochen werden kann. Innerhalb von Organisationen - allen voran die katholische Kirche, aber auch in Einrichtungen wie Internaten oder Heimen - findet das noch nicht statt. Da steht das Wohl der Institution immer noch im Vordergrund, die Opfer werden zwar halbherzig bedauert, aber echte Konsequenzen finden nicht statt, es bleibt bei Lippenbekenntnissen.
Warum ist das so brisant? Weil diese strukturelle Gewalt auch bedeutet: das Opfer ist innerhalb eines Systems - sei es Kirche, Heim usw. - aufgewachsen, diese Institution bedeutet auch das gesellschaftliche Gefüge, das einem jungen Menschen quasi "Gesetz" ist. Es bedeutet: Regeln, Richtlinien für die Zukunft, man findet seinen Platz im gesellschaftlichen Gefüge, auf den wir als soziale Wesen angewiesen sind. Dieses Gefüge hat "immer Recht". Und wenn dieses soziale Gefüge Unrecht toleriert, bedeutet das zwangsläufig, daß das Opfer selbst "unrecht" ist.
Platt ausgedrückt: sie fallen durch's Raster und werden Mühe haben, sich als Teil eines stabilen Ganzen zu begreifen. Unter solchen Bedingungen ist es nur schwer möglich, "heil" zu werden.