Ansonsten ist nach meiner Meinung klar, dass Religionen wie das Judentum, das Christentum und der Islam, die in ihren „Heiligen Büchern“ einen absolut giftigen Feind der Religionsfreiheit behaupten, nicht die Basis für ein tolerantes Miteinander aller Menschen sein kann.
Das Problem dieser Schriften - und ihre Stärke - besteht darin, dass sie sich selbst laufend widersprechen und dass sie vielseitig interpretierbar sind. Der Dalai Lama hat vor Jahren in einem Interview einmal gesagt, alle Religionen würden im Grunde dasselbe sagen: Sich selbst nicht so wichtig zu nehmen, Schwächere zu unterstützen oder zumindest solidarisch zu handeln.
Das Problem der Religionen sind die Fanatiker oder auch nur die Erbsenzähler: Menschen, die vor einem ganzen Silo sitzen und die Erbsen zählen, aber den Silo dahinter, den sehen sie nicht.
Es ist leicht, einen einzigen Satz oder auch einen Absatz zu zitieren, ihn aus dem Zusammenhang zu reissen und daraus ein Dogma zu machen. Liest man die ganze Abhandlung, dann sieht es oft ganz anders aus. Liest man das ganze Werk, dann vllt. noch wieder anders. Berücksichtigt man historische Zusammenhänge, ergibt sich vllt. noch mal ein anderes Bild. Und schließlich ist da noch das Problem von Übersetzungen ...
... und selbst die Probleme von Übersetzungen werden oft unzureichend, ja falsch dargestellt. Halbgebildete Zeitgenossen reden von "falschen" oder gar "gefälschten" Übersetzungen, aber das ist überhaupt nicht der Punkt.
Für die Bibel gibt es mindestens sechs verschiedene Systeme der Übersetzung. Man kann die Bibel "wortgetreu" übersetzen, aber dann versteht man den Sinn oft nicht. Die Bedeutungen der Worte haben sich im Laufe der Zeit geändert, oder es gibt sie überhaupt nicht mehr. Man kann sie "sinngemäß" übersetzen, aber dann werden sie beliebig. Ein guter Teil der Texte hat auch poetischen Charakter, den wiederzugeben ist fast unmöglich und eine altertümliche Übersetzung kann den poetischen Charakter dieser Texte oft besser wiedergeben als eine moderne Übertragung.
Ein ganz anderes Problem ist die
Kanonisierung der Texte, welche Texte nun zu ihnen gehören, und welche nicht. Die Kanonisierung der Bibel hat Jahrhunderte gedauert und zog sich in Einzelheiten bis ins erste Jahrtausend hin. Und was wir haben, dass sind Kopien von Kopien von Kopien von Kopien ... Manche spätere Schriftfunde lassen auf eine hohe Texttreue bei des Kopierprozesses schließen. Andere deuten auf Tendenzen von "Berichtigung einer vorliegenden Kopie" bei der Übertragung auf eine neue Kopie schließen.
Andere Texte, z.T. erst im 20. Jh. gefunden, haben nie Eingang in die Bibel gefunden. Vielleicht zu recht nicht, vielleicht war das gewollt, vielleicht war es nur historischer Zufall.
Der Islam, der noch mehr am Text allein klebt als das Christentum, hat eigene Systeme der "Schrifttreue" entwickelt. Mit der Methode würde jeder Student der Philologie heutzutage im Erstsemester durchfallen (aber Tradition ist nun einmal Tradition, leider). Und um ihren Schäfchen auch glaubhaft zu vermitteln, dass, nach islamischer Doktrin, der Koran auch "wortwörtlich geoffenbartes Wort Gottes" ist, erzählen selbst heute "seriöse" Sachbücher zum Thema uns schöne Geschichten von historischen Gedächtniskünstlern und von heute noch existierenden Erstkopien, die es nachweislich nicht gibt.
Tatsächlich hat auch der Koran eine durchwachsene Entstehungsgeschichte gehabt. Und zieht man historische und archäologische Belege hinzu, dann wird aus dem Frühislam eine christliche Sekte, aus dem Koran eine Art Erbauungsbuch, das über Jahrhunderte entstand und Mohammed hat es als historische Person so nie gegeben.
Aber wer das behauptet, ob Muslim oder nicht, ist bekanntlich ein Todeskandidat und deshalb konnten die westlichen Orientalisten, die das behaupten (und belegen) das auch nur unter Pseudonym tun.
„Meint nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen; ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis der Himmel und die Erde vergehen, soll auch nicht ein Jota oder ein Strichlein von dem Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist. Wer nun eins dieser geringsten Gebote auflöst und so die Menschen lehrt, wird der Geringste heißen im Reich der Himmel“ (Matth. 5, 17-19)
Tja ... nur sagt er uns leider nicht, welche Gebote. Meint er nur die 10 Gebote? Oder alles, was in der Bibel gefordert wird? Was ist denn "Gesetz" und wie wird es interpretiert? Das war doch auch schon zu Jesu Zeiten in lebhafter Diskussion und diverse Dogmatiker und Schulen schlugen sich deswegen die Köpfe ein.
Jüdische Schriftgelehrte haben aus der Bibel in fleißiger Textarbeit über 600 (soweit ich mich richtig erinnere) Anweisungen abgeleitet, die es zu erfüllen gäbe. Das kann kein Mensch mehr leben, zumal es nicht wenige Anweisungen geben dürfte, die sich widersprechen oder sehr speziell sind.
Richtig, aber die Weltreligionen werden nach meiner Meinung mit der Zeit zumindest in ihrer jetzigen Ausprägung mehr und mehr verschwinden, weil viele ihrer Aussagen für immer mehr Menschen nicht mehr glaubhaft sind. Aber belassen wir den Menschen, die sie brauchen, ihre Heiligen, wenn sie nicht erkennen können, wie unheilig es ist, einen Menschen als Heiligen Vater zu verherrlichen ;-)
Das halte ich für eher unwahrscheinlich, wobei es natürlich darauf ankommt, was man unter "mit der Zeit" verstehen will. Solange es noch immer Ungleichheit, Armut, Bildungsferne und Unfreiheit gibt, solange werden die Weltreligionen Bestand haben, sogar Zulauf. Und Fanatiker werden leichtes Spiel haben.