Vom Gefühl her würde ich das auch nicht tun, aber mein Verstand sagt mir, dass ich mir, wäre ich auf der Flucht, eben dies wünschen würde, dass mich jemand aufnimmt.
Nun habe ich vor einiger Zeit auch einen Gast gehabt, eine Frau, die (nur!) für ein Wochenende blieb. Ich kannte sie lediglich aus einem Verein in meiner alten Stadt. Damals hatte ich ihr mal mein Auto geliehen, weshalb sie mich jetzt wohl auch bat, ob sie nicht bei mir übernachten könnte, da sie in meiner Nähe zu tun hatte und sich das Hotel gerne sparen wollte. Ich bin da im Prinzip offen, wenn's passt, aber dieses Wochenende war die Hölle. Erst blockierte sie stundenlang das Bad. Als ich dann endlich hinein konnte, kam sie ohne anzuklopfen erneut dazu, um sich über der Wanne die Zähne zu putzen, während ich mich schminkt. Als ich später nach Hause kam, war sie bereits da und hatte zwar das Abendbrot vorbereitet, aber dafür im Wohnzimmer die Couch umgeschoben, weil sie meinte, der Raum wirke dadurch doch viel größer. Die Jalousien waren auch ganz hoch gezogen, damit mehr Licht rein käme. Zudem hatte die Frau einen unglaublichen Redebedarf, mir wäre fast der Schädel geplatzt. Ich habe das dann tapfer durchgestanden und mir geschworen: nie wieder Leute, die du nicht gut kennst.
In einem anschließenden Telefonat habe ich dann auch den Mut gefasst, ihr meinen Unmut auszudrücken, über die Art wie sie sich bei mir verhalten hat. Es kam null Verständnis. Ich wäre zu empfindlich und sie hätte es ja nur gut gemeint.
Mag sein, dass sie das gleichzeitige Nutzen des Bades als völlig normal empfand, da sie drei Schwestern hat und das früher immer so lief. Mag sein, dass sie das Umstellen der Möbel als schwesterliche Hilfe empfand, denn sie ist die älteste und hat immer den Ton angegeben. Trotzdem empfinde ich da einen gewaltigne Unterschied, ob ich mit Schwestern das Bad teile oder mit Bekannten. Ganz zu schweigen vom Umstellten eines Sofas. Das würde ich mir nicht einmal bei Verwandten erlauben.
Diese Sache kam mir jetzt (logischerweise) spontan in den Kopf als ich von dem Aufruf Göring-Eckardts las. Ich meine, die Frau, die zu Gast war, kannte ich immerhin und sie spricht meine Sprache. Aber völlig fremde Menschen? Ich weiß nicht. Vom Verstand her wäre es nett, aber vom Herzen bekomme ich das einfach nicht hin. In manchen Fällen ergibt sich das vielleicht mehr aus Zufall. Man lernt sich kennen und es passt spontan. Jedoch empfinde ich diesen Aufruf, ganz gezielt fremde Menschen aufzunehmen, etwas aktionistisch. Das ist schlecht durchdacht.
Spenden wollte ich jedoch. Schon vor Wochen. Kleider, Geschirr und Decken. Das wurde nicht mehr benötig, hieß es, aber Geldspenden würden gebraucht. Das ist doch irrsinnig. Es gibt nicht einmal ein vernünftiges Lager bei uns, wo man alle Sachspenden aufheben kann, bis sie wieder benötigt werden. Es kommen ja immer mehr. Da wo man bereit ist zu helfen, wird es einem schwer gemacht und da wo man innerlich einfach nicht bereit ist, wird einem vermittelt, nun schlechter zu sein als diejenigen, die das tun.