Eine leidvolle Lebensgeschichte
Hier eine kleine Geschichte:
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Hallo, ich bin Quieki.
Eigentlich sollte ich sagen, ich war Quieki. Mein Leben begann an einem dunkeln Ort. Das machte aber nichts. Es war angenehm warm und feucht, hatte immer genug zu essen und zu trinken. Platz hatte ich keinen, konnte mich nie bewegen. Egal in welche Richtung, einige Zentimeter neben mir war schon eines meiner Geschwister. Musste auch so sein, schließlich waren wir mehr als Hunderttausend hier. Wir kämpften um jeden freien Quadratzentimeter, und einige überlebten den Kampf nicht. Viele aber kamen durch. Ich hörte meine Pfleger und ihre Geräte, die dafür sorgten, dass wir schnell groß und stark wurden, fühlte mich trotz Allem gut aufgehoben. Ich kannte ja nichts Anderes.
Eines Tages war es dann so weit. Ich war groß und stark geworden. Wir wussten alle, wenn wir das schaffen, dürften wir raus. Mein Moment war jetzt gekommen. Ich spürte, wie etwas nach mir griff. Stark und übermächtig, aber auch sanft. Bedacht darauf, dass ich nicht verletzt werde. Und dann sah ich das Licht. 'Ich bin frei! Ich habe es geschafft!', dachte ich. Aber sofort landete ich in einer anderen Dunkelheit. In einem Haufen meiner Geschwister, die es auch an diesem Tag 'geschafft' hatten. Viele waren verletzt. Kein Wunder, bei dieser Vielzahl hier. Auch wenn man versucht, uns sanft ans Licht zu bringen, einige werden verletzt. Oder verletzen sich selbst.
Wir setzten uns in Bewegung. Der ganze Wagen voll, was für eine Enge! Ich liege auf Anderen drauf, Andere liegen über mir. Stickig, laut. Viele von uns überlebten den Transport nicht. Aber ich war stark genug. Ich wurde ein zweites Mal ans Licht geholt. War das Ganze eine Prüfung ? Wer stark genug ist, diese Strapazen zu überstehen ? Traurig, die vielen leblosen Körper hier. Heute Morgen waren wir noch zusammen in der Dunkelheit. Lebendig. Jetzt mindestens ein Drittel tot. Aber es gab keine Zeit, viel darüber nachzudenken. Rein gings in ein Gebäude.
Wir wurden in eine Art Maschine geladen. Wir wurden gewaschen, das war noch angenehm. Der Dreck vom Transport musste runter, und danach fühlte ich mich wie aus dem Ei gepellt ! Dann kam ich auf eine Art Förderband. Es ging rauf, immer weiter. Hui, so hoch war ich noch nie ! Aber...die, die ganz oben waren und am Ende runterstürzten, schrien laut. Es hörte sich mehr nach Entsetzen an als nach Freudenschreie. Was war da los ? Es war warm und nebelig. Dampf stieg auf. Als ich hoch genug war, konnte ich es sehen. Ein großer Topf mit heißem Wasser, in den wir geworfen wurden. Es kochte nicht, war aber trotzdem tödlich heiß. Wer hineinfiel, schrie noch einige Sekunden lang, eine halbe Ewigkeit im Todeskampf. Unsere Leichen wurden danach zerstückelt, verpackt und eingefroren.
‚Damit die Nährstoffe erhalten bleiben’, sagen sie. ‚Für eine bessere Ernährung’, meinen sie. Nun sitze ich hier im Magen dessen, wegen dem all dies Leid geschah. Unmenschlichkeit. Der Gipfel aber: Er meint, dadurch ein besserer Mensch zu sein. Er tut dies aus Gewissensgründen.
Quieki, die Karotte
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lg,
Muzmuz