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Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

AW: Geothes Faust: Prolog im Himmel

Wenn du keinen Schreibfehler gemacht hast, dann heißt es ja nicht "die Armen" sondern "die armen (Menschen)" zu plagen.
Ist - nach der neuen Rechtschreibung - ein Spitzfindigkeit; wir fassten es beide als die "armen Menschen" auf, lilith.

Was sollte er Menschen, die er selbst schon als bedauernswert einschätzt, auch noch plagen wollen? Die sind ja schon geplagt.

:blume1:
Haben wir beide die gleiche Empfindung, lilith; es fehlt uns halt beiden an der Schlechtigkeit des Teufels, um ihn in jeder Hinsicht zu verstehen; Mensch sein bedeutet ja schließlich und endlich auch, zwischen drinnen zu sein (nicht Engel und nicht Tier), es für möglich zu halten, dass es immer wen gibt, der uns an Güte übertrifft, aber auch immer jemanden, der uns an Schlechtigkeit übertreffen kann.

Ich warte jetzt noch bis morgen auf etwaige Stellungnahmen, dann werde ich den Rest des "Prologs im Himmel" hereinstellen.

Liebe Grüße

Zeili
 
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AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo !

Weiter geht's. Letzter Original-Text ist in Beitrag Nr. 69
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Der Herr:
So lang er auf der Erde lebt,
So lange sei dir's nicht verboten.
Es irrt der Mensch so lang er strebt.
Mephistopheles:
Da dank ich Euch; denn mit den Toten
Hab ich mich niemals gern befangen.
Am meisten lieb ich mir die vollen frischen Wangen.
Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;
Mir geht es wie der Katze mit der Maus.
Der Herr:
Nun gut, es sei dir überlassen !
Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,
Und führ ihn, kannst du ihn erfassen,
Auf deinem Wege mit herab,
Und steh beschämt, wenn du bekennen musst:
Ein guter Mensch in seinem dunkeln Drange
ist sich des rechten Weges wohl bewusst.
Mephistopheles:
Schon gut ! nur dauert es nicht lange.
Mir ist für meine Wette gar nicht bange.
Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.
Staub soll er fressen, und mit Lust,
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange.​
Der Herr:
Du darfst auch da nur frei erscheinen;
Ich hab deinesgleichen nie gehasst.
Ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,
Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,
Der reizt und wirkt, und muss, als Teufel, schaffen.
Doch ihr, die echten Göttersöhne,
Erfreut euch der lebendig reichen Schöne !
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfass' euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
Befestigt mit dauernden Gedanken.​
(Der Himmel schließt, die Erzengel verteilen sich.)

Mephistopheles:(allein).
Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern,
Und hüte mich mit ihm zu brechen.
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,
So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.
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AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo !

Für Neue und etwas Langsamere:

Bevor wir zum Kernstück des Faust von Goethe kommen, will ich noch etwas Gelegenheit geben, das "Vorspiel auf dem Theater" und den "Prolog im Himmel" auf Verständnis und Aktualität zu diskutieren. Später halte ich es weder für sinnvoll noch für kollegial, wieder darauf zurückzugreifen, wenn andere dann bereits den aktuellen Text diskutieren wollen.

Noch einmal die Beitrags-Nummern der bisherigen - chronologischen - Originaltexte:
27, 32, 39, 40, 45, 56, 57, 62, 69, 72

In ein bis zwei Tagen (je nach Resonanz) hätte ich dann gerne mit dem Kernstück der "Tragödie Erster Teil (Nacht)" begonnen.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo !

Weiter geht's. Letzter Original-Text ist in Beitrag Nr. 72
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DER TRAGÖDIE ERSTER TEIL

Nacht

In einem gewölbten, engen, gotischen Zimmer

FAUST unruhig auf seinem Sessel am Pulte.​

Faust:
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie !
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor !
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Magister, heiße Doktor gar,
Und ziehe schon an die zehen Jahr,
Herauf, herab und quer und krumm,
Meine Schüler an der Nase herum -
Und sehe, dass wir nichts wissen können !
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen,
Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;
Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel,
Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel -
Dafür ist mir auch alle Freud entrissen,
Bilde mir nicht ein was Rechts zu wissen,
Bilde mir nicht ein ich könnte was lehren
Die Menschen zu bessern und zu bekehren.
Auch hab ich weder Gut noch Geld,
Noch Ehr und Herrlichkeit der Welt;
Es möchte kein Hund so länger leben !
Drum hab ich mich der Magie ergeben,
Ob mir, durch Geistes Kraft und Mund,
Nicht manch Geheimnis würde kund;
Dass ich nicht mehr, mit sauerm Schweiß,
Zu sagen brauche was ich nicht weiß;
Dass ich erkenne was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Schau alle Wirkenskraft und Samen,
Und tu nicht mehr in Worten kramen.
O sähst du, voller Mondenschein,
Zum letzten Mal auf meine Pein,
Den ich so manche Mitternacht,
An diesem Pult herangewacht:
Dann, über Büchern und Papier,
Trübsel'ger Freund, erschienst du mir !
Ach ! könnt ich doch auf Bergeshöhn,
In deinem lieben Lichte gehn,
Um Bergeshöhle mit Geistern schweben,
Auf Wiesen in deinem Dämmer weben,
Von allem Wissensqualm entladen
In deinem Tau gesund mich baden !
----------------------------------------------------
Habe zwar nur mittlere Reife, kann mich aber in die Figur des Faust recht gut hineinfühlen. Auch ich glaube, dass ich in meinem Leben viel zu viel Theorie gepaukt habe, bevor ich mich nach meinen echten Wünschen und Sehnsüchten fragte.

Und sehe, dass wir nichts wissen können !
Das will mir schier das Herz verbrennen.
Goethe lebte von 1749 bis 1832; man kann also ohne Übertreibung sagen, diese Zeilen wurden vor 150 Jahren geschrieben (sicher steht es irgendwo zumindest auf das Jahr genau); trotzdem habe ich noch oft den Eindruck, dass manche Zeitgenossen - auch in der Politik - zu dieser Einsicht noch nicht gekommen sind. In der heutigen Zeit, in der sich das "Wissen" alle paar Jahre verdoppelt.

Dass ich erkenne was die Welt
Im Innersten zusammenhält,
Wohl auch heute noch ein Wunsch, den viele hegen.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Faust:
Habe nun, ach! Philosophie,
Juristerei und Medizin,
Und leider auch Theologie !
Durchaus studiert, mit heißem Bemühn.
Da steh ich nun, ich armer Tor !
Und bin so klug als wie zuvor;
----------------------------------------------------

Hallo Zeili,

warum betont Goethe hier "leider auch Theologie"?

Damit grenzt er dieses "Fachgebiet" doch negativ von den anderen Gebieten ab. Meiner Meinung nach zu Recht, aber vielleicht denkst du darüber anders?

Gruss
Hartmut
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Faust hat sein Leben lang auf "Wissen" gesetzt, ist dabei aber trotzdem "so klug geblieben als wie zuvor".

Er spürt nicht, dass all sein Lernen zu irgendetwas gut war.

Jetzt hat er sich der Magie zugewandt und hofft, dass sie ihm verrät, was "die Welt im Innersten zusammenhält".

So gern würde er sich von der Last seiner Suche befreien und einfach nur im Mondlicht mit Geistern auf Bergeshöhn herumschweben und im Tau der Wiesen baden.

Aber: Faust geht jeder Sinn im Leben ab.

Er bemerkt zwar richtig: "Es möchte kein Hund so länger leben!" Aber er unternimmt nichts dagegen.

Er kann nicht. Es fehlt ihm jedes Gefühl für das Leben. Für sein Leben. Faust ist sinnlos.

lg Frankie
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo Zeili,

warum betont Goethe hier "leider auch Theologie"?

Damit grenzt er dieses "Fachgebiet" doch negativ von den anderen Gebieten ab. Meiner Meinung nach zu Recht, aber vielleicht denkst du darüber anders?

Gruss
Hartmut
Hallo Hartmut !

Ich glaube, Goethe ließ das Faust (in dem er sich sicher zumindest zum Teil selbst gesehen hat) bedauern, weil ihm die Theologie ja immer wieder bewiesen hat, dass es jemanden (oder etwas) gibt, was ihm überlegen ist.

Liebe Grüße

Zeili
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

...warum betont Goethe hier "leider auch Theologie"?

Faust hat sich von der Theologie, also von der Wissenschaft vom Göttlichen, am allermeisten Antworten erhofft, nämlich Wissensantworten. Aber die waren dort nicht zu finden: darum "leider".

Die Glaubensantworten der Religion sind ihm dabei unzugänglich wie jedes Gefühl für einen Sinn, der über bloße Fakten hinausgeht.

Faust will es wissen, aber es soll auf keinen Fall weh tun. Es soll ihn nicht berühren. Damit könnte er nicht umgehen.

lg Frankie
 
AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Faust hat sich von der Theologie, also von der Wissenschaft vom Göttlichen, am allermeisten Antworten erhofft, nämlich Wissensantworten. Aber die waren dort nicht zu finden: darum "leider".

Danke für deine Interpretation, frankie. Sie leuchtet mir ein.

Die Glaubensantworten der Religion sind ihm dabei unzugänglich wie jedes Gefühl für einen Sinn, der über bloße Fakten hinausgeht.

Was das Gefühl für einen Sinn ausserhalb von Fakten angeht, so glaube ich, dass ich da nicht so schlimm dran bin wie Faust!:)

Gruss
Hartmut
 
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AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?

Hallo !

Weiter geht's. Letzter Original-Text ist in Beitrag Nr. 74.
Da der Monolog des Faust noch nicht zu Ende ist, wiederhole ich die letzten zwei Zeilen (kursiv).
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Faust:
Von allem Wissensqualm entladen
In deinem Tau gesund mich baden !​


Weh ! steck ich in dem Kerker noch ?
Verfluchtes dumpfes Mauerloch !
Wo selbst das liebe Himmelslicht
Trüb durch gemalte Scheiben bricht !
Beschränkt von diesem Bücherhauf,
Den Würmer nagen, Staub bedeckt,
Den, bis ans hohe Gewölb hinauf,
Ein angeraucht Papier umsteckt;
Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt,
Mit Instrumenten vollgepfropft,
Urväter Hausrat drein gestopft -
Das ist deine Welt ! das heißt eine Welt !

Und fragst du noch, warum dein Herz
Sich bang in deinem Busen klemmt?
Warum ein unerklärter Schmerz
Dir alle Lebensregung hemmt ?
Statt der lebendigen Natur,
Da Gott die Menschen schuf hinein,
Umgibt in Rauch und Moder nur
Dich Tiergeripp und Totenbein.

Flieh ! Auf ! Hinaus ins weite Land !
Und dies geheimnisvolle Buch,
Von Nostradamus' eigner Hand,
Ist dir es nicht Geleit genug ?
Erkennest dann der Sterne Lauf,
Und wenn Natur dich unterweist,
Dann geht die Seelenkraft dir auf,
Wie spricht ein Geist zum andern Geist.

Umsonst, dass trocknes Sinnen hier
Die heil'gen Zeichen dir erklärt.
Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir;
Antwortet mir, wenn ihr mich hört !​
(Er schlägt das Buch auf und erblickt das Zeichen des Makrokosmus.)

Ha ! welche Wonne fließt in diesem Blick
Auf einmal mir durch alle meine Sinnen !
Ich fühle junges heil'ges Lebensglück
Neuglühend mir durch Nerv' und Adern rinnen.
War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb,
Die mir das innre Toben stillen,
Das arme Herz mit Freude füllen,
Und mit geheimnisvollem Trieb,
Die Kräfte der Natur mich rings um mich her enthüllen ?
Bin ich ein Gott, mir wird so licht !
Ich schau in diesen reinen Zügen,
Die wirkende Natur in meiner Seele liegen.
Jetzt erst erkenn' ich, was der Weise spricht:
"Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;
Dein Sinn ist zu, dein Herz ist tot !
Auf, bade, Schüler, unverdrossen
Die ird'sche Brust im Morgenrot !"
(Er beschaut das Zeichen.)
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Endlich erwacht im scheinbar ausgepowerten Faust so etwas wie Lebenslust.

Ich fühle junges heil'ges Lebensglück
Neuglühend mir durch Nerv' und Adern rinnen.
War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb,
Die mir das innre Toben stillen,
Das arme Herz mit Freude füllen,
Welch' eine Sprache ! Ich kenne jedenfalls nichts Vergleichbares.

Inhaltlich gesehen für mich sind diese Zeilen auch ein Beweis dafür - und das gilt wohl hauptsächlich für religiöse Menschen - dass der Monotheismus eine Entwicklung hatte, nämlich die des Polytheismus. Der Polytheismus ist mMn unter vielen religiösen Menschen auch bis heute nicht überwunden. Soll er überhaupt überwunden werden ? Wir gönnen jedem Menschen ja auch ein Idol, wenn es auch mit unserem(n) nicht übereinstimmt ! (Ist aber ein eigenes Thema)

Der Eingangsmonolog wird das nächste Mal beendet; betrachtet man die Länge des Faust'schen Monologs, versteht man auch, dass diese größte Werk Goethes so selten aufgeführt wird; es wird nicht allzuviele Schauspieler geben, die sich über einen solchen Text wagen.

Liebe Grüße

Zeili
 
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