AW: Faust, der Tragödie Erster Teil, was blieb ?
Hallo !
Weiter geht's. Letzter Original-Text war Beitrag Nr. 45.
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Lustige Person:
So braucht sie denn die schönen Kräfte
Und treibt die dicht'rischen Geschäfte,
Wie man ein Liebesabenteuer treibt.
Zufällig naht man sich, man fühlt, man bleibt
Und nach und nach wid man verflochten;
Es wächst das Glück, dann wird es angefochten,
man ist entzückt, nun kommt der Schmerz heran,
Und eh man sich's versieht, ist's eben ein Roman.
Lasst uns auch so ein Schauspiel geben !
Greift nur hinein ins volle Menschenleben !
Ein jeder lebt's, nicht vielen ist's bekannt,
Und wo ihr's packt, da ist's interessant.
In bunten Bildern wenig Klarheit,
Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit,
So wird der beste Trank gebraut,
Der alle Welt erquickt und auferbaut.
Dann sammelt sich der Jugend schönste Blüte
Vor eurem Spiel und lauscht der Offenbarung,
Dann sauget jedes zärtliche Gemüte
Aus eurem Werk sich melanchol'sche Nahrung,
Dann wird bald dies bald jenes aufgeregt,
Ein jeder sieht was er im Herzen trägt.
Noch sind sie gleich bereit zu weinen und zu lachen,
Sie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein;
Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen;
Ein Werdender wird immer dankbar sein.
Dichter:
So gib mir auch die Zeiten wieder,
Da ich noch selbst im Werden war,
Da sich ein Quell gedrängter Lieder
Ununterbrochen neu gebar,
Da Nebel mir die Welt verhüllten,
Die Knospe Wunder noch versprach,
Da ich die tausend Blumen brach,
Die alle Täler reichlich füllten.
Ich hatte nichts und doch genug,
Den Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug.
Gib ungebändigt jene Triebe,
Das tiefe schmerzenvolle Glück,
Des Hasses Kraft, die Macht der Liebe,
Gib meine Jugend mir zurück !
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Mit dieser Rede der lustigen Person beweist Goethe m.E. recht eindrucksvoll, dass eine lustige Person nicht unbedingt ein dumme Person sein muss.
Greift nur hinein ins volle Menschenleben !
Ein jeder lebt's, nicht vielen ist's bekannt,
Und wo ihr's packt, da ist's interessant.
Besonders die zweite Zeile ist m.M.n. noch immer aktuell.
(Dichter): So gib mir auch die Zeiten wieder,
Da ich noch selbst im Werden war,
Kann ich nicht (mehr) nachvollziehen; ich möchte mich - wenn auch langsam - immer weiterentwickeln; wiewohl ich natürlich die Kraft und die Unbekümmertheit der Jugend noch haben will.
Ich hatte nichts und doch genug,
Diese Zeile, die er hier dem Dichter - also quasi sich selber - sagen lässt, könnten sich ohne weitere auch heute noch ein paar Turbokapitalisten zu Herzen nehmen, die bereits Millionen besitzen und trotzdem noch mit einem Federstrich tausende, vielleicht auch noch verschuldete, Arbeitnehmer in die Wüste schicken.
Liebe Grüße
Zeili