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Eva Herman

AW: Eva Herman

hallo, zwetsche!

Zur Frage, ob das NS Regime denn auch gute Seiten hatten, sollte man sich bewußt machen, daß das zwar sein mag, es aber einfach keine Rolle spielt.
Es scheint wohl Mechanismen gegeben haben, an die viele gute Erinnerungen haben. Sie haben keinen Sozialismus erzielen können. Den Nazis ist es offenbar gelungen, das Volk zu sozialisieren, freilich im Sinne des Regimes.

Wie soll denn Massenschunkeln, KdF Urlaub, Mutterkreuz, die Autobahn (deren Idee nicht einmal von Hitler stammt) irgendeine positive Rolle einem solchem Regime verschaffen?
Gerade in der durch diese "schönen" Seiten geschaffenen scheinbaren alltäglichen Normalität liegt doch der Trugschluß und vielleicht eine Erklärung dafür, daß sich so wenige fragten, was mit den politischen Gegnern in den Folterkellern, mit den Juden, Homosexuellen geschah. Es war ja möglich, sich in diese Fassade der bürgerlichen Normalität zu flüchten, deutsches Bier und Zusammengehörigkeitsgefühl zu genießen, anstatt sich über das Leiden der Minderheiten zu echauffieren. Wen interessiert es da schon mehr als nötig, daß die Nachbarn eines Nachts abgeholt werden und nie mehr wieder kommen? Zumal man selbst auch nie abgeholt werden wollte.

achtung, achtung!
hier musst du aufpassen zwetsche. denn es gibt in jedem system vor- und nachteile. in der zeit des nationalsozialismus waren sie eben mehr sekundärer art (hui fremdwort:)). man muss auch gute seiten finden, wenn sie einfach da waren. alles andere wäre ahistorisch und ideologisch verblendet. denn wer sagt, dass nicht in 100 jahren menschen unsere zeit betrachten und meinen: "Ja die hatten das Internet und großzügige Sanitäranlagen. Auch die Verpflegung war gesichert. Aber das hat ihnen nicht geholfen. Sie sind seit dem großen Krieg auch verbrannt!"?
 
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AW: Eva Herman

Dem Nationalsozialismus gute Seiten abgewinnen zu wollen ist doch reinste Energieverschwendung.

Genausogut könnte man sagen: John Wayne Gacy hat zwar 33 Kinder bestialisch ermordet und vergewaltigt, aber hey, der Mann hatte doch auch gute Seiten: Als Pogo der Clown hat er die Menschen toll unterhalten und einmal hat er einer blinden Oma über die Straße geholfen.

Wem dient es, unbedingt etwas Positives im NS-System zu sehen? Wozu? Nur um das angeknackste Selbstbewußtsein nachträglich wieder aufzurichten?

Positiv vermerken kann man, wie Deutschland sich nach dem Weltkrieg verändert hat, sicher, aber Gutes innerhalb dieser Schreckenszeit zu suchen finde ich am falschen Ende investiert.
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Eva Herman

Zum Zitat "im Dritten Reich … sei vieles sehr schlecht gewesen, zum Beispiel Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut: zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter" gibt es ja viele ähnliche Aussagen. Ein österreichischer Politiker etwa hat einmal die "Wirtschaftspolitik des 3. Reiches" gelobt, und ebenso werden gern die Autobahnen, die unter Hitler gebaut wurden, verherrlicht.

Besonders imposant finde ich dazu das Werk "Albert Speer, Hitlers Architekt" von Gitty Sereny. Wenn ich mich recht erinnere, war Speer am Schluss als Rüstungsminister der Vorgesetzte von 38 Millionen Menschen (inkl. aller Zwangsarbeiter), und er hat die gesamte Zivil- und Kriegsproduktion des 3. Reiches so "genial" organisiert, dass der Krieg ohne ihn vermutlich viel schneller zu Ende gewesen wäre.

Aber egal, wie "genial" die Ausführung bzw. Teile der Ausführung eines Verbrechens sind, es bleibt ein Verbrechen. Und das 3. Reich war ein gigantisches Verbrechen.

Die "kluge" Ausführung eines Verbrechens zu loben, ist entweder furchtbar naiv, oder es ist einfach ein total vertrottelter PR-Gag.

Wobei ich vermute, dass so etwas schnell als Wiederbetätigung ausgelegt werden kann.

Als nächtes kommt einer daher, und bezeichnet ein Massenvernichtungslager der Nazis als "technische und logistische Meisterleistung", die uns aus diesem Blickwinkel aus Vorbild dienen sollte (!).

Die Richtung, die Eva Herman da einschlägt, ist absoluter Irrsinn. Wirklich. Absoluter Irrsinn.

Sie kann für die Wertschätzung der Mutterrolle jedes Beispiel aus der Geschichte hernehmen. Aber nicht eins, in dem diese "Wertschätzung" von den größten Verbrechern der Menschheit bisher kam.

lg Frankie
 
AW: Eva Herman

denn es gibt in jedem system vor- und nachteile. in der zeit des nationalsozialismus waren sie eben mehr sekundärer art (hui fremdwort:)). man muss auch gute seiten finden, wenn sie einfach da waren. alles andere wäre ahistorisch und ideologisch verblendet. denn wer sagt, dass nicht in 100 jahren menschen unsere zeit betrachten und meinen: "Ja die hatten das Internet und großzügige Sanitäranlagen. Auch die Verpflegung war gesichert. Aber das hat ihnen nicht geholfen. Sie sind seit dem großen Krieg auch verbrannt!"?

dies ist ein wichtiger beitrag zur aufarbeitung eines überaus dunklen kapitels der deutschen und der österreichischen geschichte.
irgendwann einmal sollte oder müsste es möglich sein, mit einer gewissen sachlichkeit auf diese jahre zu schauen.
doch eines ist klar: das schaffen wohl nur die kindeskinder. denn die betroffenen, die wirklich nahe an den schrcklichen zeiten leben und lebten, können nur selten diese art distanz in sich herstellen.

nichtsdestotrotz betrifft auch uns folgegenerationen die aufarbeitung der NAZI-zeit .....und es ist mMn auch so, dass es ein teil unserer aufgabe ist.
jeder heute lebende mensch ist auf seine art und mithilfe seiner speziellen sichtweise daran beteiligt.
dass dabei unsere gemüter heiß laufen, ist ebenso klar, wie die gräueltaten gräßlich waren......und wie die menschen, die sie verübten dennoch MENSCHEN waren.

und ja, céline, ich glaube auch, dass mensch deutscher oder österreicher sein muss, um die hierzulande sonderbaren reaktionen auf den 2. Weltkrieg und das nazitum sowie dessen ansichten zu verstehen.
noch sind die emotionen hier in unseren ländern groß. denn die schuld, die wir (=unsere länder) auf uns geladen haben, ist noch lange nicht abgetragen.
es ist die schuld der verlierer. es ist die schuld derer, die irgendwann von allen anderen vor augen geführt bekamen, welchen wahnsinn sie vollbracht haben.
auch wir folgegenerationen sind noch immer davon betoffen. (wie sehr sieht mensch gut an den überreagierenden gemütern w.o.).
denn jeder und jede von uns stammt von menschen ab, die in irgendeiner weise in diesem krieg involviert waren.
und das finden wir nachfolgende schlimm. besonders wenn es dabei aus heutiger sicht "unrühmliche" taten gab.
denn diese taten sind zu verurteilen.
doch die täter sind unsere ahnen.
und wir sind von unserer herkunft gezwungen, diese zu achten und auch zu lieben......das ist die diskrepanz, in der wir uns befinden.
und es ist verdammt schwer, hier den durchblick zu kriegen.
diese - unsere vorfahren - nämlich als menschen in ihrer ganzheit zu sehen. in ihrem tun, ihrem sein und in ihrem schicksal, dass sie zu ihren taten vereinnahmte.

und andererseits gegenüber den opfern die schuld unserer ahnen einzubekennen und in geeigneter weise abzutragen.
 
AW: Eva Herman

und andererseits gegenüber den opfern die schuld unserer ahnen einzubekennen und in geeigneter weise abzutragen.

Liebe Kathi,

die Frage, wie hätte ich mich eigentlich damals vielleicht verhalten, ist außerordentlich schwer zu beantworten, eigentlich gar nicht. Aus diesem Grund habe ich auch etwas ein Problem damit, wenn z.B. Richard Wagner als geistiger Brandstifter und Vorläufer der Nazis dargestellt wird. Ich habe für seinen Antisemitismus bestimmt nichts übrig, aber weiß irgendwer, wie er sich ganz konkret im Ernstfall verhalten hätte? Eine Nuance Veränderung oder vielleicht nur eine etwas wenig differenzierte Betrachtung und schon wäre aus Oskar Schindler statt des Retters ein übler Kriegsgewinnler gemacht worden. Schuld und Nichtschuld können sehr eng beieinander liegen. Das macht auch den Umgang mit unseren Vätern und Großvätern so kompliziert, zumal wir ja die Details (besonders, wenn sie schrecklich waren) gar nicht erfahren. Dabei wäre vielleicht das so wichtig gewesen, und es geht mir dabei weniger um Schuldfragen, als um das Verstehen.

Für mich ist nur soviel klar bei einer solchen fiktiven Vorstellung: Dass es, wenn sich eine solche Walze erst einmal in Bewegung gesetzt hat, ziemlich schwer wird, moralisch zu handeln. Und es deshalb niemals erst soweit kommen darf, daß sie sich in Bewegung setzt.

Wir den Opfern gegenüber die Schuld unserer Ahnen einbekennen und abtragen? Das geht nicht, denn Schuld ist mMn. individueller Natur. Es macht auch niemanden mehr lebendig und die meisten Betroffenen sind längst tot. Vielleicht schulden wir es aber doch dem Gedenken und überhaupt allen um uns herum, es gar nicht erst jemals wieder so weit kommen zu lassen. Und da gebührt eben Frau Herman eine gewisse Aufmerksamkeit.

Zu den guten Seiten des Unrechtsregimes kann ich nochmals wiederholen, daß es unbeachtlich ist. Auch in Diktaturen werden Häuser gebaut, Sport getrieben, Autos gefahren, gibt es beizeiten Annehmlichkeiten, oft besonders für die Mitläufer. Davon leben die Regime ja schließlich auch. Umso bescheuerter ist aber doch die anheimelnde Nostalgie und das peinliche Suchen nach dem irgendwie auch Gutem ausgerechnet in der NS Zeit. Wie Zorro zu Recht ausführt, ist das blanke Zeitverschwendung und führt mMn. schlimmstenfalls gar zu Zerrbildern, die den Blick für das wesentliche verstellen.

Zudem war gerade die "Familienpolitik" der Nazis, was immer Frau Herman damit eigentlich meint, schlichtweg mit das perverseste, was dieser Erdball je erlebt hat.

Gruß
Zwetsche
 
AW: Eva Herman

Ich kann es mir wirklich nicht erklären wieso noch heute immer wieder das Thema einer kollektiven Schuld bzw. einer Schuld der nachkommenden Generationen aufkommt.

Diesmal mache ich es mir etwas einfach und zitiere einen meiner Beiträge da es ein ähnlich gelagertem Thema behandelt. Denn auch damals musst ich darauf hinweisen, dass es paradoxerweise immer wieder der "Zentralrat der Juden in Deutschland" ist, federführend dabei m.E: Salomon Korn, der darauf hinweist, dass es keine kollektive Schuld, beziehungsweise keine Schuld der nachkommenden Generationen gibt, wohl aber eine kollektive Verantwortung.

https://www.denkforum.at/forum/showpost.php?p=104382&postcount=20

Es gibt aber sehr oft so einseitige oder sogar verfälschte Aussagen zur Vergangenheit. Neulich musste ich sogar lachen, als ich den Dokumentarfilm "2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß" sah (ich berichtete darüber bereits im Thread "Gedanken zur menschlichen Würde"), in dem Malte Ludin der Vergangenheit seines Vaters, der SA-Offizier Hanns E. Ludin, Nationalsozialist der ersten Stunde, träger des Blutordens, Kriegsverbrecher, nachgeht.

Er versucht unter anderem auch seine älteren Schwestern zu interviewen, und dabei erzählt die Älteste völlig verklärt wie schön die Familie doch während des Krieges gewohnt hat. Jedes Kind hatte nicht nur das eigene Kinderzimmer, sondern auch einen gemeinsamen Essraum, Spielraum, etc...
Erst auf die Frage des Autors wie denn die Familie an dieses Haus gekommen sei, erzählt die Schwester, dass dieses früher einer jüdischen Familie die dann deportiert wurde, gehört hatte.

Wegen solcher einseitigen Aussagen die bis zur einer verklärenden Relativierung manchmal reichen, muss m.E. in einer kollektiven Verantwortung, an die geschichtliche Vergangenheit in ihrem ganzen Kontext erinnert werden.

Freundliche Grüße

Miriam
 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Eva Herman

hallo zwetsche und miriam,
ich spreche keineswegs von einer "juristischen schuld" oder von einer "kollektivschuld", wie sie der Zentralrat der Juden in Deutschland als nicht existent sieht.

was ich meine ist eine verbindung unserer generationen mit denen, die diese zeit hautnah erlebten. als opfer oder als täter - als mitläufer oder als nichtwissende/nicht wahrhaben wollende.

dass in diesen zeiten eine unglaubliche "schuld" entstand, ist außer frage.
wer diese verursachte, ist die eine sache.
wer sich daran schuldig fühlt, ist die andere sache.

dass diese "schuld" von vielen direkt betroffenen (noch) nicht (zur gänze) abgetragen wurde/werden konnte, steht ebenfalls außer zweifel.

da der nachfolgend nötige vorgang der sühne und des vergebens lange noch nicht beendet ist/werden konnte, sind wir folge-generationen nach wie vor mit diesem thema konfrontiert.
- ob wir das wollen oder nicht
- ob es juristisch außer zweifel steht oder nicht
- ob der zentralrat der juden in deutschland uns außer obligo stellt oder nicht.

die diskrepanz, um die es sich in meiner obigen wortmeldung handelt, ist seelischer natur.
und um die kommen auch wir folgende nicht drumherum.....gerade wir folgende (als nicht direkt betroffene) nicht.

(sieht mensch ja auch. und wenn frau "eva herman" heißt, spürt sie´s auch.)
 
AW: Eva Herman

Niemandem, der zu diesem Thread geschrieben hat, möchte ich kritisch zu nahe treten, aber die beiden Beiträge # 11 und 16 von Celine sind mit weitem Abstand die besten - und dies nicht nur, weil ich ihre Ansicht weitgehend teile.
Wenn die gute Eva "Adolf Hitler" weggelassen sondern statt dessen pauschal von "früher" gesprochen hätte, würde ihre These zwar diskussionsbedürftig, aber doch auch -würdig sein.
Generell: So wie es ein richtiges Leben in einem falschen System geben kann, kann auch ein totalitäres System - was z.B. für die DDR niemand bestreitet - Richtiges tun. Die - meinetwegen - kriminelle Zielsetzung des Hitlerreiches schließt doch nicht aus, dass einige Methoden per se gut sind. Was ist z.B. dagegen einzuwenden, wenn junge Heiratswillige einen Ehetauglichkeitspass vorlegen müssen zur Verhinderung erbkranken, schwer behinderten Nachwuchses? Das Regime vermochte die Zahl der zivilen Morde, als keine Systemmorde, drastisch zu reduzieren. War das so schlimm? Und als Folge militärischer Disziplinierung fuhren die Züge wieder pünktlich, was das Ausland bei der Olympiade 1936 bejubelte. Ist auch das zu zu loben ein Verstoß gegen diese elende political correctness?! Ich mag keine Hunde, aber wäre es anders, dürfte ich dann nicht sagen: Hitler war wie ich ein Freund des (Schäfer-)Hundes und im "3.Reich" wurde das erste Tierschutzgesetz der Welt erlassen (1936). Obwohl zugegeben ein Menschenschutzgesetz nötiger gewesen wäre.
Eva Hermann ist vielleicht ein wenig naiv, mag politisch unbedarft sein, aber man müsste ganz anderen Leuten die mediale Plattform sperren, wenn dies berechtigen würde, zur Jagd auf sie zu blasen.
 
AW: Eva Herman

Das Regime vermochte die Zahl der zivilen Morde, als keine Systemmorde, drastisch zu reduzieren. War das so schlimm? Und als Folge militärischer Disziplinierung fuhren die Züge wieder pünktlich, was das Ausland bei der Olympiade 1936 bejubelte. Ist auch das zu zu loben ein Verstoß gegen diese elende political correctness?!

Nein, das zu loben ist nicht politisch unkorrekt sondern total hirnverbrannt.
 
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AW: Eine etwas andere Meinung

... sonst wüsstest du nämlich aus einer Menge meiner anderen Beiträge, dass ich keineswegs für Stillschweigen über die Nazibestialitäten plädiere. Diese Unterstellung ist echt hart.

Eine solche Unterstellung lag mir fern, und das weisst du auch, Céline.

Ich habe mich über den Begriff der "Dauerempörten" aufgeregt. Auch über verharmlosende Äusserungen zur Politik der Nazis, wie die von Frau Herman zur Familienpolitik im "Dritten Reich", sollte man empört sein. Das ist doch kein "medialer Mordanschlag"!

Sozialismus und Kommunismus sind ja bei dir auch nicht nur schwarz, nicht wahr?

Da hast du recht. Sie waren auf jeden Fall "grau", ob näher am weissen oder schwarzen Ende des Graubereichs, das müssen die Historiker noch herausfinden.

Ich bleibe beim Kochen und Klappe halten.

Das wäre nun aber die falsche Schlussfolgerung. Was hätte dann das Forum von dir, liebe Céline?

Grüessli und :blume1: von
Hartmut

P.S.:
Vielen Dank für den Tipp, das Grand Hôtel Bristol in Colmar zu besuchen. Gern werde ich mich von Michaelas Kochkunst überzeugen.
 
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