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Die Intrige als geschichtliches und als naturwissenschaftliches Phänomen

Miriam

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26. Juni 2005
Beiträge
9.722
Ich möchte gerne rund um das Phänomen der Intrige hier eine Diskussion eröffnen.
An das Thema kam ich zwar durch das Buch:
"Die Intrige. Theorie und Praxis der Hinterlist" von Peter von Matt, doch möchte ich vorweg betonen, dass meine Absicht hier keine Buchbesprechung ist. Das Buch und die Art wie der Autor das Thema behandelt soll nur der Anlaß sein darüber hier zu diskutieren, und ich hoffe auch, dass hier manches ausserhalb der Sicht von Peter von Matt geschrieben wird - das Thema würde sich dazu gut anbieten, so vielschichtig und umfangreich ist es.

Genau wusste ich nicht in welchem Unterforum das Thema am besten untergebracht wäre, denn Peter von Matt zeigt uns, dass dieses Phänomen, die Intrige, nicht nur im geschichtlichem Geschehen zu finden ist.
Die Intrige ist sehr leicht mit der Täuschung in der Natur zu vergleichen, Parallelen zwischen den beiden sind feststellbar auch durch den Zweck der dabei verfolgt wird – und deswegen möchte ich auch versuchen dieses Thema nicht nur auf einem Gebiet einzuschränken.

Als Täuschung in der Natur, kennen wir das Phänomen der Mimikry und diese ist bekannt sowohl bei Pflanzen als auch im Tierreich, z.B. bei Insekten. Dieses Wort bedeutet eigentlich Nachahmung – und die Nachahmung in der Natur, dient meist dem Überleben – durch eine Täuschung.

Wie definiert der Autor die Intrige? Es ist eine „geplante, zielgerichtete und folgerichtig durchgeführte Verstellung zum Schaden eines anderen und zum eigenen Vorteil“

In der Geschichte fällt uns natürlich gleich Machiavelli ein, darüber schreibt von Matt auch Bemerkenswertes, da dieser die Intrige als eine Kunst betrachtete.
Doch lange zuvor, war ja Homers Odysseus ein großer Täuscher, und Troja durch das legendäre trojanische Pferd, Inbegriff der geschichtlichen Täuschung, also der Intrige. Nur mit dessen Hilfe gelang es den Griechen die Mauern des Feindes zu bezwingen.

Was führt zur Intrige, was sind ihre Voraussetzungen? Als erstes besteht ein Ziel den man erreichen möchte, und beim Versuch dieses zu erreichen, entsteht manchmal eine Notsituation. Um trotzdem das Ziel zu erreichen, wird ein Plan geschmiedet und auch taktisch durchgeführt. Dieser Plan und seine Durchführung sind eigentlich die Intrige, die oft nur durch Täuschungen praktisch umgesetzt werden kann.

Hier nennt Peter von Matt literarische Gestalten, wie zum Beispiel uns aus Othello bekannt, oder aber Schillers Figuren, verstrickt in Intrigen und Gegenintrigen, und es ist fast schon undurchschaubar, welche davon eigentlich "das Richtige" verfolgen. Dadurch wirken sie m.E. auch so authentisch, denn es ist wie im richtigem Leben: eine schwarz-weiß Malerei wäre eine verfälschende Vereinfachung. Wer verfolgt das Gute, wer das Böse? In manchen Fällen können wir es sagen - in vielen Fällen aber ist es unsere subjektive Wahrnehmung, unser von Eigennutz nicht so gefeiter Blick, der eine Objektivierung nicht erlaubt.

Vorläufig nur soviel zum Thema, gerne möchte ich andere zu Wort kommen lassen, bevor ich hier auch weiter schreibe.
 
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Hallo Miriam,

Intrigen sind für mich menschliche Umstände, in die ich bislang nur blauäugig hineingerutscht bin, um mich dann fassungslos umzusehen... Da ich weder das Buch kenne, noch sonstige hochgeistige Beiträge leisten kann, werde ich ob des - wie ich finde - hochinteressanten Themas hier zum stillen Mitleser werden.

Dieser Beitrag ist einfach als Rückmeldung für dich gedacht...

;) LG chaosbarthi
 
Danke dir, Chaosbarthi,

natürlich habe ich mich in meinem ersten Beitrag mehr als mir lieb ist, an das Buch gehalten. Aber ich hoffe sehr, dass wir danach auch einfach aus dem Bauch oder der Erfahrung schreiben werden. Du hast es ja schon getan.

Was ich feststelle ist, dass wir zwar verletzt sind durch Intrigen oder empört wegen Machenschaften. Aber sie sind ein solch alltägliches Phänomen, und wenn man das ein wenig begriffen hat, nimmt man einiges anders wahr. Kleines und banales Beispiel: die Nachrichten.

Gruß von Miriam
 
Ich finde, dass die Intrige vornehmlich dort vorkommt, wo es auch eine Hierarchie gibt, also in (vielen) Betrieben und in der Politik, manchmal leider auch im Sport und in der Familie. Die Intrige richtet sich dabei immer gegen Menschen, die mächtiger als der Intrigant sind.

Die Intrige ist weder anständig noch moralisch, sie ist hinterhältig und real. Wird sie rechtzeitig durchschaut, ist sie für den Intriganten vernichtend. Sie ist nicht nur ein geschichtliches und naturwissenschaftliches Phänomen, sondern auch ein psychologisches (die Psychologie zähle ich insofern nicht zu den Naturwissenschaften als ich die Psyche als etwas nicht Materielles empfinde; die Psychologie hat aber sehr wohl Gesetze).

Liebe, keine Intriganten wünschende Grüße

Zeili
 
Zeili,

ich kann dir zu deinen Standpunkt nicht ganz beipflichten. Aber ich denke, dass ich ohne den Exkurs durch Geschichte, Natur und Literatur von Peter von Matt, heute auch noch so denken würde. Persönlich bin ich froh, wenn auf dieser Weise festgefahrene Vorstellungen mit denen wir einen Begriff verbinden, in Frage gestellt werden.

Lass uns mal die nähere Geschichte betrachten: das leider fehlgeschlagene Attentat auf Hitler am 20 Juli 1944. Natürlich haben da zwischen den Attentätern im Vorfeld Aktivitäten stattgefunden, die genau dem Konzept der Intrige entsprechen. Wir nennen es eher Komplott oder Verschwörung, aber auch da erkennt man alle Elemente die, laut von Matt, eine Intrige ausmachen: ein Ziel (der Sturz von Hitler und seinem Kreis), ein Plan, der aber nur durchgeführt werden kann durch eine Täuschung (von Stauffenbergs Anwesenheit hat angeblich die Teilnahme zu einer Besprechung zum Zweck).

Doch wie sieht die Intrige in der Gegenwart aus - fragt sich von Matt. Als eines der Beispiele nimmt er nun Patricia Highsmiths Tom Ripley und stellt das Bild des eiskalten Mörders in Frage. Dazu schreibt der Autor:

"Die große, traditionelle Literatur geht immer vom bewussten Menschen aus, der etwas denkt, etwas will und es durchführt. Das ist toll, das ist prächtig! Aber die Moderne, die moderne Wissenschaft, die moderne Psychologie, auch die moderne Literatur ist natürlich dazu gekommen, dass der Mensch überhaupt nicht so ein Wesen ist, sondern dass er vielfach gesteuert wird von Dingen, die er gar nicht selber kennt."

In einem Zustand der nicht als normal bewusst bezeichnet werden kann, in einer Art von Tobsuchtsanfall, verkleidet sich Ripley, er nimmt sich die Kleidung seines Freundes Dickie. Es ist keine geplante Aktion, es passiert etwas mit Ripley, er nimmt plötzlich auch das Verhalten von Dickie an und hört sich selber, überrascht, mit der Stimme des Freundes sprechen.

Was spielt sich bei so einer Verwandlung im Inneren des Menschen ab?

"Da begegnet man natürlich einem Spiegel auch dessen, was man im Grunde von sich selber weiß und von sich selber kennt. Jeder weiß ja, dass er nicht tut, was er tun sollte, und das, was er tun sollte, nicht tut. Das ist unser tägliches Brot."

Bis hier spielt sich auch bei Ripley alles auf einer Ebene, die ihm bislang nicht bewusst zugänglich war, ab. Aber jetzt setzt die bewusste Aktion ein. Auch er hat ein Ziel, und dafür einen Plan. Dieser wird konkret als er Dickie erschlägt. Doch was vielleicht wichtig ist: Ripley hat überhaupt kein Bewusstsein für Recht und für Unrecht.
Das lässt sich eigentlich in vielen Fällen feststellen bei den literarischen Figuren der Intrige, und deutet auf die Frage nach der Moral, nach Gut und Böse hin. Denn so einfach ist diese Kategorisierung nicht.

Um da einen anderen Schriftsteller noch zu zitieren der sich auch mit der Relativität dieser Begriffe befasst hat:

Barmherzigkeit und Wohltätigkeit kann es nicht für alle zugleich geben. Wenn wir diese Worte in den Mund nehmen, so laßt uns immer hinzufügen: für wen. (Leszek Kolakowski)

Bei Peter von Matt steuern die Intrigen letztendlich auf das Erkennen zu. Und manchmal führt die Erkenntnis wiedermal zu der Banalität des Bösen, zum alltäglichen Entdecken des Monströsen im Menschen.
 
Miriam,

ich kann dir zu deinen Standpunkt nicht ganz beipflichten. . . .

. . . Lass uns mal die nähere Geschichte betrachten: das leider fehlgeschlagene Attentat auf Hitler am 20 Juli 1944. Natürlich haben da zwischen den Attentätern im Vorfeld Aktivitäten stattgefunden, die genau dem Konzept der Intrige entsprechen.
Die Ausnahme bestätigt die Regel; ich dachte an die vielen Intrigen, die passieren, um eine(n) andere(n) (anständige(n), nicht gewalttätige(n), der (die) sich seine (ihre) Position erarbeitet hat) mit unlauteren Mitteln von seinem (ihrem) Posten zu verdrängen.

Lass uns gemeinsam bitten, beten und arbeiten, dass wir nie mehr mit einem Unhold, wie Hitler es war, bestraft werden.

Vom Buch von Peter von Matt sowie von der anderen Story lese ich heute zum ersten Mal.

LG
Zeili
 
hallo miriam,

also unter einer intrige versteh ich, einen menschen der geschickt andere menschen dazu bringt für ihn eine tat auszuführen!
sprich wie bei caesar wo letzendlich sein heiss geliebter brutus so manipuliert wurde durch intrige, dass sogar er caesar erstach.
wobei man hier auch von komplott oder einer verschwörung sprechen kann, wie bei hitler.

also der unterschied liegt für mich darin, dass einer die fäden zieht und andere handeln.

dein beispiel mit ripley und dickie - ich kenne nur den fernsehfilm - empfinde ich nicht als intrige, da ripley einfach dickies leben übernimmt.

er intrigiert ja nicht gegen ihn, sondern er wird einfach zu dickie und ist einfach ein neumodischer und etwas brutaler "hochstabler felix krull".

lg binchen
 
Liebes Binchen,

dein Beitrag macht sehr feine Unterscheidungen und was mir so sehr gefäll: du möchtest auch völlig differenziert mit Begriffe umgehn (Intrige, Komplott, Verschwörung).

Doch wenn man das Buch von Peter von Matt liest - und das kann ich nur sehr empfehlen - dann erkennt man den roten Faden der sich durch viele Ereignisse durchzieht, das Muster welches sich in Vielem wiederholt.
Ob es nun geschichtliche Ereignisse sind oder aber literarische Gestalten denen im Laufe der Zeit schon symbolische Züge verliehen wurden, doch auch in Beispielen aus der Natur - es sind die Merkmale der Intrige die so oft wieder zu finden sind. Peter von Matt, der ein begnadeter Erzähler aber auch ein Wissenschftler ist, nimmt uns an der Hand und führt uns vieles vor das wir längst gewusst und irgendwo abgelegt haben - und durch seine Analyse macht er uns die Dinge nochmals ganz anders zugänglich und ermöglicht eine andere und tiefere Einsicht in Ereignisse und auch in Zusammewnhänge.

Ich wiederhole hier noch einmal die Definition die Peter von Matt für die Intrige gibt:

Es ist eine "geplante, zielgerichtete und folgerichtig durchgeführte Verstellung zum Schaden eines anderen und zum eigenen Vorteil“

Man könnte fast schon sagen, dass diese Definition keine Wertung beinhaltet. Doch ganz sicher nehmen die meisten Ereignisse ihren Lauf indem sie Begünstigte und zur selben Zeit Benachteiligte erzeugen.
Der Ausdruck den ich oben benutze: "nehmen die Ereignisse ihren Lauf" stimmt nicht so ganz - im Hintergrund wird meistens ja agiert, ein Ziel verfolgt , ein Plan geschmiedet, und durchgeführt - und dafür werden oft Täuschungen benutzt um den Plan durchführen zu können. Eben das ist die Intrige, nach von Matts Definition.
 
Miriam schrieb:
Ich wiederhole hier noch einmal die Definition die Peter von Matt für die Intrige gibt:

Es ist eine "geplante, zielgerichtete und folgerichtig durchgeführte Verstellung zum Schaden eines anderen und zum eigenen Vorteil“

Man könnte fast schon sagen, dass diese Definition keine Wertung beinhaltet. Doch ganz sicher nehmen die meisten Ereignisse ihren Lauf indem sie Begünstigte und zur selben Zeit Benachteiligte erzeugen.
Der Ausdruck den ich oben benutze: "nehmen die Ereignisse ihren Lauf" stimmt nicht so ganz - im Hintergrund wird meistens ja agiert, ein Ziel verfolgt , ein Plan geschmiedet, und durchgeführt - und dafür werden oft Täuschungen benutzt um den Plan durchführen zu können. Eben das ist die Intrige, nach von Matts Definition.
also so wie du das nochmals beschreibst und es matt sagt, habe ich es nun nach mehrmaligen lesen auch verstanden und muss dem zustimmen.
so macht dann die geschichte von ripley doch wieder sinn.

nur muss ich da nachfragen in wieweit muss der andere geschädigt werden, damit es eine intrige ist?
ist es erst bei mord eine richtige intrige?
oder wenn ich den anderen an den rande seiner selbst gebracht habe?
ist also hitlers fehlgeschlagenes attentat doch eher ein komplott bzw. eine verschwörung, da sie hitler ja nicht geschadet hat?

fragt binchen :)
 
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Liebes Binchen,

gestern spät, als ich den PC schon abgeschaltet hatte, wurde mir der wesentliche Unterschied zwischen den Begriffen deutlich: beim Komplott handelt es sich um die Planung und Durchführung einer Aktion, bei der mehrere beteiligt sind. Im Gegensatz, kann die Intrige auch von einem einzigen geschmiedet und durchgeführt werden. Ausserdem scheint es mir, dass der Komplott immer eine Aktion als Folge hat - die Intrige kann auch rein verbaler Natur sein.

Der Komplott kann m.E. eine Intrige als Ausgangspunkt haben, für eine Intrige muss aber nicht komplotiert werden, denn das würde wieder bedeuten, dass mehrere daran teilnehmen.
Der Mord muss keineswegs das Ziel der Intrige sein, und auch der Komplott muss nicht umbedingt den Tod des Gegeners beabsichtigen. Es kann z.B. ein politischer Umsturz durch eine Verschwörung, einem Komplott, stattfinden - dabei muss aber der Gegner nicht umbedingt sterben.

Peter von Matt verbindet schon in seinem Titel die Intrige mit dem Begriff Hinterlist. Doch die findet er nicht nur in der Geschichte, oder in den Figuren der Literatur die er uns aus diesen Blickwinkel neu erzählt - sondern auch in der Natur.

Sein Exkurs fängt an mit einer Tarnung (Mimikry) so wie sie eigentlich oft in der Natur stattfindet. Er beschreibt die "Hinterlist" der Teufelsmantis -auch Teufelsblume genannt (Idolomantis diabolica), ein Insekt das zum Verwechseln einer Orchidee ähnelt und sich unter echten Orchideen aufhält. Wenn dann ein Insekt auf die Täuschung reinfällt, dann schnappt die Teufelsmantis zu - die Falle hat wiedermal funktioniert.
Die Absicht des Autors ist eindeutig: er weist schon bei diesem Beispiel auf das Muster hin, welches sich in der Geschichte und in der Literatur wiederfindet. Von Matt schlägt so den Bogen zu den Intrigen in der menschlichen Gesellschaft und meint, um diesen Vergleich zu unterstreichen, dass "beide die schockartige Erfahrung des Bösen auslösen".

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