Anlässlich der Deutschlandpremiere des Dokumentarfilmes „We Feed The World” (Regie: Erwin Wagenhofer ), hat Jean Ziegler den Journalisten Gert Scobel am 12.4. 06 ein Interview gegeben.
Diethelm hatte bereits im Thread „USA - sterbendes Imperium?" auf den Film hingewiesen und wir beide unterhielten uns über Jean Ziegler, den UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung.
Da das Thema des Welthungers m.E. eines der wichtigsten unserer Zeit überhaupt ist, habe ich mich entschloßen hier einen Thread dazu zu eröffnen. Die Absicht ist, hier zusammen über die Schieflagen in unserer Welt nachzudenken.
Das Interview mit Jean Ziegler finde ich so wichtig, dass ich damit das Thema eröffnen möchte. Leider besteht es nur als Videoaufnahme, und so habe ich es in Textform übertragen. Die eventuellen Grammatikfehler sollen bitte nicht den Diskutanten im Interview, sondern mir angelastet werden.
Gert Scobel: Wenn ich es richtig weiss, stammt der Begriff „Imperium der Schande“ von Benjamin Franklin – was meinen Sie damit?
Jean Ziegler: Benjamin Franklin war einer der Hauptakteure der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung am 4.7.1776 und schon damals, Ende de 18. Jahrhunderts - heute ist es viel schlimmer – redete er von einem Imperium der Schande, nämlich von einer Welt in der einige wenige unglaublich viel verdienen und wo die Mehrheit der Menschen im Elend, in der permanenten Unterernährung, in Verzweiflung und Erniedrigung lebt – und er hat gesagt, dass dieses Imperium eines der Schande ist.
Franklin war Zeitgenosse von Kant – und dieser sagte, dass die Unmenschlichkeit die einem anderen angetan wird, die Menschlichkeit in mir zerstört. In dieser Situation befinden wir uns heute.
G.S.: Sie sagen ja – und sind dabei nicht der einzige – wir hätten genug um wirklich 12 Milliarden Menschen zu ernähren. Erstens: wieso ist das so und zweitens: warum machen wir es dann nicht?
J.Z.: Sie haben absolut Recht. 100.000 Menschen sterben täglich an Hunger oder an seinem unmittelbaren Folgen, alle 5 Sekunden ist ein Kind unter 10 Jahren im letztem Jahr verhungert . 856 Millionen Menschen auf diesem Planeten, also jeder sechste ist permanent schwerstens unterernährt und der selbe Food Report, der die Hungerzahlen, die Opferzahlen nennt, sagt, dass die Weltlandwirtschaft so wie sie heute ist, ohne Probleme 12 Milliarden Menschen, das bedeutet praktisch das Doppelte der heutigen Weltbevölkerung, ernähren könnte.
Das heißt, dass ein Kind welches vor Hunger stirbt, heute, jetzt, in diesem Moment wo wir reden. ermordet wird. Es gibt keine Fatalität.
Warum das so ist, haben Sie mich gefragt. So eindeutig der Hungertod ist - und leider sehe ich den ständig auf meinen UNO-Missionen, vor ein paar Wochen im Süden von Somalia, vorher in Bangladesch, auf den Hochplateaus von Guatemala – also so eindeutig die physiologische, unglaublich schmerzhafte Zerstörung eines Menschenkörpers durch Hunger ist, so vieldeutig und komplex sind die Kausalitäten .
Ich kann nur einige davon nennen. Zum Beispiel: die EU-Agrarpolitik – letztes Jahr haben die Industrienationen dieser Welt, vor allem die EU, 349 Milliarden Dollar, das bedeutet fast eine Milliarde Dollar pro Tag, für den Export und die Produktionssubventionen bezahlt. Das heißt: wenn Sie heute auf einem Markt sind, z.B. auf einen südafrikanischen, nehmen wir mal den größten westafrikanischen Markt Sandakan in Dakar, da können Sie französisches, portugiesisches, italienisches Gemüse oder Früchte zur Hälfte des Preises der Inlandsprodukte kaufen. Das bedeutet, dass ein afrikanischer Bauer (37 der 53 afrikanischen Staaten sind reine Agrarstaaten), das heißt also, dass ein afrikanischer Bauer der sich zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern 15 Stunden am Tag unter brennender Sonne abrackert, nicht die geringste Chance hat an einen menschwürdigen Existenzminimum zu kommen. Doch es gibt auch noch andere Gründe.
(Fortsetzung folgt)
Diethelm hatte bereits im Thread „USA - sterbendes Imperium?" auf den Film hingewiesen und wir beide unterhielten uns über Jean Ziegler, den UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung.
Da das Thema des Welthungers m.E. eines der wichtigsten unserer Zeit überhaupt ist, habe ich mich entschloßen hier einen Thread dazu zu eröffnen. Die Absicht ist, hier zusammen über die Schieflagen in unserer Welt nachzudenken.
Das Interview mit Jean Ziegler finde ich so wichtig, dass ich damit das Thema eröffnen möchte. Leider besteht es nur als Videoaufnahme, und so habe ich es in Textform übertragen. Die eventuellen Grammatikfehler sollen bitte nicht den Diskutanten im Interview, sondern mir angelastet werden.
Gert Scobel: Wenn ich es richtig weiss, stammt der Begriff „Imperium der Schande“ von Benjamin Franklin – was meinen Sie damit?
Jean Ziegler: Benjamin Franklin war einer der Hauptakteure der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung am 4.7.1776 und schon damals, Ende de 18. Jahrhunderts - heute ist es viel schlimmer – redete er von einem Imperium der Schande, nämlich von einer Welt in der einige wenige unglaublich viel verdienen und wo die Mehrheit der Menschen im Elend, in der permanenten Unterernährung, in Verzweiflung und Erniedrigung lebt – und er hat gesagt, dass dieses Imperium eines der Schande ist.
Franklin war Zeitgenosse von Kant – und dieser sagte, dass die Unmenschlichkeit die einem anderen angetan wird, die Menschlichkeit in mir zerstört. In dieser Situation befinden wir uns heute.
G.S.: Sie sagen ja – und sind dabei nicht der einzige – wir hätten genug um wirklich 12 Milliarden Menschen zu ernähren. Erstens: wieso ist das so und zweitens: warum machen wir es dann nicht?
J.Z.: Sie haben absolut Recht. 100.000 Menschen sterben täglich an Hunger oder an seinem unmittelbaren Folgen, alle 5 Sekunden ist ein Kind unter 10 Jahren im letztem Jahr verhungert . 856 Millionen Menschen auf diesem Planeten, also jeder sechste ist permanent schwerstens unterernährt und der selbe Food Report, der die Hungerzahlen, die Opferzahlen nennt, sagt, dass die Weltlandwirtschaft so wie sie heute ist, ohne Probleme 12 Milliarden Menschen, das bedeutet praktisch das Doppelte der heutigen Weltbevölkerung, ernähren könnte.
Das heißt, dass ein Kind welches vor Hunger stirbt, heute, jetzt, in diesem Moment wo wir reden. ermordet wird. Es gibt keine Fatalität.
Warum das so ist, haben Sie mich gefragt. So eindeutig der Hungertod ist - und leider sehe ich den ständig auf meinen UNO-Missionen, vor ein paar Wochen im Süden von Somalia, vorher in Bangladesch, auf den Hochplateaus von Guatemala – also so eindeutig die physiologische, unglaublich schmerzhafte Zerstörung eines Menschenkörpers durch Hunger ist, so vieldeutig und komplex sind die Kausalitäten .
Ich kann nur einige davon nennen. Zum Beispiel: die EU-Agrarpolitik – letztes Jahr haben die Industrienationen dieser Welt, vor allem die EU, 349 Milliarden Dollar, das bedeutet fast eine Milliarde Dollar pro Tag, für den Export und die Produktionssubventionen bezahlt. Das heißt: wenn Sie heute auf einem Markt sind, z.B. auf einen südafrikanischen, nehmen wir mal den größten westafrikanischen Markt Sandakan in Dakar, da können Sie französisches, portugiesisches, italienisches Gemüse oder Früchte zur Hälfte des Preises der Inlandsprodukte kaufen. Das bedeutet, dass ein afrikanischer Bauer (37 der 53 afrikanischen Staaten sind reine Agrarstaaten), das heißt also, dass ein afrikanischer Bauer der sich zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern 15 Stunden am Tag unter brennender Sonne abrackert, nicht die geringste Chance hat an einen menschwürdigen Existenzminimum zu kommen. Doch es gibt auch noch andere Gründe.
(Fortsetzung folgt)