Was hält Sie davon ab zu sagen, daß das Beichtgeheimnis zum Skandal geworden ist: Es deckt Verbrechen und Verbrecher gegen Leib und Leben und begünstigt weitere Verbrechen.
Der Hippokratische Eid zwingt Ärzte auch zur bestmöglichen Behandlung von Verbrechern. Ist der Eid dadurch ebenfalls ein Skandal ?
Auch muss erst gezeigt werden, dass das Beichtgeheimnis eindeutig weitere Verbrechen begünstigt bzw dass nach Abschaffung des Beichtgeheimnisses weniger Verbrechen begangen werden würden.
Warum ist diese konkrete Kritik so verpönt?
Das Verpönungswürdige ist der plumpe und unüberlegte Wunsch, einer Minderheit etwas zum Vorteil der Allgemeinheit entziehen zu wollen.
Noch dazu, wo mehr als ungewiss ist, dass sich er erhoffte Nutzen überhaupt einstellt.
Ich schätze auf Grund deiner bisherigen Argumentationen, dass in deinem Kopf der Verbrecher spukt, der sich nach dem Verbrechen bei der Beichte ein reines Gewissen abholt, um sodann sein nächstes Verbrechen zu verüben - und diesem willst du mit Abschaffung des Beichtgeheimnisses das Handwerk legen.
Schön ausgedacht, aber dabei hast du Einiges übersehen.
Erstens, der Verbrecher muss zunächst einmal ausreichend gläubig römisch-katholisch oder orthodox sein, um überhaupt zur Beichte zu gehen.
Zweitens, wenn er davon ausgehen muss, dass der Priester sein strafrechtlich relevantes Geständnis ausplaudern muss, wird der Verbrecher ihm wohl nichts mehr darüber sagen .- oder bei Drang zum Geständnis jenes Anderen, evtl sogar der Polizei vortragen. Und falls er das nicht will, aber doch eine Aussprache, dann sucht er sich andere geschützte Verhältnisse, wie Therapeut, Anwalt, etc...
Drittens, das sichere Beichten hat auch einen seelsorgerischen Aspekt - auch wenn der Verbrecher nicht unmittelbar danach angezeigt wird, beschäftigt er sich damit und kann damit auch in der Art umgehen, aus unserer Sicht "richtig" damit umzugehen. Die Unmöglichkeit einer Aussprache ist auch kein bekanntes Mittel, um weitere Verbrechen zu verhindern.
Viertens, durch die Beichte hat der sie abnehmende Priester die Möglichkeit des Zwiegespräches und die Möglichkeit, den Verbrecher zum öffentlichen Geständnis zu bewegen. Geht der Beichtende auf Grund des mangelnden Beichtgeheimnisses erst gar nicht zum Priester, hat jener natürlich nicht mehr die Möglichkeit dieser Einwirkung.
In Summe also ist ganz und gar nicht gesagt, dass das Beichtgeheimnis Verbrechen förderte. Und auch vor Allem bei Triebtätern ist ein Ausschluss von der Gesellschaft eher verbrechensbegünstigend ans -verhindernd. Ein potentieller Triebtäter, aber auch einer, der schon eine Triebtat begangen hat, braucht Therapie. Schafft man keinen geschützten Rahmen, ist die Hemmschwelle für so einen Menschen bei Weitem höher - mit wohl eher negtiven Folgen für ihn selbst wie auch für die Gesellschaft.
Die Abschaffung des Beichtgeheimnisses ist zur Bekämpfung von Verbrechen son sinnvoll wie die Forderung nach Todesstrafe für Kinderschänder.
Denn, den rein implusiven Triebtäter hindert die angedrohte Strafe nicht. Den berechnenden Triebtäter bringt es aber eventuell dazu, nach begangener Schändung sein Opfer in jedem Fall auch zu töten.
Denn die Strafe würde sich dadurch nicht erhöhen, aber durch Beseitigung des einzigen Zeugen sinkt die Wahrscheinlichkeit, erwischt zu werden.
Fazit: Wenn man eine tiefgreifende Änderung in der Gesellschaft zum Zwecke einer punktuellen Verbesserung fordert, muss man sich möglichst sämtlicher Nebenwirkungen bewusst werden. Denn, so wie auch hier gezeigt, geht der Schuss schnell mal nach hinten los. Unsere Gesellschaft, unsere Zivilisation und unsere Humanität wurde nicht in einer einzigen, langen Sitzung erdacht und beschlossen. Die Einrichtungen, wenn auch nicht alle perfekt, haben schon ihren Sinn, auch wenn sie sich oft nicht auf den ersten Blick erschließen. Daher muss man sich bei geforderten Änderungen bzw Anpassungen schon ein Bisschen Gedanken machen, welche mittelbaren Auswirkungen diese Änderungen haben werden. Eventuell erkennt man dann, dass die Gesellschaft, wenn auch nicht perfekt, dann doch so "immer noch am Besten" funktioniert.