Früher holten die Bauern täglich von den Wirtshäusern den sogenannten "Sautrank" und fütterten damit die Schweine und die Hühner. Allen hat's geschmeckt, die Tiere waren gesund und schmeckten auch gut. Aus mir unverständlichen Gründen wurde das irgendwann verboten.
Früher haben in den Wirtshäusern auch noch ordentliche Leute gearbeitet, ggf. mit einer ordentlichen gastronomischen Ausbildung.
Die hat es heutzutage leider nicht mehr, stattdessen hat man es mit Hiwis und Volltrotteln zu tun, aus aller Herren Länder. Und da fehlt es nicht nur an der Bildung, sondern auch am Bewusstsein.
In einem solchen Gefüge bekommt man es organisatorisch nicht mehr auf die Reihe, zu gewährleisten, was in den Schweineeimer nun hinein darf und was nicht. Es wandern dann eben auch verdorbene und/oder gar verschimmelte Ware in die Tierfverfütterung, Knochen u.a.m. Und das darf nicht sein.
Im Übrigen kann man von den Älteren auch hören: Ein Schwein, welches mit zu vielen Speiseresten gefüttert wird, schmeckt nachher auch nicht.
Der Kochberuf ist noch immer ein populärer Beruf, auch wegen dieser ganzen Kochshows. Nur halten die jungen Leute die Ausbildung nicht mehr durch. Der Kochberuf hat die zweithöchste Abbrecherquote. Fast die Hälfte der Auszubildenden schmeisst die Lehre wieder hin, meistens im ersten Lehrjahr (die höchste Abbrecherquote hat der Kellnerberuf).
Die jungen Leute packen diesen Job nicht mehr, der körperlich, mental und emotional einem Höchstleistungen abverlangt. Der oft rüde Umgangston in Küchen macht's nicht gerade leichter. Und wenn die Auszubildenden dann erkennen: Das ist ein Knochenjob, und er hat mit den Kochshows so gut wie nichts zu tun ... dann lassen sie es wieder, sie haben auch genug andere Möglichkeiten.
In der Folge arbeitet man nur noch mit wenigen ausgebildeten Profis, die viele angelernte Hilfskräfte zu führen haben. Oder es bleiben nur noch diejenigen Auszubildenden übrig, die lernschwach sind, oder nennen wir es beim Wort: Für jeden anderen Job zu doof.
Darauf reagiert der Gesetzgeber oder auch die EU mit einem ausufernden Wald an neuen Verordnungen und Vorschriften, dies ist nicht mehr erlaubt, das wird verboten, jenes neu geregelt.
Die Experten der EU brauchen eben auch ihre Existenzberechtigung und es fällt ihnen immer wieder etwas Neues ein. Manchmal fragen wir uns schon: Das Garen von Lebensmitteln und ihre Zubereitung existiert seit mindestens 750.000 Jahren - wie konnten wir als Spezies überhaupt überleben, wenn dies und das auf einmal so lebensgefährlich ist?
Die Kunden, die Gäste nämlich, machen es einem auch nicht gerade einfacher.
Wir erleben heutzutage tagtäglich, dass ein jeder Gast seine echten oder eher eingebildeten Befindlichkeiten hat. Gluten, Laktose, Allergien, Vegetarisch, Vegan oder Halal: Ein jeder meint,
seine Diät, ob nun aus weltanschaulichen, falsch verstandenem Ernährungs-Halbwissen oder falsch verstandenem religiösen Denken, sei die einzig wahre, glückselig machende.
Und Dieter mag keinen Rosenkohl.
Ein gastronomisches Speisenangebot kann nur funktionieren, wenn es einen Konsens gibt, denn im Grunde ist jedes Speisenangebot eines an eine Gruppe.
Kürzlich las ich noch einmal in einem (ordentlichen) ernährungswissenschaftlichen Fachbuch das Thema "Nahrungsmittelallergien" nach. Tatsächlich weisen nur etwa 2% aller Erwachsenen eine Nahrungsmittelallergie auf, und das lässt sich auch medizinisch beweisen (der Körper reagiert mit einer Immunantwort). 20%, also in etwa das Zehnfache, glauben es.
Bestimmte Nahrungsmittelallergien treten überhaupt fast nur bei Kindern bis zum Kleinkindalter auf (Milch, Eier), lebensbedrohlich sind Nahrungsmittelallergien sehr selten (einer von 10.000 bis 100.000, wenn sich das überhaupt beweisen lässt).
Dennoch haben wir alles Mögliche zu deklarieren - und lösen damit die "Allergien" überhaupt erst aus (= die Befindlichkeiten nämlich. Was, in Ihrer Sauce ist Sahne, wollen sie mich eigentlich vergiften?).
In der Praxis ist es dann tatsächlich so, dass es im Grunde die Minderheiten sind, die bestimmen, was denn alle anderen zu essen hätten.
Die Diskussion um bestimmte, ganz natürliche und letztlich auch wertvolle Nahrungsbestandteile ist derartig verkrustet, dass ich bestimmte, ganz gängige Zubereitungen nicht mehr anbieten kann.
Eine Sauce mit einer (klassischen, wohlschmeckenden, bekömmlichen) Mehlschwitze zu binden? Wo denkst Du hin?
Es reicht ein Gluten-Verächter (i.d.R. ein Spinner), und eine ganze Gruppe kann oder will nicht kommen. Denn natürlich wollen sie ihren Schützling ja auch nicht ausschließen. Für jeden aber seine Extrawurst kochen: Das ist bekanntlich nicht möglich, zumal nicht im hektischen Mittagsgeschäft.
Also binden wir die Saucen und Suppen mit Kartoffelstärke, und genauso langweilig sind sie dann auch.
Zum Vergleich:
Vor etwa 30 Jahren habe ich als Diätkoch in einem Krankenhaus gearbeitet, da wurden täglich bis zu 20 verschiedene Diäten gekocht und wenn es sein musste, bis zu einer einzelnen Diät herunter. Ich habe Tausende und Abertausende Diäten gekocht, und in der ganzen Zeit gab es einen Patienten mit Zöliakie (Gluten-Unverträglichkeit). Einen. Einen Einzigen!
Wenn die Spinner am Ende bestimmen, was alle anderen denn bekommen dürfen, dann ist das der Tod jeder Kochkunst.
Es gibt ein Standardwerk, "Herings Lexikon der Küche", 100 Jahre alt, in dem stehen rund 300 Salate drin. Die kann man heutzutage aber komplett vergessen, denn deren Zutatenliste ist zu umfangreich. Sie wären keine Klassiker geworden, wenn sie nicht beliebt gewesen wären, aber man kann sie nicht mehr anbieten. Denn da frisst der eine dieses nicht oder andere jenes nicht, und Margot mag keine Kapern.
Ein Kaiserschmarren, in dem Rosinen sind? Eine Remouladensauce mit einer selbst gerührten Mayonnaise mit schöner, gelber Farbe (Ei!)? Vergiss es doch! Es wird einen Spinner geben, der das reklamiert und allen anderen den Appetit verdirbt.
Aber wenn es dann "vegan" ist, dann fressen sie es wieder, Saitan-Gulasch beispielsweise ... und Saitan, das ist nichts anderes als reines Gluten!
Also, eine Mehlschwitze, die geht nicht (5% Mehlanteil in der Sauce), aber Saitan = reines Weizenprotein = Gluten, das ist dann sakrosankt?