So schnell wie die Rückeroberung in Afghanistan jetzt läuft, müssen die Taliban Support von einem erheblichen Teil der Bevölkerung haben.
Wie mir einmal ein Afghane erklärte, rekrutieren sich die Taliban hauptsächlich aus den Paschtunen, die mit ca. 15 Millionen etwa 42% der Bevölkerung Afghanistan stellen. Die Paschtunen waren von jeher streng orthodox islamisch. Möglicherweise ist das alles mehr ein ethnischer Konflikt, als ein religiöser.
Die Fernsehbilder erwecken in mir auch den Eindruck, als ob da militante religiöse Dorftrottel die sündigen Städter platt machen.
Es kann ja sogar sein, dass diese Leute so gestrickt sind, dass ihnen die desolaten äußeren Zustände in ihrem Gottesstaat egal sind, und ich meine das jetzt wirklich nicht mal zynisch, denn ich weiß ja nicht, inwiefern diese Leute vielleicht noch einen besseren Zugang zur geistigen Welt haben als wir Materialismus-Verseuchten Westler. Und vom esoterischen Islam habe ich ebenfalls keine Ahnung.
Im Grunde legen die Taliban den Islam nur konsequent aus, denn was sie darin finden, dass lässt sich aus dem Koran, Überlieferungen und der Geschichte durchaus herauslesen.
Und esoterisch ist da eigentlich gar nichts, und die (kleinen) Minderheiten, die einen spirituellen Islam leben wollen, die Sufis, die werden von ihnen erst Recht massakriert.
Das Problem des Islams ist, dass seine Anhänger den Lehren Mohammeds folgen - und der war auch zu seiner Zeit bereits ein Warlord und nicht wie Jesus ein armer Wanderprediger.
Im Verständnis des Islams sind Religion und Politik untrennbar, der Islam ist allumfassend. Zu einer Trennung von Kirche und Staat, wie sie in der westlichen Welt schon vor vielen hundert Jahren gekommen ist, kam es in der islamischen Welt nie.
In der christlichen Welt gibt es eine Welt des Glaubens und eine reale Welt. Dies und andere Entwicklungen (Reformation, Aufklärung, historisch-kritische Textanalyse) haben dazu geführt, dass unser Verständnis der "heiligen Schriften" allegorisch, zeitbezogen und relativiert werden kann, ja muss. Und die Texte wurden von vielleicht göttlich inspirierten Menschen geschrieben, aber von Menschen - und die waren und sind fehlbar. Daher kann sich der Glaube auch mit sich veränderten Zeiten weiterentwickeln, und das ist passiert und dauert an.
Im Verständnis des Islams ist das nicht möglich. Der Koran ist wortwörtlich, Buchstabe für Buchstabe göttlich offenbarte Weisheit, vom Erzengeln Gabriel dem Propheten Mohammed persönlich diktiert.
Leider enthält der Koran praktisch keine spirituellen Weisheiten. Es handelt sich mehr um ein Buch voller in Stein gemeisselter, frühmittelalterlicher Gesetze und Lebensanweisungen. Sie mögen zu ihrer Zeit einen Fortschritt dargestellt haben, mit einer modernen Welt sind sie aber unvereinbar. In gewisser Weise nimmt der Koran die Stellung ein wie für das Christentum Jesus: Die zentrale Glaubensposition, nur eben nicht der "Sohn Gottes", sondern ein Buch.
Wenn man den Koran denn überhaupt lesen kann.
Denn Mohammed selbst soll bereits Übersetzungen des Korans verboten haben (da jede Übersetzung eine Verfälschung darstellt). Heutige islamische Völker sprechen aber nicht mehr den frühmittelalterlichen Dialekt Mohammeds, in Afghanistan erst Recht nicht. Vielerorts wird in den Koranschulen der Koran auswendig gelernt, in einer Sprache, die man nicht versteht. Damit der Gläubige dann am Ende ein Buch rezitieren kann, das er nicht versteht, denn das hält man für frommer als eine Übersetzung.
Das führt natürlich dazu, dass man in Glaubensfragen auf die Expertise eines Experten angewiesen ist, dem Imam, oder nennen wir es beim Wort: Dem Pfaffen.
Folgerichtig haben gewisse Entwicklungen der christlichen Welt im Islam nie stattgefunden. Weder kam es zu einer Reformation, ja lange Zeit nicht einmal zum Buchdruck. In einer unheiligen Allianz aus Klerikern, Kopisten und der Politik wurde der Buchdruck in der islamischen Welt lange Zeit verboten. Tatsächlich wurden die ersten arabischen Bücher
im Westen gedruckt und produziert, um dann in der islamischen Welt unter dem Ladentisch verkauft zu werden. Frühe Auflagen waren noch so fehlerhaft, dass man sie komplett einstampfen musste und die erste Buchdruckerei in der islamischen Welt entstand in den 1920er Jahren in der Türkei.
Die Reformation ist ohne den Buchdruck undenkbar, und beide haben die westliche Gesellschaft weit über den religiösen Rahmen hinaus verändert und weiterentwickelt.
Die islamische Welt war einmal dem Westen zivilisatorisch überlegen, aber mehr trotz des Islams als durch ihn, und unter vergleichsweise toleranten Herrschern. Dies änderte sich aber seit etwa dem 16. Jh., der Westen überflügelte die islamische Welt, die irgendwie stehengeblieben ist. Seit rund 400 Jahren hat die islamische Welt dem Weltkulturerbe praktisch nichts mehr hinzugefügt, keine Wissenschaft, keine Erfindung, keine Technik, keine Literatur, kein Theater, nichts.
Jede Weiterentwicklung kam aus dem verhassten Westen und da stellt dann im Grunde auch noch jede Steckdose eine Beleidigung dar. Was die Taliban u.a. allerdings nicht daran hindert, all diese westlichen Produkte für ihren Kampf zu nutzen, nicht nur Waffen, sondern auch Handys und das Internet.
Der Islam hat aber keine Antworten auf die Herausforderungen und Probleme der Moderne, wie auch? Auch in Afghanistan nicht. Afghanistan hat die höchste Geburtenrate außerhalb Afrikas und trotz dauernder Krisen und Kriegen ist die Bevölkerung Afghanistans in den letzten Jahrzehnten ständig gewachsen. Hält der Trend an, dann wird es schon bald nicht mehr möglich sein, mit den Ressourcen des Landes die Bevölkerung zu ernähren - und mit frühmittelalterlichen Methoden erst Recht nicht.
Das hat man auch in anderen islamischen Ländern schon vor Jahrzehnten eingesehen, zumindest deren Gebildete.
Allerdings träumen selbst jene noch mehr davon, Naturwissenschaften und Technik haben zu können, sie dabei aber unter das
Diktat des Islams stellen zu wollen.
Dabei begreifen sie aber den inhärenten und nicht auflösbaren Widerspruch nicht, der in diesem Denken besteht. Moderne Naturwissenschaften und Technik kann es ohne Aufklärung nicht geben und sie lassen sich nicht unter die Dogmen eines frühmittelalterlichen Warlords stellen. Allenfalls geht das noch mit einer perfekt choeografierten sozialistischen Gesellschaft wie der in Nordkorea, aber auch da läuft das ja mehr schlecht als recht.
Die islamischen Gesellschaften sind daher zum Scheitern verurteilt, zu Unterentwicklung, Armut und letztlich Elend. Und genau das ist es ja, was überall in der islamischen Welt seit vielen Jahren passiert.