Ich bin ein bekennender Anarchist. Und was heißt Anarchie? Das ist eine Ordnung ohne Herrschaft.
Schon klar, nur lässt sich das Ideal einer Anarchie nicht realisieren, sobald es Interaktion gibt.
Was passiert, wenn man in die Nähe einer Anarchie kommt, hat man in der Geschichte ja schon fallweise erleben dürfen.
Auch in jüngerer Zeit, und wenn eine unterdrückende Herrschaft beseitigt worden ist. Siehe Schah von Persien, siehe Gaddafi,
siehe kommunistisches Regime in der Sowjetunion/Russland. Ein älteres bekanntes Beispiel
wäre die französische Revolution.
Ein Machtvakuum hat wie ein physikalisches Vakuum die Neigung, sich zu füllen. Und das schnell und unkontrolliert.
In so einem Zustand unterliegt die politische Macht der Kräfte des freien Marktes. In so einem Zustand gilt das Recht des Schnelleren und Stärkeren,
und ich denke, nur wenige wollen tatsächlich in so einem System leben.
Unsere Demokratien sind das beste reale Beispiel dafür, wie diese "Naturgesetze" im Zaum gehalten werden können, um individuelle
Freiheit zu maximieren und Unterdrückung zu minimieren. Letztendlich gilt auch hier das Recht des Stärkeren, aber in diesem Fall sind es nicht einzelnen Personen, sondern die Mehrheit der Bevölkerung. Das alleine aber ist noch kein Garant gegen Unterdrückung. Diese findet sich vielmehr in der Verfassung und dem prinzipiellen Bekenntnis zu dieser. Auch, wenn sie momentan unangenehm sein mag. Die Verfassung garantiert, dass es zu keiner unverhältnismäßigen Machtkonzentration kommt, sondern es Gewaltenteilung gibt. Das heißt, A kontrolliert B, B kontrolliert C und C kontrolliert A. Diese gegenseitige Machtausübung und Kontrolle verhindert bestmöglich, dass es zu Diktatur und Unterdrückung kommt.
Aber, auch die beste und freieste Demokratie aber wird es nicht jedem einzelnen Bürger in allen Belangen recht machen können. Denn, nach wie vor sind Menschen
und ihre Bedürfnisse unterschiedlich, und auch wenn man es gerne glauben mag, die meisten Menschen sind nicht glücklich, wenn "alles gerecht" abläuft. Das verlangt dem Einzelnen die Bescheidenheit ab zu akzeptieren, dass er eben nur ein Neunmillionstel Teil von Österreich ist, und das Gewicht seiner einzelnen Stimme sich auch in dieser Größenordnung bewegt.
Das heißt, auch wenn die Idealvorstellung der Anarchie "maximale Freiheit" verspricht, so würde der Versuch ihrer Umsetzung in der Realität
genau das Gegenteil bewirken. Ähnlich wie beim Kommunismus, der aus dem Ideal der allgemeinen Gleichheit doch nur zur allgemeinen Unterdrückung und
Elitenbildung geführt hat.
Und ja, eine Bevölkerung muss auch bereit sein für Demokratie. Versuche, sie einem Volk aufzuzwingen scheitern in der Regel. Denn, eine freie Demokratie beruht auf einem Grundvertrauen. Und eine Bevölkerung, die dieses Grundvertrauen nicht hat, wird auch keine stabile Demokratie halten können. Die Coronaverweigerer und Verschwörungstheoretiker haben dieses Grundvertrauen nicht. Und auch wenn ihre Parolen "für Demokratie" lauten mögen, so sind es gerade sie, die die freie Demokratie unterwandern und beseitigen wollen.