Die Wahrnehmung der Welt durch die Sprache zu verändern: Das halte ich für einen Trugschluss.
So ist das auch nicht gemeint. Es geht auch nicht um Zensur oder Gedankenkontrolle. Sprache ist nur ein kleiner Teil davon. Es wird niemals funktionieren, dass allein durch Änderung der Sprache sich die Menschen ändern. Aber man sollte die Wirkung der Sprache nicht unterschätzen.
Es geht darum, sie bewusster zu machen. Trigger zu vermeiden. Gezielte, bewusste Sprache und Wortwahl wird auch in der Therapie angewandt. Das hat Gründe.
Kommunikation - und somit allen voran die Sprache - ist ein Grundpfeiler unserer Kommunikation. Worte lösen Gefühle aus. Sie werden auch gerne gezielt manipulativ eingesetzt. "Framing"
Der bewusste Umgang mit unserer Sprache ist also eine Chance, die Welt ein bisschen besser zu machen. Und sei es nur, wie wir miteinander kommunizieren. Gewaltfreie Sprache schadet nicht.
Beispiel: Asyltourismus, Flüchtlingswelle löst andere Gedanken aus, als Kriegsvertriebene, Kriegsflüchtlinge, Hilfebedürftige..
Vielmehr muss man das Bewusstsein der Menschen verändern, und dann verändert sich die Sprache von alleine.
Das ist ein Zusammenspiel. Es beeinflusst sich gegenseitig. Henne-Ei.
Soziales Umfeld, Lebenssituation -> Sprachausdruck, Emotionen, Assoziationen, Bilder, Urteile, Vorurteile
Unzufriedenheit, Ängste, Druck, Existenzangst drückt sich in der Sprache und der Wortwahl aus.
Harte Wortwahl wiederum, verstärkt diese Emotionen und Assoziationen. Es entsteht eine Spirale.
Entweder es muss sich die gesellschaftliche Situation drastisch ändern, damit sich die Sprache wieder ändert. Und/oder man kann auch daran ansetzen, die Sprache gewaltfreier zu gestalten. Um andere Assoziationen zu befördern. Das wirkt sich wiederum auf die Psyche aus, diese wiederum darauf, wie man miteinander umgeht.
Die Welt ist nicht gerecht. Ist es unsere Aufgabe, sie gerechter zu machen? Ganz unbedingt. Sind sich entwickelnde, immer komplexere Systeme (in welchen Bereichen auch immer) dann in der Lage, mehr Gerechtigkeit in die Ungleichheit zu bringen?
Nein, das glaube ich nicht. Immer komplexere Systeme bringen nur neue Ungleichheiten hervor. Es wird Menschen geben, die aus komplexen Systemen alle Vorteile ziehen können, während es andere gibt, die mit diesen völlig überfordert sind.
Die Welt wird nie gerecht sein. Es werden auch niemals alle gleich sein.
Darum geht es mir auch nicht.
Vor allem darf (Un)Gerechtigkeit und (Un)Gleichheit niemals gleichgesetzt werden. Das halte ich für einen fatalen Fehler.
Gleichheit, bzw. Gleichbehandlung ist nicht immer gerecht(er). Im Gegenteil. Nur durch Berücksichtigung der Ungleichheit kann Gerechtigkeit hergestellt werden. Zumindest gefühlte Gerechtigkeit im Sinne von der "sozialen Erwartung" von Solidarität. Das ist evolutionär begründet, da der Mensch ein Gruppentier ist und Solidarität elementar war für das Überleben. Diese Strukturen und dieses Denken ist tief in uns verwurzelt.
Wer mehr leistet, dem gönnen wir idR bis zu einem gewissen Maß auch einen größeren Anteil. So lange er auch teilt und nicht alles oder zu viel für sich selbst beansprucht.
Beispiel.
Es wäre streng genommen gerecht, wenn alle den gleichen Steuersatz bezahlen. "Die Abgabe des Zehnts". Das wäre Gleichbehandung.
Würden wir das als gerecht empfinden?
Eine Gruppe muss schwere Arbeiten verrichten. Darunter sind Kinder, Behinderte, Alte, junge und starke.
Die Starken schaffen viel mehr Arbeit, als die Kinder, Behinderte und die Alten. Danach wird die Suppe verteilt.
Verteilst du sie absolut gleichmäßig? Wenn nicht, wäre das dann ungerecht? Denn schließlich hast du ja nich alle gleich behandelt.
Es gibt auch Bereiche, wo Gleichbehandlung zu Gerechtigkeit führt. Bei der Chancengleichheit. Klassisches trauriges Beispiel ist unser krudes Schulsystem. Wenn Kinder aus unterschiedlichen sozialen Schichten in der Schule unterschiedlich behandelt werden, ist das ungerecht, trotz Ungleichheit.
Zum Thema Kunst und Literatur.
Kinderbücher umzuschreiben finde ich übertrieben und nicht nachvollziehbar. Lieber die als kritisch eingestuften Inhalte pädagogisch aufarbeiten.
Was ich wiederum ok finde, dass speziell bei Kinderbüchern künftig auf die Wortwahl geachtet wird. Das tut niemandem weh.
Kunst muss frei bleiben. Kunst darf (und muss?) moralische oder politische Korrektness überschreiten. Muss auch Tabuthemen behandeln dürfen.
Zwar gibt es sicher auch hier "Grenzen des guten Geschmacks" und kann durchaus "pervertieren". Aber es sind ja Geschichten, Denkanstöße, Provokationen etc..
Bei literarischen und künstlerischen Angeboten habe ich eine größere freie Wahl. Meist weiß man ja, was einem erwartet, es gibt immer Buchbeschreibungen. Ich muss das Buch nicht lesen. Und wenn ein Skandalbuch veröffentlicht wird, dann wird es eben öffentlich diskutiert und die kritischen Inhalte dann entsprechend "aufgearbeitet".
Das ist aber etwas anderes, als im täglichen Leben, dem täglichen Miteinander und Umgang. Kunst und Literatur dient dazu, dem Alltag zu "entfliehen" und in andere Welten abzutauchen. Das wird aber ganz klar von der Realität abgegrenzt und unterschieden.
Im Alltag kann man sich verbaler Aggression nicht so einfach entziehen. Bestes Beispiel Cybermobbing. Kam gestern auf Arte, was sich Frauen an Hass anhören müssen.
TM, dafür den Sprachgebrauch zu Überdenken und dessen Wirkung bewusst zu machen.