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Bedeutet das Internet das Ende der Privatheit?

Miriam

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26. Juni 2005
Beiträge
9.722
Im Allgemeinen wird viel über den Staat geschrieben, der unsere Privatsphäre unterwandert, und über die Tatsache, dass sogar wir gewillt sind ein Teil dieses wichtigen Bestandteils unserer Freiheit zu opfern, für mehr Sicherheit.
Andererseits sollte uns eben unser Recht auf Privatheit abgrenzen gegen den Zugriff von Gesellschaft oder von Staat, auch wenn dies heute nicht mehr hundertprozentig umzusetzen ist.

Mich aber beschäftigt hier eher ein anderer Aspekt: die Art wie wir selbst Einblick in unsere Privatheit gewähren.

Damit meine ich nicht unbedingt die Informationen zu unserer Person die zum Beispiel auch im Personalausweis festgehalten sind, nicht nur unsere Religion oder aber Daten die unser Eigentum betreffen, sondern eher die fast Tagebuchartigen Informationen die im www. Mitgeteilt werden oder zu erfahren sind.

Zwar hat neulich der Verleger Frank Schirrmacher anlässlich der Verleihung des Jacob-Grimm-Preises das Internet sehr kritisch betrachtet weil es zum "Fastnichtsmehrlesen" führen würde, so uneingeschränkt kann ich dem nicht zustimmen.

Man liest vielleicht anders, natürlich weiterhin gute Bücher, das hat ja im Oktober auch die Frankfurter Buchmesse nochmals bewiesen, aber es stehen einem außerdem auch zahlreich und schnell andere Informationsquellen zur Verfügung. Auch das hat seine große Kehrseite, ich erwähne hier nur kurz die Gewaltvideos oder die der pädophilen Szene, nein eher die der Pornographie allgemein.

Was ich nicht so gut begreife, sind die sehr intimen Mitteilungen zu denen das Internet manche verführt.

Es liegt mir sehr daran, dass man diese Bemerkung, als meine sehr persönliche Einstellung begreift – und nicht als eine Be- oder Abwertung der individuellen Einstellungen zur Privatheit.

Doch bei einer Gesellschaft die sich so sehr gegen die Eingriffe des Staates in die Privatsphäre widersetzt, scheint es mir nicht konsequent wenn man derlei Informationen mutwillig ins Netzt setzt.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass man den Nicknamen als eine perfekte Anonymisierung betrachtet.

Es werden auf dieser Weise die Muster der privaten
Kommunikation in die gesellschaftliche Kommunikation übertragen – für mich persönlich reimt das irgendwie nicht.
Als extremes Beispiel erwähne ich, dass wir hier vor einiger Zeit ganz genau die Topographie und die Gepflogenheiten des Gliedes eines Users erfuhren, für mich grenzt das schon an eine gewisse Peinlichkeit.

Die millionenfach gelesenen Internetseiten kann ich nicht gleichstellen mit dem kleinen Kreis meiner Freunde oder aber auch der Forumsfreunde die man hier mit der Zeit gewinnt, mit denen man auch privat kommuniziert.
Für die Allgemeinheit beschränke ich mich persönlich auf das Mitteilen meiner politischen Richtung oder der kulturellen Vorlieben.
Meines Erachtens ist auch daraus Vieles über einem Menschen zu vernehmen.

Wenn ich dieses Thema hier eröffne, dann steckt dahinter eben die Neugierde oder das Interesse wie andere hier ihre Beziehung zum Privaten im Rahmen des Internets sehen.

Liebe Grüße

Miriam
 
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AW: Bedeutet das Internet das Ende der Privatheit?

Liebe Miriam,

schön, dass du dieses Thema hier anschneidest, denn ich denke, es lohnt sich gewiss für uns alle, die wir uns hier in diesem Forum austauschen, einmal darüber nachzudenken.

Aus meiner Sicht ist es sehr wichtig, zwischen "privat" und "persönlich" zu unterscheiden.
Kommunikation wird meines Erachtens trocken und und auch irgendwie leblos, wenn sie alles Persönliche strikt vermeidet und sich rein darauf beschränkt, sachliche Fakten auszutauschen. Da kann man die gleiche Information ja auch finden, in dem man in Büchern oder im Internet danach sucht.

Interessanter ist da der Meinungsaustausch. Und Meinung ist bereits immer sehr stark persönlich gefärbt.
Mich interessiert, wie jemand zu seinen Ansichten gekommen ist. Ich möchte nicht nur seine Meinung verstehen, sondern auch den Menschen, der dahinter steht. (Na gut, nicht immer, aber manchmal schon ;))

Und da ist dann diese ganz dünne Grenze zum Privaten.
Wo verläuft die denn?
Ich denke, jeder definiert sie für sich ein wenig anders.

Ich für meinen Teil versuche die Grenze zu finden, in dem ich mir überlege, was für eine grössere Allgemeinheit noch irgendwie von Interesse sein könnte. Ich möchte niemanden mit intimen Details langweilen, aber etwas aus der persönlichen Erfahrung zu erzählen, kann durchaus auch bei anderen Denkanstösse bringen.

Liebe Grüsse :blume1:
 
AW: Bedeutet das Internet das Ende der Privatheit?

Genau diese Differenzierung ist wichtig, liebe Ela, auch ich hatte den Eindruck ich habe es nicht betont. Nein, Meinungen die nicht auch persönlich sind, Texte die nicht die eigene Handschrift tragen, sind natürlich fast schon überflüssig.

Ich verstehe aber darunter auch das Besprechen von Sachen die man gelesen hat - und die auch in irgendeiner Weise mit der persönlichen Auffassung oder Befindlichkeit etwas zutun haben.
Und zwischen den Persönlichem und den Privatem ist es manchmal eine regelrechte Gratwanderung.

Diese sollte man aber doch üben, weil eben Grenzverletzungen, man kann diese ja auch selbst verursachen wenn man zu privat wird, nicht angebracht sind, unangenehm werden können und letztendlich einen Gedankenaustausch genau so stören können wie das Fehlen jeglicher persönlichen Note.

Liebe Grüße

Miriam
 
AW: Bedeutet das Internet das Ende der Privatheit?

Miriam, man verrät über sich das, was man an oder von sich verraten will - das funktioniert in der virtuellen Welt nicht anders als auf der Straße. Man verkleidet sich - und wird gesehen.

Mehr ist das nicht!

Grüße,
Thorsten
 
AW: Bedeutet das Internet das Ende der Privatheit?

Man verkleidet sich - und wird gesehen.

Und wenn man das Gefühl hat, zu wenig gesehen zu werden, zieht man sich vielleicht einen auffälligen Hut an.
Und wenn man das Gefühl hat, zu viel gesehen zu werden, kann man sich auch einen auffälligen Hut anziehen, denn dann schauen die Leute nur noch den Hut an.
Und jetzt habe ich auch endlich verstanden, weshalb mir dauernd Leute mit auffälligen Hüten begegnen.

(Thorsten, deine Beiträge finde ich immer sehr inspirierend. Danke:blume1:)
 
AW: Bedeutet das Internet das Ende der Privatheit?

Es ist, glaube ich, so wie überall, ein allzuviel ist schädlich!

Aber man muß auch die heutige Gesellschaftsstruktur berücksichtigen:
Nach aussen hin fun und jeder will erfolgsorientiert dastehen, innerlich macht sich aber eine Leere breit. Viele flüchten daher ins www.

Ich weiß es ist jetzt allgemein gehalten. Wenn man das www zum arbeiten braucht und zur Wissenerweiterung, finde ich es durchaus in Ordnung.

Auch sich in Foren auszutauschen ist okay, aber wie gesagt, sie oben meinen Eingangssatz.

Synkope
 
AW: Bedeutet das Internet das Ende der Privatheit?

Wenn ich über mich selbst erzähle, dann bestimme ich auch, was und wieviel ich von mir herzeigen möchte. Ich entscheide selbst, was ich öffentlich von mir preisgeben will. Wem das zu viel ist, der hat die Möglichkeit es nicht zu lesen.

Wenn aber jemand anderer, der mich persönlich kennt, ein privates Thema, das mich betrifft, ohne mich zu fragen hier öffentlich macht, dann empfinde ich das als sehr groben Übergriff auf meine Privatsphäre.

Egal wie ich darauf reagiere, ich bin dadurch gezwungen, noch mehr von mir herzeigen. Ich fühle mich damit bloßgestellt und manipuliert. Und ziemlich vor den Kopf gestoßen. :autsch:
 
AW: Bedeutet das Internet das Ende der Privatheit?

Hallo Syncope,

richtig - auch für mich stimmt dieser Satz mit dem allzuviel. Nur: wo fängt dieses Allzuviel an?

Ich denke Ela hat da einen wichtigen Punkt angesprochen indem sie die Unterscheidung zwischen persönlich und privat anspricht.
Das Allzuviel ist für mich das Private im virtuellen Raum, weil wir uns eben nicht in unserer Privatsphäre befinden. Und da spielt uns die vermeintliche Anonymisierung einen Streich, vielleicht auch das anscheinend Unsichtbare.

Andererseits stimmt der Vergleich von Thorsten, besser gesagt die Gleichstellung zwischen virtueller Welt und Straße, eben nicht.

Für mich bleibt die Kommunikation im www. eine ganz andere als die in der realen Welt.

Liebe Grüße

Miriam

Liebe Lilith, wir haben anscheinend zeitgleich geschrieben. Ich komme etwas später noch auf deinem Beitrag zurück.

 
Zuletzt bearbeitet:
AW: Bedeutet das Internet das Ende der Privatheit?

Mir kommt plötzlich noch ein Vergleich im Sinn. Vor einiger Zeit fiel mir ein Buch in die Hand (eigentlich in einer Buchhandlung, ich habe es doch nicht gekauft), da ging es um den sehr speziellen Raum den der Balkon einnimmt.
Er ist so ein Ding zwischen drinnen und draußen, ein Ort an dem es ein wenig Öffentlichkeit gibt, aber doch auch etwas von einer Privatsphäre: denn der Balkon gehört meist zu unserer Wohnung – bzw. zu einem persönlichen Wohnraum, ist aber zugleich ein idealer Platz um mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren, manches nach draußen zu verkünden.

Einige Beispiele: der gewohnte Gruß von Siegermannschaften an das Publikum, der Papst erteilt der versammelten Menge von da aus seinen Segen, sogar Kriegseintritte werden manchmal von diesem Ort verkündet, erfreulicher natürlich wenn wie in 1989 Genscher der wartenden Menge mitteilt, dass ihnen die Ausreise in den Westen gestattet ist.

Nun, für mich persönlich ist da der Vergleich mit dem virtuellen Raum in etwa gegeben: zwar versuche ich persönlich zu schreiben, also aus meiner Warte aus ein Thema anzugehen, aber doch nicht so als ob ich mich in meinen vier Wänden befinde. Denn das ist für mich der Raum des völlig Privatem.

Liebe Lilith – wenn dann jemand auf meinem Balkon plötzlich steht und nach draußen verkündet was er so sieht wenn er durch meine Fenster guckt, dann werde auch ich sehr sauer.

Liebe Grüße

Miriam
 
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AW: Bedeutet das Internet das Ende der Privatheit?

Ich weiss nicht, die Balkonmetapher scheint mir zwar passend für zB. die Form des Blogs. Aber für ein Forum, wie zB das DF hier finde ich Thorstens Vergleich mit der Strasse gar nicht so verkehrt.

Es geht ja nicht darum, etwas zu verkünden, so als Einwegsache, sondern um einen Austausch, um Begegnung auf gleicher Augenhöhe.

Klar, es ist nicht ein Gespräch in den eigenen vier Wänden. Jeder kann zuhören, sich einmischen, sich seinen Reim auf das Gehörte machen.

Und manchmal verführt uns vielleich ganz einfach die Tatsache, dass wir uns eben doch meist in unseren vier Wänden befinden, wenn wir hier was schreiben, dazu das ein wenig zu vergessen.

Miriam, was genau findest du falsch am Vergleich mit der Strasse? Das habe ich noch nicht ganz verstanden.
 
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