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Alles determiniert oder nicht?

AW: Alles determiniert oder nicht?

Hallo Lilith und Zeilinger!

Ich freue mich über eure Antworten!


Kann ich so nicht zustimmen. Check Dich selbst, ganz subjektiv, einmal nach - sagen wir - 10 Handlungen, die Du in letzter Zeit getätigt hast, ab, und zwar auch nach der Motivation dieser Handlungen.

Ich bleibe also bei meinem halb-halb. Gott drängt uns schon hin und wieder seinen Willen auf, er lässt uns dann aber auch unseren Willen frei entwickeln.

Also erstmal: ich glaube dein Modell ist im Grunde nicht deterministisch. Du gehst davon aus, daß es eine Art Grundgerüst gibt, welches wir mit unserem freien Willen selbst gestalten. Ähnlich einem Sonnett, dessen Form zwar streng ist, aber dessen Inhalt wir selbst bestimmen können. Habe ich das richtig verstanden?

Determination, so wie sie innerhalb eines strengen Modells zwingend logisch wäre, ließe keinen Spielraum zu. Tatsächlich gäbe es keine Geschehnisse, die frei entschieden werden können, sondern alles wäre eine logische Konsequenz des vorangegangenen.

Das hieße für ein deterministisches Gedankenmodell: Die zehn Handlungen, die ich scheinbar selbst gewählt vornehme, resultieren nicht aus einer frei gewählten Motivation, sondern einer Motivation, die aufgrund vieler Voraussetzungen nicht anders sein konnte, als sie ist.

Woher kommt meine Motivation? Erziehung, vererbte Anlagen, Erfahrungen, soziale und kulturelle Prägung, die sich zu einem einzigartigen Muster zusammenfügen, welches letztlich mein Unterbewußtsein und mein Bewußtsein bildet.

Habe ich das autonom entschieden? Hätte ich mit anderen Voraussetzungen überhaupt angefangen zu rauchen? Wenn nein - dann scheint der freie Wille von den Umständen, in die wir geboren wurden abzuhängen. Und wenn unsere Entscheidungen von Umständen abhängen, dann sind sie nicht frei sondern vorbestimmt.

Was Gott tut oder nicht, weiß ich nicht.


Das bedeutet, es ist vorgegeben, wie unser Lebensweg verläuft. Unsere Entscheidungen müssen wir aber treffen, ohne zu wissen, wie dieses Muster aussieht. Also agieren wir hier auch mit unserem freien Willen.

Mein Erklärungsmodell zum freien Willen: Der "freie Wille" ist eine Art "Standleitung" zum Universum, zum großen Ganzen. Was wir mit Hilfe unseres Willens umsetzen, ist der Anteil, den wir zum großen Ganzen beitragen (wollen/sollen/dürfen/müssen - Zutreffendes bitte selbst wählen).

Nur weil wir unser Muster nicht kennen, heißt das nicht, daß wir einen freien Willen haben. Wir agieren also in der Illusion eines freien Willens. Das ist etwas grundlegend anderes.

Wie meinst du das mit der Standleitung zum Universum?

Es grüßt
LZ, der trotz Festhaltens an der Möglichkeit einer deterministischen Ordnung froh über Diskussionspartner mit anderen Standpunkten ist.
 
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AW: Alles determiniert oder nicht?

Na, dann mal her mit den bedeutsamen Beiträgen und den Themen, die zu was führen!

Wenn ich hier etwas poste, dann bringt ihr mich mit euren Antworten auf neue Blickwinkel, die in der Folge bei mir zu neuen Blickwinkeln führen.

Dass derselbe Vorgang bei anderen zu nichts führt, liegt nicht an mir... :)

lg Frankie
 
AW: Alles determiniert oder nicht?

Ooooh weh! Jetzt gerate ich unter den Erwartungsdruck den Fusselchen hier erzeugt hat in Bezug auf meinem Beitrag zum Thema – und werde Euch vielleicht etwas enttäuschen.

Denn für mich ist es kein rein philosophisches Thema, es ist erstens mal verankert in den Erkenntnissen der Neurobiologen und zweitens, da wird es für mich erst interessant, in den Schlussfolgerungen die aus diesen Ergebnissen entstanden sind und die zum Teil anzuzweifeln sind.

Der Determinismus in diesem neurobiologischen Sinne bezieht sich in erster Linie auf die Gehirnstrukturen die nach der Meinung einiger, gar keinen freien Willen zulassen. Erst dann kommen noch hinzu andere deterministische Faktoren.

Bleiben wir aber bei den Neurobiologen die eigentlich das Bestehen eines freien Willens durch die Struktur und die Funktionen unseres Gehirns anzweifeln oder leugnen, ich nenne aber als den bekanntesten unter ihnen Wolf Singer.

Falsch, sagt zu den deterministischen Theorien ein anderer Neurobiologe dessen Auffassung mir völlig einleuchtet, Manfred Spitzer. Dieser setzt in die kontroverse Debatte den richtigen Akzent, indem er darauf hinweist, dass abstrakte Phänomene zu denen ja auch der freie Wille gehört, schwer zu erfassen sind. Der Vergleich den er dabei macht, leuchtet mir völlig ein:
Zitat Manfred Spitzer:


"Wenn die Forscher von Neuronen ableiten und Scans machen, würden sie immer nur Zacken oder Zahlen oder bunte Bilder bekommen, je nachdem wie Sie die Daten aufbereiten.[...] Sie kriegen aber immer nur die Daten - sie kriegen nie die Schmerzen, weil sie naturwissenschaftlich vorgehen. Aber dann zu sagen, es gibt die Schmerzen nicht oder es gibt den blauen Himmel nicht, nur weil das nicht zu sehen ist, wenn man ins Gehirn schaut, das ist Unfug. Und genauso ist es Unsinn, zu sagen, es gibt den freien Willen nicht, nur weil man ihn nicht findet, wenn man da mit Elektroden rumstochert".

Hier fängt mit anderen Worten der große Irrtum an, also in der Vorstellung, dass Gehirnvorgänge immer auch bildhaft oder durch Messungen anderer Art darzustellen wären. Dafür sind sie doch viel zu komplex und lassen sich nicht auf Gehirnströme oder andere messbaren, erfassbaren Vorgänge des Gehirns reduzieren.

Was mich aber doch erstaunt in der Debatte zwischen Habermass und Wolf Singer, so wie sie aus dem Artikel der Süddeutschen Zeitung zu begreifen ist, ist dass dabei Wolf Singer sich nicht auf das beruft was er seinen Auffassungen vor einiger Zeit hinzugefügt hatte und was seine deterministische Sicht etwas revidiert oder relativiert hat.
Es geht dabei um die zwei Ebenen oder Perspektiven auf denen die Wirklichkeit erfahren wird:
So beschreibt nun Singer zwei unterschiedliche Ebenen in denen die Wirklichkeit erfahren wird:

-die erste -Person Perspektive (oder Ebene)
-die dritte -Person Perspektive

Dabei ist laut Singer die dritte-Person Perspektive die neurobiologische, naturwissenschaftliche Beschreibungsweise. Was wir über Gehirnfunktionen wissen, erfahren wir aus dieser Perspektive – und in dieser kommt der freie Wille nicht vor, aus dieser Perspektive betrachtet ist die Willensfreiheit eine reine Illusion.

Die erste-Person Perspektive ist, laut Singer, die der Selbstwahrnehmung - und da erfährt sich der Mensch als ein Wesen welches sich frei entscheiden kann.
Auch wenn man diese erste-Person Perspektive als subjektiv betrachtet, ist unsere Willensfreiheit doch keine Illusion.

Unsere Vorstellung ist unsere eigene Realität, mit anderen Worten, unser freier Wille wird von uns als Realität erlebt.
Dies bestimmt unser Verhalten, unser Handeln, weiter auch unsere Rechtsvorstellungen also auch das Rechtssystem für das wir uns entschieden haben.
Übrigens kann man da an Kant anknüpfen, der ja auch behauptet, dass der Mensch nur unter der Idee seiner Freiheit handeln kann.

Liebe Grüße

Miriam -
und jetzt möchte ich keine Klagen hören über die Länge meines Beitrages

 
AW: Alles determiniert oder nicht?



Dabei ist laut Singer die dritte-Person Perspektive die neurobiologische, naturwissenschaftliche Beschreibungsweise. Was wir über Gehirnfunktionen wissen, erfahren wir aus dieser Perspektive – und in dieser kommt der freie Wille nicht vor, aus dieser Perspektive betrachtet ist die Willensfreiheit eine reine Illusion.

Die erste-Person Perspektive ist, laut Singer, die der Selbstwahrnehmung - und da erfährt sich der Mensch als ein Wesen welches sich frei entscheiden kann.
Auch wenn man diese erste-Person Perspektive als subjektiv betrachtet, ist unsere Willensfreiheit doch keine Illusion.

Unsere Vorstellung ist unsere eigene Realität, mit anderen Worten, unser freier Wille wird von uns als Realität erlebt.
Dies bestimmt unser Verhalten, unser Handeln, weiter auch unsere Rechtsvorstellungen also auch das Rechtssystem für das wir uns entschieden haben.
Übrigens kann man da an Kant anknüpfen, der ja auch behauptet, dass der Mensch nur unter der Idee seiner Freiheit handeln kann.

Liebe Grüße

Miriam -
und jetzt möchte ich keine Klagen hören über die Länge meines Beitrages


Sehr schön, Miriam!

Ist das nicht der reinste Wahnsinn-ich meine natürlich nicht deinen Beitrag-sondern diese Schwierigkeiten, die der freie/unfreie Wille in der Diskussion mit sich bringt? Daß sich die Fragestellung durch die Perspektive des Betrachters ändert und wieder neue Gesichtspunkte zutage treten?

Letztlich kann man dann wieder fragen, ob es überhaupt einen Unterschied macht, ob wir einen freien Willen haben oder nicht...
 
AW: Alles determiniert oder nicht?

...dass Gehirnvorgänge immer auch bildhaft oder durch Messungen anderer Art darzustellen wären. Dafür sind sie doch viel zu komplex und lassen sich nicht auf Gehirnströme oder andere messbaren, erfassbaren Vorgänge des Gehirns reduzieren.

Ich bin gerührt von deiner ganzen Darstellung. Danke sehr!!! :)

Bloß würde ich gern an dem zitierten Punkt einhaken: nur weil etwas "doch viel zu komplex ist", heißt das nicht zwingend, dass es nicht deterministisch ist.

Das genügt mir als Argument nicht. Es könnte ja bloß für alle viel zu komplex sein, die es sich bisher angesehen haben. (Das war die Schwerkraft auch lange Zeit. Bis einmal dem richtigen Mann ein Apfel auf den Kopf gefallen ist.)

Aber ich habe es schon einmal erwähnt: ein System hat hervortretende Eigenschaften, die sich nicht in seinen Einzelteilen finden. Da können die Wissenschafter in den winzigsten Gehirnteilen suchen, bis sie schwarz werden. Sie werden dort nichts finden, was "Freiheit" ähnelt.

Das sagt einfach die Systemtheorie. Und die hat noch keiner widerlegt.

Sie scheint bloß manchen Neuro-Biologen unbekannt zu sein.

lg Frankie
 
5 % freier wille?

@Kathi
Wie kommst du auf die Zahl 5%? Wie kann man eine Schneise in die Determination schlagen? Sind diese 5% (vorausgesetzt du hast recht) durch freien Willen zu erlangen oder ist es wieder vorherbestimmt wann, wem und wie diese fünf Prozent zuteil werden?

mit 5% freien willensspielraum meinte ich: subjektiv empfundenen freien willen im gegensatz zu unseren konditionierungen/mustern, die uns unfrei und unbewusst handeln lassen. wenn wir erstmals einblick bekommen, dass wir fast zur gänze aus konditionierungen bestehen, erscheint es uns zumindest so.
ab dem zeitpunkt, wo wir lernen mit unseren handlungen bewusster umzugehen, meinen wird unser "freier wille" wäre größer geworden. als könnten wir nun mehr beeinflussen als vorher. in wahrheit können wir jedoch nur uns in unserem umfeld besser annehmen.
LZ schrieb:
Nur weil wir unser Muster nicht kennen, heißt das nicht, daß wir einen freien Willen haben.
Wir agieren also in der Illusion eines freien Willens. Das ist etwas grundlegend anderes.
wenn wir dann die sache mit der determiniertheit ganz durchdenken, wird klar, dass unser "freier wille" nur eine illusion ist.
denn jeder gedanke, den ich denke stammt nicht ursprünglich aus mir. er ist mir von irgendwo "zugeflogen"....woher, das weiß kein mensch.
also agiere ich eigentlich wieder nicht frei....doch bewusst.
das ist der unterschied zu den vorigen 5 %.: 95 % in konditionierten mustern, 5% "frei".
jetzt fühlt es sich vielleicht an, als wäre es so: 95 % bewusstes handeln, 5 % alte muster.

in wahrheit ist jede "erkenntnis" BESTIMMUNG.
 
hallo leute,
den obigen post habe ich gestern abend geschrieben.....dann nahm mir mein sohn das modem weg und ich kann ihn nun erst jetzt abschicken.

mittlerweile gibt´s schon die hochinterssante wortmeldung von miriam, in der auch von '"subjekiv empfunden" (= erste-Person Perspektive) und "objektiv betrachtet" (= dritte-Person Perspektive) die rede ist.

dieser ansatz passt vollinhaltlich in meine ansicht.

wir können zwar objektiv denken.
doch wir empfinden subjektiv.

...und doch ist beides verbunden.

lg kathi
 
AW: Alles determiniert oder nicht?

Ok, jetzt hab ichs kapiert, Kathi!

Ich denke, daß du noch einen sehr wichtigen Punkt ansprichst: Bewußtheit. Die totale Bewußtheit (quasi der Erleuchtungszustand, wenns den tatsächlich gibt) würde zur Willensfreiheit führen.

Wir tun fast alles unbewußt, Atmen, Gehen, Sehen, Zähneputzen, denken, um nur ein paar aufzuzählen.

Wären wir uns über alles was wir tun bewußt, wäre es eine Möglichkeit aus einem Großteil der Konditionierungen auszusteigen und frei von diesen wählen.

Diese Theorie birgt natürlich viele Fallstricke. Beispielweise: Wäre so eine totale Bewußtwerdung vorbestimmt und die daraus resultierende Wahlfreiheit wieder ein determinierter Prozess?
 
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Wäre so eine totale Bewußtwerdung vorbestimmt und die daraus resultierende Wahlfreiheit wieder ein determinierter Prozess?
meine meinung dazu (OHNE sie beweisen zu können!)
die totale bewusstwerdung ist ebenso vorherbestimmt wie das verharren in einer "dauerkonditionierung". objektiv betrachtet
doch die aus der bewusstwerdung resultierende wahlfreiheit bietet ungeahnte möglichkeiten. subjektiv erlebt


frei oder determiniert? - welle oder teilchen?
beides zugleich.

ein beispiel:
in jedem computer stecken die tollsten programme und möglichkeiten.

manche benutzer machen nichts anderes damit, als damit geschäftsbriefe zu schreiben.
andere machen das auch und spielen dazwischen noch "solitär", oder schauen ins denk-forum rein.
wieder andere kreieren außerdem grafiken, die sie sich ins zimmer hängen.

die möglichkeiten der nutzung sind unerschöpflich.
und doch sie sind determiniert.
 
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