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Akzeptierte Klassengesellschaft?

Bernd

Well-Known Member
Registriert
3. Mai 2004
Beiträge
8.631
Liebes Forum,

ich habe mich heute mal hingesetzt und meine Glaskugel gerieben und würde gern mal eure Meinung dazu hören wollen.

Der Grund dafür war, dass ich immer öfter in Fernsehsendungen hineingerate, wo das Leben von Dienstmädchen, Küchenpersonal, Stalljungen oder Leibdienern sehr sehr romantisch und völlig normal, geradezu erstrebenswert dargestellt wird. Auch die „Herrschaft“ bekommt dabei einen „liebenswerten“ und menschlichen Tough.

Mich gruselt. Ich bemerke, dass es seit einigen Monaten/Jahren einen Trend gibt, indem m.E. das Ständeleben, die Klassengesellschaft alter Tage wiederbelebt werden soll. M.E. versucht man, das bislang völlig verpönte Unterscheiden von Menschen wieder salonfähig zu machen. Die entsprechenden Testballons stiegen in einigen dieser für mich abscheulichen Psychoexperimente auf, in denen man Menschen in die Zeit vor 100, vor 200 Jahren oder vermutlich demnächst in die Römische Sklavenhaltergesellschaft zurückversetzt und einfach mal kuckt, wie moderne Menschen (Darsteller UND Zukucker) darauf reagieren. Es finden sich immer wieder genügend Schwachmaten (sorry), um dabei mitzumachen, aber egal. Man bemerkt auch von Seiten der Politik, dass „das Hausmädchen“ wiederbelebt werden soll...meine Lieblingskanzlerin, Frau Merkel, hatte neulich sogar sehr deutlich gesagt, dass sie Jobs im Bereich Hauspersonal unterstützt. Schön.

Jetzt frage ich mich, ist meine Glaskugel wirklich trüb geworden oder prophezeit sie mir hier eine gewollte Trendwende, zurück zur akzeptierten (!) Klassengesellschaft.

Viele Grüße
Bernd
 
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Hi, Bernd!
Ohne Kristalkugel - ohne Romantik - nur mit Blick auf unsere gesellschaftliche Wirklichkeit:
Haben wir denn heute nicht ein Mehrklassengesellschaft und müssen wir sie nicht akzeptieren und sind nicht all unserer Bestrebungen, diese aufzuzeigen nur Selbstbeschwichtigung?

Wer will schon seinen Arbeitsplatz verlieren, indem er sich für die Rechte der "ausgeliehenen" Arbeiter einsetzt.
Wer will schon auf bessere Krankenversorgung verzichten, wenn er sich eine Privatkrankenkasse leisten kann?
Wer schickt sein Kind schon in eine öffentliche Volksschule, in der bis zu 70 Prozent Schüler mt nicht deutscher Muttersprache in einer Klasse sind, wenn er sich eine Privatschule leisten kann?

mir Brecht: so viele Fragen - und keine für alle verbindlichen, wahrhaften Antworten!

Marianne
 
Hallo Marianne,

müssen? Aber warum müssen? Kommt nicht all das erst zustande weil jeder in seinem kleinen Handlungs-, Entscheidungs- und Bewusstseinsradius „nicht anders kann“? Ich akzeptiere keine Unterschiede zwischen Menschen, geb ich ja zu. Warum auch...

Wer will schon seinen Arbeitsplatz verlieren, indem er sich für die Rechte der "ausgeliehenen" Arbeiter einsetzt.
Wer will schon auf bessere Krankenversorgung verzichten, wenn er sich eine Privatkrankenkasse leisten kann?
Ich? Ist das so ungewöhnlich? :rolleyes:
Gibst du dich geschlagen, Marianne?

Fragenbernd
 
@bernd

Was gibt dir eigentlich Anlaß zur Annahme, daß die Klassengesellschaft nicht mehr existiert und wir daher wieder zu ihr zurückkehren müssen?

Nichts hat sich geändert, nur wird es anders und oft besser verkauft als in den alten Tagen. Heute tun wir das gleiche und behaupten, daß wir alles anders machen. Das funktioniert auch ganz gut.
 
Hallo Bernd,

Fernsehfilme und -serien mit Hauspersonal gab es schon, seit ich mich erinnern kann.
Die Hierarchien auch.
Ich bin kein Freund der Klassengesellschaft, doch würde es mir keine Probleme bereiten, Hauspersonal zu sein.
Natürlich nur unter der Bedingung, nicht gedemütigt und wie ein Mensch behandelt zu werden.
Es stimmt schon, (ich hoffe Dich jetzt sinngemäß richtig wiederzugeben)
ein (das einzige Wort mit dem ich es benennen kann ist) "Wirtschaftsfeudalismus" breitet sich aus.
Begünstigt durch die Schulden der Privatpersonen und
(ich habe das etwas mitbekommen) das Zugreifen auf das Privatvermögen des kleinen Mannes im Falle einer Arbeitslosigkeit.

Mich persönlich stört die Kultur der Wegwerfgesellschaft mehr als Klassenunterschiede.
Wobei ich Deine (ich will es mal krass ausdrücken) Angst verstehe.
Sind doch unsere Politiker schon jetzt weltfremd aufgrund ihrer hohen Gehälter und keineswegs mehr als Volksvertreter zu bezeichnen.

Wird schon nicht so schlimm kommen wie im richtigen Feudalismus.
Seine Tyrannen züchtet man sich selbst;
Und immerhin sind wir in der EU, die Franzosen sind auch dabei und die lassen sich nicht alles gefallen.

MfG

Triskell
 
Hallo ihr,

das wundert mich...., dass ihr das so seht. Aber gut, will ich nicht länger auf Sachen herumreden, die für die Menschen so selbstverständlich oder (eben) bereits akzeptiert sind. Ist ja nicht schlimm.
*mein Stofftier unter den Arm klemm und mit hängenden Ohren heimgeh*

Viele Grüße
Bernd
 
Bernd schrieb:
Hallo ihr,

das wundert mich...., dass ihr das so seht. Aber gut, will ich nicht länger auf Sachen herumreden, die für die Menschen so selbstverständlich oder (eben) bereits akzeptiert sind. Ist ja nicht schlimm.
*mein Stofftier unter den Arm klemm und mit hängenden Ohren heimgeh*

Viele Grüße
Bernd

Das tut mir echt leid, daß ich, unter anderen, Deine Revolution abgewürgt habe.
Aber eine Revolution ist nur mit Brüder möglich
und davon sind wir unendlich weit entfernt.
 
Zur Begrifflichkeit

M.E. müsste man, bevor die Frage nach der Akzeptanz einer Klassengesellschaft gestellt wird, sich darüber verständigen, was man darunter versteht.
Karl Marx hat zwar den Begriff „Klasse“ populär gemacht (obwohl er älter ist), aber auch bei ihm sind die Trennlinien unscharf. Er spricht von der „Sklavenhaltergesellschaft“ des antiken Roms. Doch unter diesen Sklaven gab es gewaltige, hierarchische Unterschiede. Auf der untersten Stufe standen die in Käfigen gehaltenen ad bestias. An der Spitze rangierte der gebildete, zumeist griechische Haussklave, der eher die Stellung eines vornehmen Hauslehrers hatte. Rein rechtlich waren sie alle Sklaven, aber mit welchen Unterschieden der „Sklavenhaltung“!
Aber war denn wenigstens die Klasse des Industrieproletariats im 19. Jahrhundert homogen? Mitnichten. Ausweislich der Lohnlisten der Firma Krupp war die Lohndifferenz zwischen dem höchst und dem schlechtest bezahlten Arbeiter 8:1! Heute beträgt sie maximal 3:1.
Der Marx’sche Klassenbegriff ist viel zu grob, als dass er sich zur Analyse eignete. Und grundsätzlich: Es hat noch nie eine Gesellschaft ohne Hierarchisierung gegeben. Am krassesten in der Moderne war diese bei den kommunistischen Systemen mit ihrer Nomenklatura ausgeprägt.
Wir leben in einer Gesellschaft höchst durchlässiger Schichten mit großer horizontaler und vertikaler Mobilität, in der es, um nur ein Beispiel zu nennen, ein ehemaliger Straßenkämpfer und Taxifahrer ohne Abitur und Studium zum Außenminister bringen kann.
 
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ich stimme Dir vollinhaltlich zu , Ziesemann.

Die „vertikale Mobilität“, wie du es nennst, ist heute gegeben, im Unterschied noch zu der preußischen Gesellschaft von vor hundert Jahren, wo eben z.B. nur der Adlige Offizier werden durfte.

Wir haben Chancengleichheit, wenn es auch der mit dem weniger begüterten elternhaus schwerer hat.
aber eine Gleichmacherei wie im Sozialismus, wo der Fleißige soviel verdient wie der Faule, der Intelligente und hochqualifizierte soviel wie der doofe, die kann man doch nicht wollen.

Schließlich hat diese Gesellschaftsordnung ja auch nicht überlebt.

Gruß Claus
 
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