• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

1. September 1939

AW: 1. September 1939

hallo, andreas!

kann es sein, dass dein schreibstil immer mehr scillas züge annimmt? oder habe ich etwas ein jahr lang verpasst?

jedenfalls hast du recht, wenn du schreibst, dass auch totaler frieden per se wieder zum krieg führt, v.a. dann, wenn hoffnungen und gutgemeinte vorschläge aus wasauchimmer für gründen nicht befolgt werden, siehe RAF
OT
wollte nur zeit sparen und weniger formulieren
ökomenisch, sage ich
bequem, sagt meine frau
in privaten emails schreibe ich alles klein

seit 1 jahr fahre ich mit dem fahrrad in die arbeit
rd.30 km hin u. zurück
laufe daher viel weniger

zeitökomenisch, sage ich
verrückt, sagt meine frau

lg
Andreas
 
Werbung:
AW: 1. September 1939

Hallo Frankie!
Zugegeben, mein Beitrag ist keine Prognose. Der Vollständigkeit halber möchte ich aber schon darauf hinweisen, dass ich einen ganz anderen Standpunkt vertreten habe, als den von dir hier erwähnten. Ich bin es zwar schon gewöhnt, dass meine Sichtweise hier oft nicht ernstgenommen wird, sogar total ignoriert wird, aber so ganz vom Tisch wischen lasse ich mich nun doch nicht.

Übrigens, deine Prognose bezieht sich nicht auf "Frieden", sonder bloß auf eine etwas kultiviertere Methode der "kriegerischen Auseinandersetzung", ohne körperliche Gewalt. Die innere Haltung wird dadurch nicht wesentlich verändert.

Und dass jeder immer nur über seine Welt und über sich selbst spricht, das ist doch eine Binsenweisheit und muss mMn nicht extra erwähnt werden.

Lilith


Liebe Lilith,

ich nehme Deine Sichtweise durchaus ernst und hatte gehofft, durch mein Beispiel, das sich gerade auf den ersten Weltkrieg bezog deutlich zu machen, wie wichtig und auch praktisch wichtig ich die Denkweise des Pazifismus (so verstehe ich Dich jedenfalls) halte.

Aber "meine Welt" bzw. die Welt, wie sie sich mir jedenfalls darstellt, kann sich Dogmen nicht leisten, denn sie ist nun nicht immer gut und auch nicht immer schlecht. Und da wir hier ja in einem historischen thread diskutieren: Was 1914 richtig gewesen wäre, war 1938 falsch. Das läßt sich einfach nicht bestreiten.

Du schreibst selbst, daß Du keine Patentlösung anzubieten vermagst, und deshalb habe ich es auch vermieden, Dich dahingehend zu trietzen.

So führt aber der Wunsch nach einer Bewußtseinsänderung, die ich perösnlich dem Menschen einfach nicht zutraue, im Ergebnis zur Passivität, und den nutzen leider die rücksichtlosen Menschen aus.
Die erforderliche Gelassenheit dafür kann ich nicht mitbringen, da ich mich weigere, im Tod und Leid von Menschen einen tieferen Sinn zu erkennen und auch keine schicksalshafte Notwendigkeit sehe. Ich glaube an die - wenn auch begrenzte - Freiheit des Menschen, Dinge zu beeinflussen und Unrecht zu verhindern nicht hinzunehmen (Eine völlig andere Frage ist es, wie man mit bereits geschehenem Unrecht umgeht, meine Meinung dazu kennst Du sehr gut).
Ich bin bei aller Wertschätzung für diese Gesinnung kein Pazifist, da ich das im Einzelfall für inhuman halte. Freilich sind pazifistische Menschen mit Unrecht ja auch nicht einverstanden.

Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht haben sich als einige von ganz wenigen (selbst unter den Sozialdemokraten) gegen den Krieg 1914 ausgesprochen...

...und sind leider nicht gehört worden.


Chamberlain hat es sicher 1938 auch gut gemeint...

...und eine Katastrophe gefördert.

Gruß
Zwetsche
 
AW: 1. September 1939

hallo, zwetsche!

Ob aber Chamberlains Appeasement-Politik so viel gebracht hat...?
Es sind Zahlen publik gemacht worden (von einem amerikanischen historischen Institut), die besagen, dass 1938 trotz dieser Politik in England massiv aufgerüstet wurde, sogar über dem deutschen Niveau (allerdings zu spät). Also hätte es GB noch weniger gebracht schon 1938 einen Krieg herbeizuführen, was geschehen wäre, wenn man sich in München nicht geeinigt hätte! Deshalb haben ja auch führende Militärs in Deutschland gedrängt, den Krieg so schnell wie möglich zu beginnen, bevor die anderen Nationen mitrüsten würden. Denn diese waren ja nicht so blöd, dass sie nicht gemerkt hatten, dass Hitler ab 38 auf Krieg schwenkt!
 
AW: 1. September 1939

hallo, zwetsche!

Ob aber Chamberlains Appeasement-Politik so viel gebracht hat...?
Es sind Zahlen publik gemacht worden (von einem amerikanischen historischen Institut), die besagen, dass 1938 trotz dieser Politik in England massiv aufgerüstet wurde, sogar über dem deutschen Niveau (allerdings zu spät). Also hätte es GB noch weniger gebracht schon 1938 einen Krieg herbeizuführen, was geschehen wäre, wenn man sich in München nicht geeinigt hätte! Deshalb haben ja auch führende Militärs in Deutschland gedrängt, den Krieg so schnell wie möglich zu beginnen, bevor die anderen Nationen mitrüsten würden. Denn diese waren ja nicht so blöd, dass sie nicht gemerkt hatten, dass Hitler ab 38 auf Krieg schwenkt!

Ich beziehe mich zur Antwort auf meinen ersten Beitrag in diesem thread.
Nicht gesagt, die Tschechen waren - anders als die Polen - gut gerüstet und Hitler keineswegs so gut wie beim Angriff auf Polen (der im übrigen noch durch den Hitler-Stalin Pakt lanciert werden konnte). Und es gab ganz konkrete Pläne um die Gruppe von Canaris, Hitler im Falle eines Kriegsbeginns abzusetzen. Die Kriegsbegeisterung hielt sich auch in Deutschland zu der Zeit in Grenzen, gelinde gesagt. Die Situation sah für Hitler vor der Münchner Konferenz gar nicht so rosig aus, wie er es selbst vielleicht vermutet hat.

Gruß
Zwetsche
 
AW: 1. September 1939

Also es tut mir leid, wenn ich hier irgendwem unrecht getan habe.

Ich korrigiere daher: es scheint mir in diesem Thread zwei Blickwinkel zu geben: der eine betrachtet die Welt als die Summe von vielen Menschen. Und wenn die Welt besser werden soll, dann muss der einzelne besser werden. Und wenn es dafür keine Hoffnung gibt, dann gibt es auch für die Welt keine Hoffnung.

Das ist der eine Blickwinkel, und den halte ich für extrem naiv.

Der andere betrachtet die Welt als die Summe von vielen (sozialen) Systemen, die sich aus Menschen zusammensetzen. Und diese Systeme (siehe Systemtheorie) haben hervortretende Eigenschaften, die die Einzelteile nicht haben. Z.B. errichtet keine Einzelperson mit sich selbst einen Staat.

Aber große soziale Systeme, also z.B. Staaten, können dann Rechtsstaaten sein, oder eben auch Diktaturen. Das 3. Reich war eine Diktatur. So etwas zeichnet sich dadurch aus, dass es darin keine Gewaltenteilung gibt, sondern dass alle Macht und alle Gewalt in einer Person (dem Diktator) zusammenlaufen.

Und diktatorische Systeme verhalten sich immer gleich. Aggressiv nach innen, und aggressiv nach außen, so gut es geht, jedenfalls in beiden Richtungen immer gegen Schwächere, bis der Größenwahn zu groß wird.

Krieg geht sehr stark von diktatorischen Systemen aus, oder er wird gegen solche geführt.

Meine Prognose - aus diesem Blickwinkel - ist die, dass der Trend aber eindeutig von Diktaturen weg geht. Die waren 1939 doch sehr en vogue, oder nicht? Daher glaube ich langfristig an das Ende der Kriege.

Als Fußnote sei hier bloß noch die Frage gestellt, was am System USA denn so sehr einer Diktatur ähnelt, dass sie so aggressiv nach innen und außen sind...

lg Frankie
 
AW: 1. September 1939

Meine Prognose - aus diesem Blickwinkel - ist die, dass der Trend aber eindeutig von Diktaturen weg geht. Die waren 1939 doch sehr en vogue, oder nicht? Daher glaube ich langfristig an das Ende der Kriege.

Als Fußnote sei hier bloß noch die Frage gestellt, was am System USA denn so sehr einer Diktatur ähnelt, dass sie so aggressiv nach innen und außen sind...
Beide Aussagen zeigen auf:
Kriege gehen nicht nur von Diktaturen aus

Aber du hast Recht, frankie:
Macht verleitet zum Krieg
Diktatur ist eine praktisch unkontrollierte Macht

Worin sich unsere Sichtweise vielleicht unterscheidet:
Du koppelst den Krieg offenbar zu sehr vom individuellen Einfluss ab:
Krieg = Krieg der Staaten, der Mächtigen, der Diktaturen

Ich bin aber fest überzeugt
dass das Ganze, die Verknüpfung, die Vernetzung das Entscheidende ist:

Diktatoren
manipulieren das Volk
(miss)brauchen das Volk und
gebrauchen dessen Vorurteile, Hass, Neid, Intoleranz, Unzufriedenheit
sind begabte Populisten
(Haiders Partei stieg mit einem Nullprogramm zur zweitstärksten Partei Österreichs auf)

Geschickte Populisten gibt es auch in Demokratien
USA ist eine Demokratie
USA ist mächtig
Das Volk liebt das Gefühl der Stärke
Es vertraut dem Mächtigen
Lässt sich blenden und verführen
Erkennt nicht die Gefahren
Ist sich zu wenig der Manipulation bewusst
Lässt sich mit gezielt eingesetzten Werten (Egoismus ausnützen!) ablenken

Das Volk (WIR)
kann all dem entgegenwirken
Individualität, Gesellschaft und Gemeinschaftsbewusstsein
sind dabei eben die Ausgangspunkte

Deshalb meine ich
kann Krieg nie von unserer einzelnen Verantwortung losgelöst gesehen werden

lg
Andreas
 
AW: 1. September 1939

Und diktatorische Systeme verhalten sich immer gleich. Aggressiv nach innen, und aggressiv nach außen, so gut es geht, jedenfalls in beiden Richtungen immer gegen Schwächere, bis der Größenwahn zu groß wird.

Krieg geht sehr stark von diktatorischen Systemen aus, oder er wird gegen solche geführt.

Meine Prognose - aus diesem Blickwinkel - ist die, dass der Trend aber eindeutig von Diktaturen weg geht. Die waren 1939 doch sehr en vogue, oder nicht? Daher glaube ich langfristig an das Ende der Kriege.

Als Fußnote sei hier bloß noch die Frage gestellt, was am System USA denn so sehr einer Diktatur ähnelt, dass sie so aggressiv nach innen und außen sind...

lg Frankie


hallo, frankie!

du argumentierst hier ungefähr auf gleiche art und weise wie das fukuyama und doyle (2 amerik. sozialwissenschaftler) getan haben. der erstere hat behauptet, dass alle staaten sich zu liberalen demokratien entwickeln werden, der zweite behauptet, dass solche staaten untereinander keine kriege führen. ich glaube sie irren sich, v.a. fukuyama auf bestimmte art und weise!
 
AW: 1. September 1939

Also zur Zeit gibt es so viele Themen hier im DF zu denen man noch etwas sagen möchte - einerseits freut es mich, aber das Wort von Karl Valentin mal nicht auf Kunst beziehend, sage ich auch hier: macht aber viel Arbeit!

Psb..., mir scheint Fukuyamas These und auch sein Vorwurf betreffend den Ort an dem sich nun hauptsächlich der islamische Fundamentalismus abspielt, also Europa, doch sehr aufschlussreich.

Fukuyamas Vorwurf gegenüber den Europäischen Staaten: sie haben es versäumt die Muslime, besser gesagt: die junge Generation, zu integrieren.
Es herrschen nach wie vor die nationalen Kulturen in Europa vor - Fukuyama weist dabei auf den Unterschied zu den USA hin.
Laut Fukuyama ist dies der Hauptgrund, dass Europa in der Zukunft das Hauptschlachtfeld im Kampf zwischen Terrorismus und Antiterrorismus sein wird.

Dazu Fukuyama (Der Text stammt von vor etwas mehr als einem Jahr - ich glaube es war die Zeit der Unruhen Rund um die Mohamed-Karikaturen):


"Nach den Vorfällen der letzten Zeit macht man sich endlich ernsthaft Gedanken. Ich glaube ja, dass die Form von Sozialstaat, die es in Europa gibt, viel mit den Problemen zu tun hat, weil große Massen von Moslems der ersten und zweiten Generation arbeitslos sind und von Sozialhilfe leben und damit nichts Brauchbares zur Gesellschaft beitragen. Dass sie von einer 'nationalen Identität' ausgeschlossen sind, ist Teil des Problems."

Für mich hat dieses Thema auch einen direkten Zusammenhang mit manchen Aspekten die wir im Thread über die al-Qaida besprechen. Noch ein Zitat von Fukuyama:

"Bislang hat sich der 11. September noch nicht wiederholt, aber es gibt da ganz klar ein Problem. Nach meiner Prognose wird sich die Lage in nächster Zeit zuspitzen. Es gibt diese demographischen Trends, die, wenn sie sich bewahrheiten, die Minderheiten von heute zu Mehrheiten von morgen machen. Das wird zwar noch dauern, aber ich hoffe, dass Europa in diesem Prozess nicht seine universellen demokratischen Werte aufgibt."

Die Hervorhebung im Text stammt von mir.

Freundliche Grüße

Miriam
 
AW: 1. September 1939

He, danke für die fundierten Hinweise und die echt konstruktive Kritik meiner Extremposition. Da fühle ich mich doch gleich viel wohler!

Also, ich habe jetzt manches durch eure Inputs begriffen:

1. Wegen Andreas ergänze ich, dass ich plötzlich einen viel stärkeren Zusammenhang zwischen dem Zustand des einzelnen und dem System sehe, das ihn regiert. Ich behaupte daher, dass die Mehrheit der Einzelpersonen in Deutschland oder Österreich im Moment einfach nicht "diktaturfähig" ist. 1933 war das aber ganz anders.

Allerdings stelle ich dazu gleich die Behauptung auf, dass Menschen ohne Bildung und ohne Information (also ohne Internet) wesentlich diktaturfähiger sind als andere. Wenn die Welt also die Schulen und das Internet abschafft, dann wird es sofort wieder finster.

2. Psbvbn1's Hinweis auf fukuyama und doyle stärkt mich insofern, als ich die beiden zwar nicht kenne, aber plötzlich gar nicht mehr als einsamer Rufer in der Wüste dastehe! Und die verstehen etwas von ihrem Fach im Gegensatz zu mir!

Ich ergänze aber, dass ich fest von zukünftigen, friedlichen Staatsformen überzeugt bin, deren Aufbau wir im Detail heute noch gar nicht kennen, und für die wir noch gar keinen Namen haben. Es werden allerdings ganz sicher keine Diktaturen - und auch keine diktaturähnlichen Demokratien nach dem Muster der USA - sein.

3. Miriams Hinweis erinnert mich an jene Systeme, auf die ich bisher vollkommen vergessen hatte: auf die religiösen Systeme, die ja auf einer total anderen, zusätzlichen Ebene zu den staatlichen Systemen existieren und alles enorm verkomplizieren.

Hier möchte ich aber auch den Unterschied zwischen diktatorischen Glaubenssystemen wie der röm.-kath. Kirche machen (dort diktiert ja die Glaubenskongregation, was jeder Katholik zu glauben hat, und jede "Demokratisierung" der Kirche ist ja eine komplett irre Idee), und anderen Systemen, z.B. dem Buddhismus: dort wird jeder Gläubige, der nicht selbst denken will, sofort nach Hause geschickt und auf sein nächstes Leben verwiesen.

Wohin sich diese religiösen Systeme entwickeln werden, das muss ich mir noch überlegen. Sobald jedenfalls eine Glaubensdiktatur wie der Islam mit einer staatlichen Diktatur zusammentrifft, ist das Böse natürlich besonders perfekt.

Meine Bauchprognose im Moment: am Schluss kommt sowieso der Null-Gott-Glaube zu allen. Dann ist da Frieden. :)

lg Frankie
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Werbung:
AW: 1. September 1939

Übrigens, deine Prognose bezieht sich nicht auf "Frieden", sonder bloß auf eine etwas kultiviertere Methode der "kriegerischen Auseinandersetzung", ohne körperliche Gewalt. Die innere Haltung wird dadurch nicht wesentlich verändert.

Ich möchte das ganz deutlich kommentieren: es muss meines Erachtens für immer und ewig zu den Menschenrechten gehören, dass der Mensch sagen, glauben und fühlen darf, was er will.

Und wenn er unendliche Wut fühlt, dann muss ihm das gestattet sein. Ich prognostiziere tatsächlich nicht, dass der Mensch jemals um seine schlimmsten und schönsten Gefühle ärmer werden wird. Das wird er nicht.

Er wird Geiz, Neid, Habsucht, Gier oder Mordlust niemals, niemals, niemals aufgeben.

Aber er wird deswegen nicht mehr töten. Weil diese Gefühle in friedvollen, (aber nicht gefühllosen!) Systemen Platz haben werden.

In Systemen, die Freiheit zulassen, aber nicht Freiheit auf Kosten anderer.

lg Frankie
 
Zurück
Oben