AW: 1. September 1939
Ja, Hartmut,
ich stimme dir zu. Ich denke auch, dass Hitler einen Krieg von Beginn an wollte, noch bevor Nazi-Deutschland stark genug gerüstet war. Der Kern meiner Hypothese bleibt aber derselbe, auch wenn ich mich hier ungeschickt ausgedrückt habe.
Ein Wettrüsten mit Nazi-Deutschland hätte keinen Krieg verhindert. Und hätte es ihn doch verhindert, so wäre Europa in die nächste Wirtschaftskrise geschlittert.
mfg
Ben
Lieber Benjamin,
ein Wettrüsten vielleicht nicht. Hitler befand sich ohnehin in einer Art pseudoreligiösem Wahn und hätte auch unter schlechten Bedingungen den Krieg begonnen, wie das Beispiel 1938 gegenüber den Tschechen zeigt. Wäre ihm der Friedenspolitiker Chamberlain damals nicht "zur Hilfe" gekommen, so hätte der - seinerzeit schlechter gerüstet als ein Jahr später gegen Polen und vor allem auch einem wesentlich stärkeren Feind gegenüber - antreten müssen. die Tschechen haben Chamberlains und Daladiers Verhalten nicht ganz zu Unrecht als unglaublichen Verrat empfunden.
Hinzu kommt, was ich glaube ich schon mal in einem Beitrag erwähnt habe, daß sich eine Gruppe von deutschen Offizieren bereits 1938 um Canaris gesammelt hatte, die Hitler für einen Fall des Einmarsches absetzen, einige sogar töten wollten. Das ging natürlich schlecht, nachdem Hitler nicht nur das Sudetenland, sondern auch den Rest des Landes ohne Blutvergießen bekam...
Der einzige, der nicht fröhlich war, war Hitler selbst, den man seinen Krieg vereitelt hat. Dieses Pschogramm macht auch deutlich, daß die Ratio des Rüstens nicht allein maßgebend ist, sondern gelegentlich auch die des Zuschlagens.
@Miriam: Ich denke, wir gehen konform in der grundsätzlichen Auffassung. Du erwähnst ausgerechnet den Getto-Aufstand. Dieser war für mich gerade kein adäquates Verteidigen im Sinne des Themas, eben kein probates Bekämpfen einer gewaltigen Übermacht, sondern ein Akt der Verzweiflung. Er war ja "militärisch" völlig sinnlos, hatte aber freilich eine große Bedeutung für das Gefühl der Opfer nicht nur im Getto selbst. Der hoffnungslose Aufstand zeigt für mich gerade, daß es gar nicht erst so weit hätte kommen dürfen, daß Menschen erst in eine so traurige Lage kommen, in der der kämpfende Selbstmord noch die beste aller Lösungen ist. Auch als die Polen versuchten, die Wehrmacht in Warschau am Ende der Besatzung zu bekämpfen, wurde dies zu einem sinnlosen Massaker (die Russen schauten übrigens tatenlos vor den Toren der Stadt zu). Effektiv bekämpfen konnten Hitler nur diejenigen, die auch die Macht dazu hatten. Und sie haben zu spät damit begonnen, so daß es dann einer weltweiten Anstrengung bedurfte, ihn zu besiegen.
@Lilith: Ich schätze Deine Auffassung sehr und sie ist auch als Grundprinzip menschlichen Miteinanders unerläßlich. Ich finde es auch gut, daß Menschen für andere Wege als die der Gewalt eintreten. Den immer wieder im Forum dafür verwendeten Begriff "Gutmensch" finde ich bekanntlich völlig daneben, auch wenn ich mit vielem, was Linus hier oder Robin im Rechtsextremismus thread schreiben, inhaltlich konform gehe. Wer weiß, wie viele Kriege verhindert worden wären, wenn andere sich ein Beispiel daran genommen hätten. Nehmen wir dazu ruhig mal den 1. Weltkrieg als Beispiel, der im übrigen als Ausgangspunkt den Aufstieg Hitlers ja erst möglich machte. Dieser hätte mit einer solchen friedlichen Gesinnung vielleicht verhindert werden können. Aber die Selbstüberschätzung und das viel zu positive Verhältnis zum Krieg als legitimes Mittel haben das verhindert. Die Folgen sind bekannt.
Es gibt aber Menschen, die von ihrer Dynamik leben, die wiederum gerade in der Schnelligkeit und Rücksichtlosigkeit gegenüber allem Menschlichen liegt. Während die friedliebenden Menschen noch nachdenken, fallen andere den Ursupatoren schon zum Opfer. Gandhi konnte sich gegen die Engländer durchsetzen. Sein Brief an Hitler war völlig wirkungslos...
Gruß
Zwetsche