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Was ist gerecht?

@ Ziesemann

Der Pflichtteil kann insofern nicht weggelassen werden als dieser eine Mindestanforderung darstellt. Man muß dabei auch festhalten, daß der Pflichtteil im Falle einer Enterbung wegfallen kann. Hierzu müssen jedoch gravierende Umstände vorliegen.

Warum diese Bemerkung? Nun, es geht in der Tat nicht um Gerechtigkeit im philosophischen Sinne, sondern eben um "ausgleichende Gerechtigkeit" und eben darum, Konflikte zu lösen und ein gemeinsames soziales Leben zu ermöglichen. Der Pflichtteil dient hier dazu, daß das individuelle subjektive Rechts- oder Gerechtigkeitsempfinden nicht mißbraucht wird und die Rechte (nicht Gerechtigkeit) anderer erhalten bleiben. Ob das im Einzelfall gerecht ist mag dahingestellt bleiben.

Mehrheitswille ist nicht Gerechtigkeit. Was ich gemeint habe ist, daß das Gesetz einem Mehrheitswillen entspricht und die Gesellschaft so regelt, wie die Mehrheit dies wünscht. Da das deutsche Recht in erster Linie von einem Regelungsbedarf und nicht von einem Gerechtigkeitsbedarf ausgeht, ist das so auch in Ordnung.

Gerechte Lösungen lassen sich daher in einer Vielzahl von Fällen durch das Gesetz selbst erreichen, vorausgesetzt, daß das Gesetz "gut" ist und eben die Interessen aller Beteiligten ausreichend berücksichtigt. Ob das zB der Fall ist, wenn Frauen für Ehebruch gesteinigt werden und Männer nicht, ist natürlich fraglich und wiederum vom Kulturkreis abhängig. Ich habe da so meine Bedenken.

Gerechte Lösungen können wir aber letztlich nicht auf die Gerichte abschieben und davon ausgehen, daß wir nichts zu tun hätten und das gericht alles lösen wird.

Wenn man einmal einen anderen Fall nimmt, mag dies deutlicher werden. Eine Forderung kann verjähren. Es kann jedoch sehr ungerecht sein, sich auf diese Verjährung zu berufen. Der Schuldner kann sagen, daß das Gesetz eine Forderung nicht mehr anerkennt, wenn diese über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht wurde. Der Gläubiger mag sagen, daß es eben ein Fehler auf seiner Seite war, er aber ohne das Geld nun Konkurs anmelden und alle seine Mitarbeiter entlassen muß.

Das Gesetz läßt es zu, daß sich der Schuldner auf Verjährung beruft und nicht zahlen muß. Das persönliche Rechtsempfinden kann es jedoch erlauben, daß er sich nicht auf Verjährung beruft und seine Schuld dennoch bezahlt. In diesem Falle wäre das Gesetz das Recht (Verjährung) und die Handlung des Individuums die Gerechtigkeit (Zahlung trotz Verjährung).

So bleibt dann die subjektive Einschätzung weiter das tragende Element der Gerechtigkeit.
 
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louiz30 schrieb:
Wenn man einmal einen anderen Fall nimmt, mag dies deutlicher werden. Eine Forderung kann verjähren. Es kann jedoch sehr ungerecht sein, sich auf diese Verjährung zu berufen. Der Schuldner kann sagen, daß das Gesetz eine Forderung nicht mehr anerkennt, wenn diese über einen längeren Zeitraum nicht geltend gemacht wurde. Der Gläubiger mag sagen, daß es eben ein Fehler auf seiner Seite war, er aber ohne das Geld nun Konkurs anmelden und alle seine Mitarbeiter entlassen muß.
Das Gesetz läßt es zu, daß sich der Schuldner auf Verjährung beruft und nicht zahlen muß. Das persönliche Rechtsempfinden kann es jedoch erlauben, daß er sich nicht auf Verjährung beruft und seine Schuld dennoch bezahlt. In diesem Falle wäre das Gesetz das Recht (Verjährung) und die Handlung des Individuums die Gerechtigkeit (Zahlung trotz Verjährung).

So bleibt dann die subjektive Einschätzung weiter das tragende Element der Gerechtigkeit.
@ Lieber louiz30
Ich hatte schon bei meiner Antwort auf Deinen ersten Beitrag das Gefühl, Dir nicht ganz gerecht geworden zu sein – schon wieder eine Ungerechtigkeit. Dieser Eindruck hat sich nach Deinem neuerlichen Beitrag verstärkt.
Zur Sache:
Der Pflichtteilsentzug ist nach deutschem Recht sehr schwer durchzusetzen und deshalb selten; der Berechtigte muss dem Erblasser schon nach dem Leben getrachtet haben, sonst geht’s kaum. – Im Übrigen: Für ein (Denk-)Modell kann der Pflichtteil gedanklich weggelassen werden, um die Zahl der Variablen zu verringern und damit das Modell durchschaubarer, vulgo: leichter zu machen.

Regelungsbedarf versus Gerechtigkeitsbedarf? So möchte ich das kaum stehen lassen. Die Gesetzesflut resultiert doch aus dem Wunsch, immer mehr Fall-, also Einzelgerichtigkeit zu schaffen, was zwangsläufig, das wußten schon die Römer und später Toqueville, wieder mehr Einzelungerechtigkeiten schafft (Summum ius summa iniuria).
Und selbstverständlich ist das Rechtsgefühl auch vom Kulturkreis abhängig, worauf Du mit dem Beispiel der gesteinigten Ehebrecherin gut verwiesen hast.

Dein obiges Beispiel mit der Verjährung ist ganz ausgezeichnet zur Demonstration, dass eine gesetzliche Regelung das Rechtsempfinden empfindlich verletzen kann. Übrigens: Früher galt die Berufung eines Schuldners vor Gericht auf Verjährung mindestens als degoutant, denn er gibt ja zu, dass die Schuld „an sich“ besteht.

Ich bitte aber zu bedenken, dass gerichtliche Urteile in ihrer Wirkung nicht nur Recht sprechen sollen, sondern auch Rechtssicherheit geben sollen, zu wissen was gilt denn nun. Und Verjährung gibt es auch (außer bei Mord) auch im Strafrecht aus der Überlegung, dass nach vielen Jahren ohnedies kein „gerechtes“ Urteil über den Straftäter mehr gefällt werden kann.

Von Bangkok aus solche Beiträge zu versenden verdient Sonderrespekt!
Gute Wünsche - Ziesemann
 
Haben wir denn nun alle Varianten durch?

Ich würde sagen das erstmal alles Geld (wir mißachten ja den Pflichtteilsanspruch) an eine mir zusagende vertrauenswürdige Institution vererbt wird. Es würde dann das Materielle überbleiben, also Auto, Haus, Schmuck, von diesem sollten die Kinder sich einige Erinnerungsstücke auswählen und den Rest dann veräußern, der daraus erzielte Gewinn muß durch alle Mädchen gleichmäßig geteilt werden. Das scheint mir gerecht zu sein, weil ich so die eventuell ungleichmäßige Verteilung des "großen" Vermögens abwende.
(Wären da nicht zwei Kinder dabei die ein Leben führen das mir so gar nicht passt würde ich wohl schon zu Lebzeiten den größten Teil an die Kinder verschenken.)

Unter Einbeziehung der Pflichtteilsanspruchs bekommt halt jede Tochter ihren Pflichtteil und alles was darüberhinaus vorhanden ist würde dann eine Organisation bekommen die meinen Idealen entspricht. Stellt sich mir nur die Frage wie genau ein Pflichtteil errechnet wird. Bleibt bei 5 Mädels (also 5 Fünfteln?) denn überhaupt was über, oder verringert sich ein Pflichtteil wenn noch jemand (Institution, andere Personen die nicht zur Familie gehören) erbberechtigt sein soll.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Gerechtigkeit ist, wenn alle menschlichen Embryos, die älter als 3 Monate sind, von der Gesellschaft ein Recht bekommen, an Altersschwäche zu sterben.

Zeilinger
 
Ziesemann schrieb:
Der Meinung kann man sein; aber vielleicht bergündest Du sie noch. - Danke im voraus. - Ziesemann
Ich denke der Mensch übertreibt mit seiner Bindung zueinander.
Als ich mit meinem Mann zusammenzog, war meine erste Handlung den 27jährigen Sohn meines Mannes ,aus der Wohnung zu vertreiben.
Ich ließ ihn nicht fallen, sondern bot ihm meine Wohnung an.
Dabei stand Eifersucht und Dominanz bei meiner Tat nicht im Vordergrund,
vielmehr ging es mir darum ihn selbstständig werden zu lassen und ihm dadurch Selbstvertrauen zu geben.
Ich nenne dies einen Abnabelungsprozeß, danach sollten beide Parteien in Freundschaft und Liebe vereint sein und nicht mehr durch Abhängigkeiten aneinander gebunden.

Ich selbst habe geerbt, sah dies aber immer als Geschenk und nicht als meinen selbstverständlichen Besitz an
und freue mich über diese Aufmerksamkeit die mich wirklich unterstützte.
Wenn mein Erblasser sein Vermögen für sich oder für andere ausgegeben hätte, würde ich dies auch gutheißen
(Wenn er sich mehr gegönnt hätte, wär es mir eine Freude gewesen.
Das Geld hätte ich mir auch erspart und ist mit seinem Leben nicht aufzuwiegen.)

MfG

Triskell
 
@ Zeilinger

Ich hätte da eine Frage: Warum beschränkst du das Recht auf Leben auf die Zeit nach 3 Monaten?

Wenn man die Weltreligionen zu Rate ziehen will, dann ist jedes Leben geschützt und nicht einer Definition unterworfen.

Wenn man die Wissenschaft zu Rate zieht, dann ist bereits bei der Befruchtung eigentlich jegliche Information vorhanden, die letztlich zum Lebewesen führt.

Warum nehmen wir uns hier eigentlich das Recht, Leben zu definieren?
 
Salem schrieb:
Haben wir denn nun alle Varianten durch?
Nein, liebe(r) Salem, haben wir nicht. - Mit etwas Phantasie sind fast infinitesimale Varianten denkbar.

salem schrieb:
Ich würde sagen das erstmal alles Geld (wir mißachten ja den Pflichtteilsanspruch) an eine mir zusagende vertrauenswürdige Institution vererbt wird. Es würde dann das Materielle überbleiben, also Auto, Haus, Schmuck, von diesem sollten die Kinder sich einige Erinnerungsstücke auswählen und den Rest dann veräußern, der daraus erzielte Gewinn muß durch alle Mädchen gleichmäßig geteilt werden. Unter Einbeziehung der Pflichtteilsanspruchs bekommt halt jede Tochter ihren Pflichtteil und alles was darüberhinaus vorhanden ist würde dann eine Organisation bekommen die meinen Idealen entspricht. Stellt sich mir nur die Frage wie genau ein Pflichtteil errechnet wird. Bleibt bei 5 Mädels (also 5 Fünfteln?) denn überhaupt was über, oder verringert sich ein Pflichtteil wenn noch jemand (Institution, andere Personen die nicht zur Familie gehören) erbberechtigt sein soll.
Den Pflichtteilsanspruch "missachten" wir mitnichten, ich hatte nur gebeten, ihn sozusagen aus didaktischen Gründen außen vor zu lassen, um das Modell zu vereinfachen. Mit Deiner konkreten Beschreibung wird die Aufteilung noch komplizierter. Mühelos ist Streit um den Schmuck denkbar: Wer bekommt welchen. Riesenproblem ist, wer das Haus bekommt, denn er wäre doch dann ausgleichspflichtig usw. Eine "gerechte" Erbteilung soll aber doch Frieden schaffen, der ein Werk der Gerechtigkeit ist.
Salem aleikum - Ziesemann
 
Triskell schrieb:
Ich denke der Mensch übertreibt mit seiner Bindung zueinander.
Als ich mit meinem Mann zusammenzog, war meine erste Handlung den 27jährigen Sohn meines Mannes ,aus der Wohnung zu vertreiben.
Ich ließ ihn nicht fallen, sondern bot ihm meine Wohnung an.
Es ist nicht ganz leicht, auf einen so persönlichen Beitrag zu antworten.
Die Frage der zu engen Bindung scheint mir aber keine der Gerechtigkeit sondern der Psychologie zu sein. Grundsätzlich neige ich Deiner Meinung zu: Irgendwann muss man die Brut mal aus dem Nest verjagen, wenn sie flügge geworden sind.


Triskell schrieb:
Ich nenne dies einen Abnabelungsprozeß, danach sollten beide Parteien in Freundschaft und Liebe vereint sein und nicht mehr durch Abhängigkeiten aneinander gebunden.
D'accord

Triskell schrieb:
Ich selbst habe geerbt, sah dies aber immer als Geschenk und nicht als meinen selbstverständlichen Besitz an
Triskell
Darf ich mit einem Dichterwort antworten? "Was Su ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es um es zu besitzen" (Goethe Faust II)

@ Louiz30 und Zeilinger

Bitte verzeiht, dass ich auf Eure an sich diskussionswürdigen Beiträge nicht näher eingehe, aber sie führen vom Thema weg.


Ich verbleibe natürlich mit besten Grüßen an alle - Ziesemann
 
Zuletzt bearbeitet:
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louiz30 schrieb:
Ich hätte da eine Frage: Warum beschränkst du das Recht auf Leben auf die Zeit nach 3 Monaten??
Seit ich davon überzeugt bin (wurde), dass auch aus Vergewaltigungen Kinder entstehen können. Was soll denn die Mutter auf die Frage des Kindes antworten, ob es denn ein Wunschkind sei ?!

Wenn man die Weltreligionen zu Rate ziehen will, dann ist jedes Leben geschützt und nicht einer Definition unterworfen.?

Wenn man die Wissenschaft zu Rate zieht, dann ist bereits bei der Befruchtung eigentlich jegliche Information vorhanden, die letztlich zum Lebewesen führt.

Warum nehmen wir uns hier eigentlich das Recht, Leben zu definieren ?
Es war ein Versuch, Gerechtigkeit zu definieren und dieser Wunsch steckt ja auch im Titel Deines threads, oder ? Bitte in meine Worte nicht immer unbedingt mehr hineinzuinterpretieren, als tatsächlich vorhanden ist. Es ist ja ein Diskussionsbeitrag und stellt keinen Anspruch, als Roman betrachtet zu werden.

Zeili
 
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