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Sollte die Metaphysik überwunden werden oder ist das gar nicht möglich?

In der Forschung herrscht Einigkeit darüber, dass sich Heidegger im nationalsozialistischen Deutschland nicht nur engagierte, sondern mit Begeisterung auf der Seite dessen stand, was er eine „Nationale Revolution“ nannte und als solche verstand.[2] 1930 begann er, den Völkischen Beobachter zu lesen.[3] 1932 wählte er die NSDAP.[4] Bis etwa 1934 oder 1935 verband er Hoffnungen mit den revolutionären Impulsen der „Bewegung“, die er in Adolf Hitler verkörpert sah.[5]

Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wollte er an der Umgestaltung der Gesellschaft mitwirken, besonders durch die Einführung des Führerprinzips an den Universitäten. Am 21. April 1933 wurde er von seinen Kollegen zum Rektor der Universität Freiburg gewählt und trat am 1. Mai 1933 der NSDAP bei, die seinen Beitritt öffentlich feierte.[6]

Bei allen Bekenntnissen Heideggers zum Nationalsozialismus war sein Verhalten ambivalent. So bemühte er sich als Rektor in mehreren Fällen, das Schicksal jüdischer Hochschulangehöriger im Rahmen des Möglichen zu lindern.[7] Andererseits denunzierte er einen jüdischen und einen nicht-jüdischen Kollegen.[8] In politischen Reden, viele davon vor Studenten gehalten, huldigte er Adolf Hitler, der für ihn damals nahezu messianische Züge bekam.[9] Anlässlich der Kundgebung des Nationalsozialistischen Lehrerbundes (NSLB) am 11. November 1933 in Leipzig hielt er vor tausenden von Zuhörern eine der konstituierenden Reden zum Bekenntnis der deutschen Professoren zu Adolf Hitler. Am 1. Dezember 1933 trat Heidegger auch dem NSLB bei. Anfang 1934 legte er sein Rektorenamt frühzeitig nieder und trat bei NSDAP-Aktivitäten nicht mehr hervor, blieb aber bis zum Ende der nationalsozialistischen Herrschaft 1945 Beitrag zahlendes Parteimitglied.[10]

https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Heidegger_und_der_Nationalsozialismus

Da gibt es nicht mehr viel zum schön reden, nicht wahr?
.

Nun es geht nicht darum etwas "schön zu reden", sondern einen Philosophen sachgemäß und gerecht zu beurteilen. Ich würde daher nach meinen Beurteilungskriterien nicht sagen, dass Heidegger ein "strammer " /"gewöhnlicher" Nazi war. Denn was Heidegger unter Nationalsozialismus verstand, ist meines Erachtens auch etwas was nicht unbedingt auf der politischen Linie der NS Partei lag. Das Heidegger anfangs von Hitler und seiner Bewegung begeistert war , das ist sehr wahrscheinlich und auch naheliegend. Aber er hat vermutlich diese "Begeisterung" für diese "Bewegung" später wieder relativiert.

Ich gebe mal ein beispielhaftet Zitat aus den Schwarzen Heften Heideggers dazu (1940er Jahre), die Sie vermutlich nicht kennen:

"Angenommen (eine Rechnung, die schon ungeschichtlich <denkt> ) Hitler und seine Helfershelfer seien nicht auf - und <an> die Macht und durch diese ver-kommen, wäre dadurch die Wirklichkeit von Amerika und Rußland , wie sie ist , im Geringsten (wesentlich gedacht) geändert worden? Im Gegenteil: der Andrang dieses Wirklichen wäre nur verschleiert und vielleicht noch schrecklicher geblieben. Dadurch ist Hitler nicht geschicklich <gerechtfertigt> , was wiederum ein fragwürdiges Vorhaben ist. Überdies stehen Amerika und Rußland ihrerseits in einem Weltgeschick, das sie nicht machen, sondern nur vollziehen."

Heidegger Gesamtausgabe Band 97, S.150

Meine Frage: Klingt so für Sie ein "strammer Nazi" und "Hitlerbegeisteter" ? Ich denke mal nicht oder?

Ich bin der Meinung, dass man es sich nicht so einfach in der Be oder Verteilung von Heidegger machen sollte und erlaube mir etwas Kritik an Ihrer Auffasung hier.

Zudem ist Heideggers sog. phil. Hauptwerk "Sein und Zeit" nicht von NS-Ideologie befallen.

Man kann natürlich über Heidegger und seine Rolle im Nationalsozialismus kontrovers diskutieren, aber das setzt natürlich auch voraus, dass man Heidegger selbst mal gelesen haben sollte (und nicht nur wikipedia anführt). Und mein Eindruck ist der, dass das bei Ihnen in der Beurteilung von Heidegger etwas "zu kurz" kommt oder? Oder haben Sie Heidegger selbst auch etwas gelesen? Jeder , der diesen Philosophen ein wenig gelesen hat, müsste eigentlich zu einem "differenzierten" Urteil über diesen kommen. Wenn man ihn als "strammen Nazi" einfach nur abtut, macht man es sich zu einfach eben. Was sagen Sie denn zu dem angeführten Zitat aus den "Schwarzen Heften" ? Huldigt Heidegger dort (immernoch) Hitler etwa?

PS: Man muss jetzt natürlich aufpassen, dass der Thread hier jetzt nicht zu sehr zu einer politischen Diskussion über Heidegger "ausufert", denn das eigentliche Thema bleibt ja die Metaphysik-Frage. Ich habe aber nichts dagegen,wenn man diese politische Rolle Heideggers in einem Thread gern kontrovers weiter diskutiert. Das noch als Anmerkung. Sie können auch gern dieses Thread aufmachen.
 
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Philosophie und Mathe sind sich sehr ähnlich. Beide basieren auf Logik-Kalkülen. Man nennt Mathematik die Königin der Wissenschaften und Philosophie ist das Dach der Wissenschaften.

Sehr interessantes Buch übrigens: https://de.wikipedia.org/wiki/Einführung_in_die_mathematische_Philosophie


Ja, philosophiegeschichtlich gesehen, gibt es einen Zusammenhang zwischen Philosophie und Mathematik und Platon/Aristoteles haben sich philosophisch auch mit der Mathematik beschäftigt. Aristoteles gilt ja bekanntlich als "Vater der Logik". Ich danke für den Link!
 
Das mache ich ja auch. Im Grunde verachte ich Gläubige. Doch andererseits will ich keinen Krieg mit ihnen vom Zaun brechen. Man kann wunderbar koexistieren und außerdem finde ich Religionen interessant. Natürlich nur von einem nicht-spirituellen, historischen und systemtheoretischen Standpunkt aus.

Nun, das kann ich gut nachvollziehen und geht mir ähnlich. Es spricht ja nichts von einem historisch-wissenschaftlichen Standpunkt aus Religionen zu "erforschen".
 
Nun es geht nicht darum etwas "schön zu reden", sondern einen Philosophen sachgemäß und gerecht zu beurteilen. Ich würde daher nach meinen Beurteilungskriterien nicht sagen, dass Heidegger ein "strammer " /"gewöhnlicher" Nazi war. Denn was Heidegger unter Nationalsozialismus verstand, ist meines Erachtens auch etwas was nicht unbedingt auf der politischen Linie der NS Partei lag. Das Heidegger anfangs von Hitler und seiner Bewegung begeistert war , das ist sehr wahrscheinlich und auch naheliegend. Aber er hat vermutlich diese "Begeisterung" für diese "Bewegung" später wieder relativiert.

Ich gebe mal ein beispielhaftet Zitat aus den Schwarzen Heften Heideggers dazu (1940er Jahre), die Sie vermutlich nicht kennen:

"Angenommen (eine Rechnung, die schon ungeschichtlich <denkt> ) Hitler und seine Helfershelfer seien nicht auf - und <an> die Macht und durch diese ver-kommen, wäre dadurch die Wirklichkeit von Amerika und Rußland , wie sie ist , im Geringsten (wesentlich gedacht) geändert worden? Im Gegenteil: der Andrang dieses Wirklichen wäre nur verschleiert und vielleicht noch schrecklicher geblieben. Dadurch ist Hitler nicht geschicklich <gerechtfertigt> , was wiederum ein fragwürdiges Vorhaben ist. Überdies stehen Amerika und Rußland ihrerseits in einem Weltgeschick, das sie nicht machen, sondern nur vollziehen."

Heidegger Gesamtausgabe Band 97, S.150

Meine Frage: Klingt so für Sie ein "strammer Nazi" und "Hitlerbegeisteter" ? Ich denke mal nicht oder?

Ich bin der Meinung, dass man es sich nicht so einfach in der Be oder Verteilung von Heidegger machen sollte und erlaube mir etwas Kritik an Ihrer Auffasung hier.

Zudem ist Heideggers sog. phil. Hauptwerk "Sein und Zeit" nicht von NS-Ideologie befallen.

Man kann natürlich über Heidegger und seine Rolle im Nationalsozialismus kontrovers diskutieren, aber das setzt natürlich auch voraus, dass man Heidegger selbst mal gelesen haben sollte (und nicht nur wikipedia anführt). Und mein Eindruck ist der, dass das bei Ihnen in der Beurteilung von Heidegger etwas "zu kurz" kommt oder? Oder haben Sie Heidegger selbst auch etwas gelesen? Jeder , der diesen Philosophen ein wenig gelesen hat, müsste eigentlich zu einem "differenzierten" Urteil über diesen kommen. Wenn man ihn als "strammen Nazi" einfach nur abtut, macht man es sich zu einfach eben. Was sagen Sie denn zu dem angeführten Zitat aus den "Schwarzen Heften" ? Huldigt Heidegger dort (immernoch) Hitler etwa?

PS: Man muss jetzt natürlich aufpassen, dass der Thread hier jetzt nicht zu sehr zu einer politischen Diskussion über Heidegger "ausufert", denn das eigentliche Thema bleibt ja die Metaphysik-Frage. Ich habe aber nichts dagegen,wenn man diese politische Rolle Heideggers in einem Thread gern kontrovers weiter diskutiert. Das noch als Anmerkung. Sie können auch gern dieses Thread aufmachen.

Mir zeigt dies nur, viel Wind um Heideggers Denken, wo das Fundament überhaupt noch nicht existiert, weder von Innen, noch von Außen.
Löchrig wie ein Schweizer Käse.
 
Nun es geht nicht darum etwas "schön zu reden", sondern einen Philosophen sachgemäß und gerecht zu beurteilen. Ich würde daher nach meinen Beurteilungskriterien nicht sagen, dass Heidegger ein "strammer " /"gewöhnlicher" Nazi war. Denn was Heidegger unter Nationalsozialismus verstand, ist meines Erachtens auch etwas was nicht unbedingt auf der politischen Linie der NS Partei lag. Das Heidegger anfangs von Hitler und seiner Bewegung begeistert war , das ist sehr wahrscheinlich und auch naheliegend. Aber er hat vermutlich diese "Begeisterung" für diese "Bewegung" später wieder relativiert.

Ich gebe mal ein beispielhaftet Zitat aus den Schwarzen Heften Heideggers dazu (1940er Jahre), die Sie vermutlich nicht kennen:

"Angenommen (eine Rechnung, die schon ungeschichtlich <denkt> ) Hitler und seine Helfershelfer seien nicht auf - und <an> die Macht und durch diese ver-kommen, wäre dadurch die Wirklichkeit von Amerika und Rußland , wie sie ist , im Geringsten (wesentlich gedacht) geändert worden? Im Gegenteil: der Andrang dieses Wirklichen wäre nur verschleiert und vielleicht noch schrecklicher geblieben. Dadurch ist Hitler nicht geschicklich <gerechtfertigt> , was wiederum ein fragwürdiges Vorhaben ist. Überdies stehen Amerika und Rußland ihrerseits in einem Weltgeschick, das sie nicht machen, sondern nur vollziehen."

Heidegger Gesamtausgabe Band 97, S.150

Meine Frage: Klingt so für Sie ein "strammer Nazi" und "Hitlerbegeisteter" ? Ich denke mal nicht oder?

Ich bin der Meinung, dass man es sich nicht so einfach in der Be oder Verteilung von Heidegger machen sollte und erlaube mir etwas Kritik an Ihrer Auffasung hier.

Zudem ist Heideggers sog. phil. Hauptwerk "Sein und Zeit" nicht von NS-Ideologie befallen.

Man kann natürlich über Heidegger und seine Rolle im Nationalsozialismus kontrovers diskutieren, aber das setzt natürlich auch voraus, dass man Heidegger selbst mal gelesen haben sollte (und nicht nur wikipedia anführt). Und mein Eindruck ist der, dass das bei Ihnen in der Beurteilung von Heidegger etwas "zu kurz" kommt oder? Oder haben Sie Heidegger selbst auch etwas gelesen? Jeder , der diesen Philosophen ein wenig gelesen hat, müsste eigentlich zu einem "differenzierten" Urteil über diesen kommen. Wenn man ihn als "strammen Nazi" einfach nur abtut, macht man es sich zu einfach eben. Was sagen Sie denn zu dem angeführten Zitat aus den "Schwarzen Heften" ? Huldigt Heidegger dort (immernoch) Hitler etwa?

PS: Man muss jetzt natürlich aufpassen, dass der Thread hier jetzt nicht zu sehr zu einer politischen Diskussion über Heidegger "ausufert", denn das eigentliche Thema bleibt ja die Metaphysik-Frage. Ich habe aber nichts dagegen,wenn man diese politische Rolle Heideggers in einem Thread gern kontrovers weiter diskutiert. Das noch als Anmerkung. Sie können auch gern dieses Thread aufmachen.

Als es mit Hitler bergab ging, haben sich so manch stramme Nazis, von A.H. distanziert :oops: "komisch" nicht wahr? o_O
 
Mir zeigt dies nur, viel Wind um Heideggers Denken, wo das Fundament überhaupt noch nicht existiert, weder von Innen, noch von Außen.
Löchrig wie ein Schweizer Käse.

Nun diesen Wind um Heideggers Denken gibt es natürlich nach wie vor. Aber was meinst du hier mit "Fundament" genau? Das Bild ist natürlich nicht schlecht gewählt...:cool:
 
Als es mit Hitler bergab ging, haben sich so manch stramme Nazis, von A.H. distanziert :oops: "komisch" nicht wahr? o_O

Naja, man müsste erstmal klären, was man unter einem "strammen Nazi" genau versteht und ob das auch für Heidegger zutreffend ist. Bzw. welche Kriterien man für dieses Urteil anführt. Ich habe da offen gesagt Zweifel daran, dass es wirklich überzeugende (sachliche) Gründe gibt, Heidegger als "strammen Nazi" zu bezeichnen. Das Heidegger Hitler anfangs anders beurteilt hat anscheinend, legt dieses Brief -Zitat (Brief an seinen Bruder Fritz) nahe:

"Es sieht so aus, als ob Deutschland erwacht und sein Schicksal begreift und erfaßt. Ich wünsche sehr, daß du Dich mit dem Hitlerbuch, das in den selbstbiopgraphischen Anfangskapiteln schwach ist , auseinandersetztest. Daß dieser Mensch einen ungewöhnlichen und sicheren, politischen Instinkt hat und eben schon gehabt hat, wo wir alle noch benebelt waren, das darf kein Einsichtiger mehr bestreiten. Der nationalsozialistischen Bewegung werden künftig noch ganz andere Kräfte zuwachsen. Es geht nicht um kleine Parteipolitik mehr, sondern um Rettung oder Untergang Europas und der abendländischen Kultur. Wer das auch jetzt noch nicht begreift, der ist wert, im Chaos zerrieben zu werden. Die Besinnung auf diese Dinge stört nicht den Weihnachtsfrieden, sondern führt zurück in das Wesen und die Aufgabe der Deutschen, das heißt dorthin, wo die Gestalt dieses wundervollen Festes ihren Ursprung hat."

Heidegger und der Antisemitismus, Herder Verlag 2016, S.21f.> Brief von 1931

Und:

" (...) Es zeigt sich ja von Tag zu Tag, in welche Größe jetzt Hitler als Staatsmann hinaufwächst. Die Welt unseres Volkes und des Reiches ist in der Umbildung begriffen, und jeder, der noch Augen hat zu sehen und Ohren zu hören und ein Herz zum Handeln wird mitgerissen und in eine echte und tiefe Erregung versetzt- wir begegnen um uns wieder einer großen Wirklichkeit und zugleich der großen Bedrängnis, dieser Wirklichkeit in die geistige Welt des Reiches und den geheimen Auftrag deutschen Wesens hineinzubauen. (...)

S.35, > Brief von 1933

und auch sehr wichtig:

"Inzwischen bekam ich auch , ohne weiteres Zutun, den Entnazifizierungbescheid: Mitläufer, ohne Sühnemaßnahmen; der Zusatz ist besonders pikant. Mitläufer des Seyns war ich schon immer und möchte ich auch bleiben. Im übrigen bedeutet doch Entnazifiezierung soviel wie:man ist jetzt endgültig als Nazi abgestempelt; man wird so etwas , was man gar nicht war in dem Sinne, wie die Welt das meint."

S.142 (aus dem selben Buch)

Besonders in diesem Zitat wird ja da deutlich , dass Heidegger sich nur als "Mitläufer des Seyns" gesehen und eben nicht als üblicher Nazi. Er hat sich dagegen im Grunde gewehrt, so "abgestempelt" zu werden. Er war jedenfalls seinem Selbsverständnis nach kein üblicher NS-Mitläufer.

Aus der Forschung zwei Stimmen es dazu. Die erste lautet wie folgt:

"Heideggers Begeisterung für den Nationalsozialismus kühlte sich bald ab, da sie keine Gegenliebe fand. Die Nationalsozialisten konnten mit dem Sein nichts anfangen, während er ihrer Rassenideologie und ihrem phobischen Judenhass fernstand. Den Abschied von seinem Sitz auf dem hohen Ross des Nationalsozialismus markiert 1934 die Niederlegung des Rektoramtes. Fortan wird für ihn Hölderlin der Nachfolger Hitlers als Träger der Plakatwahrheit."

Aus dem selben Buch, S.338

und:

"Mit dieser Kritik, die bereits während der Rektoratszeit einsetzt, wandelt sich Heideggers Verhältnis zum Nationalsozialismus. Nun geht er zu ihm auf Distanz, nämich zum real existierenden Nationalssozialismus, den er jetzt als <Vulgärnationalsozialismus> (GA 94, 142) bezeichnet. Zugleich hält er jedoch am Nationalsozialismus fest, an jenem nämlich, der ihm vorschwebt und dessen Realisierung ihm nur aufgeschoben scheint. Er nennt ihn <geistigen Nationalsozialismus> (GA 94 , 135, 136). Seiner Enttäuschung über den Vulgärnationalsozialismus gibt er reichlich Ausdruck; ihm gegegnüber sieht er sich als <Widerständigen> (GA 94, 171; cf. 159, 164, 352, 156)". Dabei macht er klar, daß seine Widerständigkeit eine andere ist als die der bürgerlich christlich-humanistischen Reaktion: diese nimmt Anstoß an der Radikalität, er hingegen an der Zahnlosigkeit und Kompromißbereitschaft der Bewegung. Sein Blick ist nicht nostalgisch auf die vorrevolutionären Zustände, sondern vorrausschauend auf die <ferne Verfügung> gerichtet. Im Hinblick auf diese kann er , wie in der Vorlesung vom Sommersemester 1935, nach wie vor von der <inneren Wahrheit und Größe > des Nationalsozialismus sprechen (GA 40, 208; zu der in Klammer hinzugefügten <Erläuterung>, bei der es sich in Wahrheit um eine nachträglich beschönigende Umdeutung handeln dürfte, vgl. GA 16, 667 f.)".

Derjenige , der diese Zeilen verfasst hat, spricht auch von Heideggers "seinsgeschichtlichen (Privat)nationalsozialismus" (S.383).

Fassen wir zusammen: Heidegger war zwar anfangs von der Hitler-Bewegung begeistert wie die beiden anfangs zitierten Briefe zeigen (das soll aber auch nicht bestritten sein), es kam aber später eben zu einer Abkühlung und Distanzierung zu der real existierenden NS-Bewegung, die er als "Vulgärnationalsozialismus" bezeichnet. Dagegen hält er am "geistigen Nationalsozialismus" fest, was aber nicht dasselbe ist. Und diesen kann man auch als "seinsgeschichtlichen (Privat) nationalsozialismus " sehen. Man muss also letztlich das Ganze differenzierter betrachten einfach: Heidegger selbst sah sich nur als "Mitläufer des Seyns" und nicht als üblichen , strammen Nazi (dagegen hat er sich ja gewehrt so "abgestempelt" zu werden), so wie Sie ihn hier darstellen und es sich im Grunde damit zu einfach machen in der Beurteilung dieses Philosophen. Heidegger Verhältnis zum Nationalsozialismus hat aber genau gesehen sich schon nach der Niederlegung des Rektorats (1934) gewandelt hin zu einer allmählichen Distanz zu dieser Bewegung und nicht erst, nachdem es mit Hitler "bergab" ging. Sie sehen, das Ganze ist etwas komplexer und nicht so einfach wie das oft ohne Heidegger -Kenntnis einfach gesagt wird. Kurz: Sie machen es sich zu einfach. Und man muss den Fall Heidegger sachlich differenzierter sehen. Was an dieser Distanzierung zur NS -Bewegung, die schon 1934 bei Heidegger einsetzt (und nicht erst später), "komisch" sein mag, erschließt sich mir nicht wirklich. Heidegger kann also letztlich kein gewöhnlicher , strammer Nazi gewesen sein.

PS: Man verzeihe mir diesen längeren Beitrag. Aber der Fall Heidegger ist eben sachlich komplexer und verlangt eben auch manchmal eine ausführlichere , aber damit auch wirklich sachliche Stellungnahme, die der Komplexität dieses Falls (von Heidegger) eben gerecht wird, da sie auf mehrere Quellen eben dabei Bezug nimmt (und sich nicht nur allein auf wikipedia beruft). Wie gesagt, manche machen es sich in der Beurteilung von Heidegger eben recht einfach, da sie nicht wirklich sachlich differenziert dabei vorgehen. An solchen sei hier meine (sachliche) Kritik geübt. Das es auch anders geht (also sachlich differenzierter), zeigt ja dieser Beitrag, der eben als sachliches "Kontra" zu dem davor gesagten nötig war. Und das gehört ja auch zu einer kontroversen Diskussion dazu.
 
Zuletzt bearbeitet:
Naja, man müsste erstmal klären, was man unter einem "strammen Nazi" genau versteht und ob das auch für Heidegger zutreffend ist. Bzw. welche Kriterien man für dieses Urteil anführt. Ich habe da offen gesagt Zweifel daran, dass es wirklich überzeugende (sachliche) Gründe gibt, Heidegger als "strammen Nazi" zu bezeichnen. Das Heidegger Hitler anfangs anders beurteilt hat anscheinend, legt dieses Brief -Zitat (Brief an seinen Bruder Fritz) nahe:

"Es sieht so aus, als ob Deutschland erwacht und sein Schicksal begreift und erfaßt. Ich wünsche sehr, daß du Dich mit dem Hitlerbuch, das in den selbstbiopgraphischen Anfangskapiteln schwach ist , auseinandersetztest. Daß dieser Mensch einen ungewöhnlichen und sicheren, politischen Instinkt hat und eben schon gehabt hat, wo wir alle noch benebelt waren, das darf kein Einsichtiger mehr bestreiten. Der nationalsozialistischen Bewegung werden künftig noch ganz andere Kräfte zuwachsen. Es geht nicht um kleine Parteipolitik mehr, sondern um Rettung oder Untergang Europas und der abendländischen Kultur. Wer das auch jetzt noch nicht begreift, der ist wert, im Chaos zerrieben zu werden. Die Besinnung auf diese Dinge stört nicht den Weihnachtsfrieden, sondern führt zurück in das Wesen und die Aufgabe der Deutschen, das heißt dorthin, wo die Gestalt dieses wundervollen Festes ihren Ursprung hat."

Heidegger und der Antisemitismus, Herder Verlag 2016, S.21f.> Brief von 1931

Und:

" (...) Es zeigt sich ja von Tag zu Tag, in welche Größe jetzt Hitler als Staatsmann hinaufwächst. Die Welt unseres Volkes und des Reiches ist in der Umbildung begriffen, und jeder, der noch Augen hat zu sehen und Ohren zu hören und ein Herz zum Handeln wird mitgerissen und in eine echte und tiefe Erregung versetzt- wir begegnen um uns wieder einer großen Wirklichkeit und zugleich der großen Bedrängnis, dieser Wirklichkeit in die geistige Welt des Reiches und den geheimen Auftrag deutschen Wesens hineinzubauen. (...)

S.35, > Brief von 1933

und auch sehr wichtig:

"Inzwischen bekam ich auch , ohne weiteres Zutun, den Entnazifizierungbescheid: Mitläufer, ohne Sühnemaßnahmen; der Zusatz ist besonders pikant. Mitläufer des Seyns war ich schon immer und möchte ich auch bleiben. Im übrigen bedeutet doch Entnazifiezierung soviel wie:man ist jetzt endgültig als Nazi abgestempelt; man wird so etwas , was man gar nicht war in dem Sinne, wie die Welt das meint."

S.142 (aus dem selben Buch)

Besonders in diesem Zitat wird ja da deutlich , dass Heidegger sich nur als "Mitläufer des Seyns" gesehen und eben nicht als üblicher Nazi. Er hat sich dagegen im Grunde gewehrt, so "abgestempelt" zu werden. Er war jedenfalls seinem Selbsverständnis nach kein üblicher NS-Mitläufer.

Aus der Forschung zwei Stimmen es dazu. Die erste lautet wie folgt:

"Heideggers Begeisterung für den Nationalsozialismus kühlte sich bald ab, da sie keine Gegenliebe fand. Die Nationalsozialisten konnten mit dem Sein nichts anfangen, während er ihrer Rassenideologie und ihrem phobischen Judenhass fernstand. Den Abschied von seinem Sitz auf dem hohen Ross des Nationalsozialismus markiert 1934 die Niederlegung des Rektoramtes. Fortan wird für ihn Hölderlin der Nachfolger Hitlers als Träger der Plakatwahrheit."

Aus dem selben Buch, S.338

und:

"Mit dieser Kritik, die bereits während der Rektoratszeit einsetzt, wandelt sich Heideggers Verhältnis zum Nationalsozialismus. Nun geht er zu ihm auf Distanz, nämich zum real existierenden Nationalssozialismus, den er jetzt als <Vulgärnationalsozialismus> (GA 94, 142) bezeichnet. Zugleich hält er jedoch am Nationalsozialismus fest, an jenem nämlich, der ihm vorschwebt und dessen Realisierung ihm nur aufgeschoben scheint. Er nennt ihn <geistigen Nationalsozialismus> (GA 94 , 135, 136). Seiner Enttäuschung über den Vulgärnationalsozialismus gibt er reichlich Ausdruck; ihm gegegnüber sieht er sich als <Widerständigen> (GA 94, 171; cf. 159, 164, 352, 156)". Dabei macht er klar, daß seine Widerständigkeit eine andere ist als die der bürgerlich christlich-humanistischen Reaktion: diese nimmt Anstoß an der Radikalität, er hingegen an der Zahnlosigkeit und Kompromißbereitschaft der Bewegung. Sein Blick ist nicht nostalgisch auf die vorrevolutionären Zustände, sondern vorrausschauend auf die <ferne Verfügung> gerichtet. Im Hinblick auf diese kann er , wie in der Vorlesung vom Sommersemester 1935, nach wie vor von der <inneren Wahrheit und Größe > des Nationalsozialismus sprechen (GA 40, 208; zu der in Klammer hinzugefügten <Erläuterung>, bei der es sich in Wahrheit um eine nachträglich beschönigende Umdeutung handeln dürfte, vgl. GA 16, 667 f.)".

Derjenige , der diese Zeilen verfasst hat, spricht auch von Heideggers "seinsgeschichtlichen (Privat)nationalsozialismus" (S.383).

Fassen wir zusammen: Heidegger war zwar anfangs von der Hitler-Bewegung begeistert wie die beiden anfangs zitierten Briefe zeigen (das soll aber auch nicht bestritten sein), es kam aber später eben zu einer Abkühlung und Distanzierung zu der real existierenden NS-Bewegung, die er als "Vulgärnationalsozialismus" bezeichnet. Dagegen hält er am "geistigen Nationalsozialismus" fest, was aber nicht dasselbe ist. Und diesen kann man auch als "seinsgeschichtlichen (Privat) nationalsozialismus " sehen. Man muss also letztlich das Ganze differenzierter betrachten einfach: Heidegger selbst sah sich nur als "Mitläufer des Seyns" und nicht als üblichen , strammen Nazi (dagegen hat er sich ja gewehrt so "abgestempelt" zu werden), so wie Sie ihn hier darstellen und es sich im Grunde damit zu einfach machen in der Beurteilung dieses Philosophen. Heidegger Verhältnis zum Nationalsozialismus hat aber genau gesehen sich schon nach der Niederlegung des Rektorats (1934) gewandelt hin zu einer allmählichen Distanz zu dieser Bewegung und nicht erst, nachdem es mit Hitler "bergab" ging. Sie sehen, das Ganze ist etwas komplexer und nicht so einfach wie das oft ohne Heidegger -Kenntnis einfach gesagt wird. Kurz: Sie machen es sich zu einfach. Und man muss den Fall Heidegger sachlich differenzierter sehen. Was an dieser Distanzierung zur NS -Bewegung, die schon 1934 bei Heidegger einsetzt (und nicht erst später), "komisch" sein mag, erschließt sich mir nicht wirklich. Heidegger kann also letztlich kein gewöhnlicher , strammer Nazi gewesen sein.

PS: Man verzeihe mir diesen längeren Beitrag. Aber der Fall Heidegger ist eben sachlich komplexer und verlangt eben auch manchmal eine ausführlichere , aber damit auch wirklich sachliche Stellungnahme, die der Komplexität dieses Falls (von Heidegger) eben gerecht wird, da sie auf mehrere Quellen eben dabei Bezug nimmt (und sich nicht nur allein auf wikipedia beruft). Wie gesagt, manche machen es sich in der Beurteilung von Heidegger eben recht einfach, da sie nicht wirklich sachlich differenziert dabei vorgehen. An solchen sei hier meine (sachliche) Kritik geübt. Das es auch anders geht (also sachlich differenzierter), zeigt ja dieser Beitrag, der eben als sachliches "Kontra" zu dem davor gesagten nötig war. Und das gehört ja auch zu einer kontroversen Diskussion dazu.

Vielen Dank für die Heidegger Briefe, nun kann ich erkennen, dass sich Heideggers
Ansichten über das NS Regime änderten und das er ideologisch Einsichtiger wurde.

Viele Nazis haben aus Angst vor Strafe, gelogen und abgestritten, was das Zeugs hält.
Aber einige hochrangige Nazis waren selbst vor Gericht standfest in ihrer Ideologie
und sie bereuten nichts und hielten immer noch ihrem Führer A.H. die Treue.
 
Kurzer Nachtrag zum längeren Beitrag davor, ohne die Smileys diesmal zu vergessen: Der Fall Heidegger ist sachlich komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint :cool:o_O
 
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Vielen Dank für die Heidegger Briefe, nun kann ich erkennen, dass sich Heideggers
Ansichten über das NS Regime änderten und das er ideologisch Einsichtiger wurde.

Viele Nazis haben aus Angst vor Strafe, gelogen und abgestritten, was das Zeugs hält.
Aber einige hochrangige Nazis waren selbst vor Gericht standfest in ihrer Ideologie
und sie bereuten nichts und hielten immer noch ihrem Führer A.H. die Treue.

Kein Problem. Das alles soll zu einer mehr sachlichen Diskussion führen.

Denn genau darauf wollte ich hinaus, dass man also die Komplexität dieses Falls wahrnimmt :cool:.

Nochmal aus meinem Beitrag davor zitiert:

"Inzwischen bekam ich auch , ohne weiteres Zutun, den Entnazifizierungbescheid: Mitläufer, ohne Sühnemaßnahmen; der Zusatz ist besonders pikant. Mitläufer des Seyns war ich schon immer und möchte ich auch bleiben. Im übrigen bedeutet doch Entnazifiezierung soviel wie:man ist jetzt endgültig als Nazi abgestempelt; man wird so etwas , was man gar nicht war in dem Sinne, wie die Welt das meint."

S.142 (aus dem selben Buch)

Besonders in diesem Zitat wird ja da deutlich , dass Heidegger sich nur als "Mitläufer des Seyns" gesehen und eben nicht als üblicher Nazi. Er hat sich dagegen im Grunde gewehrt, so "abgestempelt" zu werden. Er war jedenfalls seinem Selbsverständnis nach kein üblicher NS-Mitläufer.

Man muss also zwischen diesem und den anderen (gewöhnlicheren Nazis) differenzieren.

PS: Wie gesagt, man muss jetzt allerdings aufpassen, dass man nicht zu sehr vom eigentlichen Thema hier abdriftet. Man kann gern einen eigenen Thread zu Heideggers politischem Fall aufmachen und dann dort zu Heidegger in diesem Sinne weiter diskutieren.
 
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