Liebe Mara,
Du sprichst zwar Céline an, aber da Du das in diesem Thread tust und ich mich "mit verantwortlich" fühle für den locker-flockigen Spaßton, den meine durchaus sehr ernst gemeinte Frage inzwischen nach sich gezogen hat, möchte ich Deine Offenheit ebenso offen beantworten.
Dieses Gefühl, das Du beschreibst:
ich fühle mich wie auf dem schulhof, wo die anderen in grüppchen stehen und tuscheln und lachen und ich gehör mal wieder nicht dazu. es tut mir weh, umso mehr, als ich weiß, dass es nur mit mir selbst was zu tun hat.
kenne ich sehr gut, ging mir allzu oft genau so. Solche Empfindungen hören auch nicht auf, nur weil man inzwischen "erwachsen" geworden ist, sie setzen sich fort, wiederholen sich, und es spielt nur am Rande eine Rolle, daß der Schulhof inzwischen zum Arbeitsplatz, zur Party oder zum Forum geworden ist.
Ich bewundere, daß Du das so deutlich zum Ausdruck bringst und damit "Schwäche" zeigst, das birgt das Risiko, zusätzlich verletzt zu werden. Laß mich Dir bitte eines zu bedenken geben: Spaß machen, Herumflachsen, schlau über ernste Themen herumwitzeln und scheinbar alles nur oberflächlich abtun - das ist zumindest für mich sehr oft nichts weiter als "Tränen weglachen". Das tue ich nicht immer und nicht ständig, aber das ist meine Methode, mit Dingen, die mir weh tun, fertig zu werden. Damit will ich sagen: wenn Du hier in diesem Thread dieses Gefühl hast, daß "an Dir vorbei getuschelt und gekichert" wird, dann verspreche ich Dir von meiner Seite aus aufrichtig: für mich ist das Thema im Ausgangsposting noch nicht gegessen und erledigt, ich habe Eure Beiträge gelesen, ich denke immer noch darüber nach, ich habe teilweise damit Mühe, aufsteigende Verzweiflung zurückzudrängen und bin froh, mich zwischendurch mit Humor über meine bis zu 16 Stunden dauernden Arbeitstage zu retten.
Vielleicht wäre es angebrachter, dann Rückmeldung an Euch zu geben, die Ihr Euch die Mühe gemacht habt, Euch mit dem Thema auseinanderzusetzen, so in der Art "Sorry, wird länger dauern, bis ich das Thema durchdacht habe, also seid nicht ärgerlich, wenn eine Weile nix Ernsthaftes mehr kommt von mir". Ja, hätte ich wahrscheinlich tun sollen - ich möchte es hiermit nachholen.
Aktuelle Situation: wegen eigentlich (für mich jedenfalls) eher belanglosen Unstimmigkeiten hier im Forum sind für mich schmerzhafte Erinnerungen aufgebrochen, die ich in all dem Wirrwar der vergangenen Monate auf die Seite gestellt hatte. Das ist nicht unbedingt negativ, aber vielleicht kennst Du das: manchmal brechen Dinge zum scheinbar ungünstigsten Moment hervor und wollen sich wichtig machen. "Entscheidungsnot" habe ich diesen Thread genannt. Und in den vergangenen 2 Jahren habe ich so viele Entscheidungen getroffen, daß mir jetzt manchmal scheint, daß mir alles zu viel wird und ich mich den Konsequenzen nicht gewachsen fühle. Vor zwei Jahren lebte ich als ungebundene Lesbe in entsprechendem Umfeld, d.h. freundschaftliche Kontakte, Wohngegend, Lokale, auch politische Gruppen - fast alles, was das alltägliche Leben betrifft. Ich lebte in München, eine Stadt, die ich über 20 Jahre kannte und mochte, eine andere Heimat habe ich nie empfunden. Einen Job, in dem ich Karriere gemacht habe. Kurz: alles war vertraut.
Jetzt: meine Beziehung mit einem Mann, den ich nie bereuen werde, ich fühle mich mit ihm sehr wohl. Dennoch: durch meine Entscheidung für diesen Menschen habe ich so ziemlich alles, was mir vertraut und wert war verloren. Das Heteroleben ist anders, das klingt meist witzig, ich fühl's alles andere als lustig. Wir leben nun zusammen in einer Stadt, die mir verhaßt ist. Die Leute hier mag ich nicht (die mich übrigens auch nicht). Die Arbeit - auch wenn es "unsers" ist, mag ich auch nicht besonders und ich frage mich, wie ich meine Unabhängigkeit (ich hatte nie Familie) entbehren kann zugunsten zwar sehr lieber, aber doch auch präsenter Eltern und Freunde meines Partners. Simpel ausgedrückt: ich fühle mich wie ein Mensch auf einem anderen Planeten.
Und weil das so ist, genieße ich es wirklich, wenn ich hier - vielleicht wirklich albern? - meine Situation wegkichern kann und andere das mit tragen. So hat eben jeder seine Methode.
Tja, worauf will ich hinaus? Ja: es geht sicher nicht darum, andere auszulachen oder auszugrenzen, selbst wenn das auf Dich vielleicht so wirkt. Und zumindest für mich kann ich auch behaupten: mit "Oberflächlichkeit" hat Herumgeblödle höchstens insofern zu tun, daß manches, was weh tut, besser unter der Oberfläche "reifen" sollte. Es zu schnell an die falsche Stelle nach außen hervorbrechen zu lassen hat zumindest mir selten Gutes gebracht.
Wir haben nicht dieselbe "Sprache" wie Pferde (obwohl mir dieses Bild sehr gut gefällt). Aber vielleicht wird manches für Dich weniger Übelkeit erregend, wenn ich Dir meine Blödelei "übersetze"? Sie heißt meistens nix anderes als: laßt mich mitlachen - ich brauch's gerade.
Sei ganz lieb gegrüßt,
Franja