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An Austria - Was macht ihr bloß?

psbvbn1

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1. Oktober 2006
Beiträge
1.237
hallo, forianer!

dies soll hier v.a. an die ösis unter euch gehen. ich verfolge seit paar tagen, dass in den zeitungen immer wieder etwas über große regierungsschwierigkeiten in österreich geht, um affären, die die große koalition bedrohen. manche kommentatoren sprechen schon von neuwahlen.
ich habe aber hier im DF, einem österreichischen, noch nichts darüber gefunden, obwohl ich weiß, dass es hier einige politinteressierte austrianer gibt.
ich kenn die sachlage nicht so gut, will aber mit diesem thema eine lücke in meiner gegenwärtigen politischen bildung schließen, indem man mal die meinun von paar österreicher hört.

was habt ihr für eine einstellung zu dieser krise, wenn ich es so nennen darf?
 
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AW: An Austria - Was macht ihr bloß?

oh weia!

aus meiner sicht haben die beiden koalitionspartner von anfang an nicht zusammen gepasst....waren schon am anfang wie hund und katz`....haben sich aber zusammengerauft, damit sie miteinander an der macht bleiben können.

v.a. die SPÖ unter ihrem führer GUSENBAUER wollte unbedingt die machtposition behalten.
also haben sie halt g´schaut, dass es irgendwie miteinander geht.

dahinter haben sie sich die "hackl´n ins kreuz g´haut" - wie man auf wienerisch so schön sagt. :D

nun gibt es bestrebungen im bereich der geplitteten kleinparteien BZÖ und FPÖ zur wiedervereinigung.
gute voraussetzungen für die schwarze ÖVP, die dann wieder einen wesentlich praktischeren koalitionspartner hätte.
 
AW: An Austria - Was macht ihr bloß?

meine Sicht der "Dinge:"
Jetzt ganz kurz: bei der Nationalratswahl 1999 gelang es Schüssel ( ÖVP) als Obmann der drittstärksten Partei ( SPÖ = stimmenstärkste Partei) gemeinsam mit der FPÖ ( = zweitstärkste Partei) eine Koalition zu bilden unter der Führung der ÖVP: Kanzler Schüssel.

Die FPÖ kam in Schwierigkeiten, Grasser ( späterer Finanzminister ) ging formell als Parteiloser zur ÖVP; es kam 2002 zu Neuwahlen, bei der die Koalition ÖVP - FPÖ bestehen blieb. Jetzt mit eindeutiger Mehrheit der ÖVP. Das BZÖ spaltete sich von der FPÖ ab und setzte die Regierung mit der ÖVP fort.


Zur Nationalratswahl im Herbst 2006 traten neben einigen eindeutig kleineren Parteien ( Grüne, FPÖ,BZÖ Kommunisten ) die zwei alten großen Parteien SPÖ und ÖVP an.
Die SPÖ fuhr einen harten Oppositionswahlkampf und - zunächst ohne Hoffnung auf den Wahlsieg - versprachen sie das Blaue vom Himmel.

Zur großen Überraschung aller Österreicher gewann die SPÖ allerdings die NR-Wahl 2006 - mit knapp zwei Mandaten vor der ÖVP.

Eine Regierungsbildung mit den Grünen war nicht möglich - die hatten gemeinsam zu wenig Mandate: es kam wie in Deutschland: es blieb nur eine Große Koalition.... unter der Führung der SPÖ ungeliebt von Anfang an. Kanzler Gusenbauer.

Die ÖVP mit dem nunmehrigen Klubobmann Schüssel , der als graue Eminenz wähnt, weiterhin die österreichischen Politthemen vorgeben zu müssen, legte sich von Anfang an zu allen Arbeitsvorschlägen der SPÖ quer. Das war an sich nicht schwer, denn Gusenbauer hatte ja im Wahlkampf wirklich allen alles versprochen und musste in fast allen Fragen notwendige ( und vernünftige) Rückzieher machen.

Nun hat er am Sonntag einmal die Führungsrolle übernommen - er erklärte ( ungefähr so) , dass die im Koalitionsabkommen zum Jahr 2010 beschlossene Steuerreform aufgrund der guten Wirtschaftsdaten bereits 2009 erfolgen werde.


Na ja: das ist es .... Die ÖVP brüllt auf: Koalitionsbruch ! Die SPÖ beheiligt sich, etwas " für die "Menschen" zu tun, die ( und das ist von jedem Österreicher überprüfbar) für das gleiche Geld immer weniger kaufen können.

Ob es aber wirklich zu Neuwahlen kommt ? Wer weiß. Jedenfalls im Augenblick würde die Bevölkerung eher der ÖVP die Schuld daran geben.
Gestern in Zeit im Bild - eine Umfragegrafik gesehen.
 
AW: An Austria - Was macht ihr bloß?

.....

was habt ihr für eine einstellung zu dieser krise, wenn ich es so nennen darf?

Hallo Psbvbn1!
Du rührst an einer Wunde, die derzeit von den Ereignissen in Österreich immer wieder aufgekratzt wird und mich sehr schmerzt.

Wenn ich die Frage "Was macht ihr bloß?" mal auf mich persönlich beziehe, dann kriegst du zur Antwort, "ich bin gespalten und ich leide".
Ich bin selbst in der Ortsgruppe der Sozialdemokratischen Partei tätig. Bei uns herrscht sowas wie Lähmung. Unser Parteivorsitzender, Bundeskanzler Gusenbauer, lässt keine klare Linie erkennen, wo sein Regierungsziel liegt. Die Sprachregelung geht nun dahin, dass wir mit einer Strategie der gegenseitigen Blockade zwar nicht weiterkommen, weder schwarz noch rot bringt etwas zustande, aber es wird dadurch auch eine weiterer Abbau der sozialen Errungenschaften verhindert, wie er in den 7 Jahren der schwarz/blau-orangen Koalition betrieben wurde.

Dabei blutet vor allem den Sozialdemokraten das Herz, denn im letzten Wahlkampf klangen die Versprechungen von Gusenbauer viel klarer, als er jetzt umsetzen kann. Es gibt nur Kompromisse bzw. so eine Art Tauschgeschäfte mit dem Koalitionspartner.

Die Optik lässt den Schluss zu, dass die "Roten" mit dieser Art von Regierungspolitik ihre Seele verkaufen. Dahinter steht allerdings wirklich die Sorge, dass bei einem Bruch der Koalition und durch Neuwahlen die ÖVP wieder gestärkt hervorgehen könnte. Was mMn aber grad durch diese "rückgratlose" Haltung der SPÖ erst geschürt wird.

Wenn wir Roten also schon eine sehr zwiespältige Meinung über unsere eigenen Regierungsmitglieder haben, dann schaut es bei den andern Bürgern des Landes sicher nicht positiver aus.

Was in den Köpfen der ÖVP-Politiker vorgeht, kann ich sehr schwer nachvollziehen. Ich hab noch nie mit soviel Häme und Intrigantentum zu tun gehabt, als im Wahlkampf auf Gemeindeebene bzw. bei der Nationalratswahl. Diese Erlebnisse sind für mich der Grund, warum ich meine politische Arbeit auf Gemeindeebene so schnell wie möglich wieder niederlegen möchte. Es widerstrebt mir zutiefst, Menschen, die auch nur ihre Interessen wahren möchten, zu beschimpfen, zu diffamieren, zu belügen, mit Hohn und Spott zu übergießen, in Intrigen zu verwickeln, zu benützen für parteipolitische Zwecke, aber all das sind Mittel der Wahlkampfstrategien der ÖVP, die ich selbst erlebt habe. Das Traurige dabei ist, dass viele Menschen trotzdem ÖVP-Wähler sind, weil diese Partei Geld hat und es gezielt einsetzen kann für Propaganda und populistische Maßnahmen. Und sie sieht sich als die Wirtschaftspartei und wird dementsprechend von der Wirtschaft unterstützt.

Vielleicht hast du mitgekriegt, dass im Zug des großen BAWAG-Skandals auch der ÖGB, der Österreichische Gewerkschaftsbund involviert war, der dadurch fast zerschlagen wurde und schwer zu kämpfen hat, um sich wieder neu zu ordnen. Das waren gezielte Manöver der Schwarzen, die dadurch viel Spielraum für ihre Zwecke gewonnen haben. Natürlich haben die Roten genug Anlässe geliefert, dass diese Machtspielchen greifen konnten, aber alles, was an verdächtigen Machenschaften bekannt wurde, wurde erst dann öffentlich gemacht, als es für den Wahlkampf der ÖVP als Munition eingesetzt werden konnte. Super Strategie!

Derzeit packt grad ein hoher Polizeibeamter, selbst von der ÖVP auf einen wichtigen Posten gesetzt, aus, weil er es mit seiner Moral nicht vereinbaren konnte, was er aus seiner Amtstätigkeit alles an die ÖVP-Parteizentrale liefern sollte.
Ein Untersuchungsausschuss, der prüfen soll, in welcher Art das Innenministerium hier für Parteizwecke missbraucht wurde, ist nun gerade zum Prüfstein für die Koalition geworden. Die ÖVP tat kund, falls die SPÖ diesem Untersuchungsausschuss zustimme, dann sei dies ein Bruch der Koalition.
In dieser Tonart geht es schon die ganze Zeit. Der eine schiebt dem anderen die Schuld am Nicht-Zustandekommen von wichtigen Entscheidungen in die Schuhe.

Du siehst, lieber Psbvbn1, es geht drunter und drüber. Wenn ich in der Früh die News online anschaue, dann fürchte ich schon, dass es wieder Grund zum Ärgern gibt. Oder auch zum wütend Werden oder sogar zum Schämen.

In Niederösterreich sind am 9.März Landtagswahlen, d.h. die Landesregierung wird gewählt. Hier hat die ÖVP eine satte Mehrheit, unser Landeshauptmann Pröll agiert wie ein feudaler Herrscher, das spielt hier natürlich auch noch eine Rolle in der derzeitigen politischen Landschaft.
Die parteipolitischen Übergriffe im Innenministerium geschahen anscheinend auch in der kurzen Amtszeit der Innenministerin Liese Prokop, die lange Jahre in der Niederösterreichischen Landesregierung tätig war, ehe sie ins Innenministerium wechselte. Sie starb letztes Jahr ganz unvorhersehbar an einem Aortariss, nach relativ kurzer Amtszeit. Nun wird es fast wie Blasphemie dargestellt, dass eine verstorbene Ministerin womöglich beschuldigt wird an Unredlichkeiten beteiligt gewesen zu sein.

Naja, ich glaub, das ist erstmal genug. Hintergrundberichte gibt es mMn auch ganz interessante auf http://derstandard.at/ oder in anderen online-Zeitungen.

:blume1:
 
AW: An Austria - Was macht ihr bloß?

hallo, lilith!

danke für den einblick aus deiner sicht, der sicht einer sozialdemokratin auf dieses problem. nun von diesen bawag-skandal hatte ich gehört und dass der kronzeuge in diesem fall auch die koalition beschuldigt wegen dem fall kampusch!?
das fand ich sehr interessant, weil dieses thema bis in die breite deutsche öffentlichkeit mal vorgedrungen war.
 
AW: An Austria - Was macht ihr bloß?

Auch ich bin Mitglied der SPÖ... habe allerdings genau auf Deine Frage geantwortet, psbvbn1.


Irgendwie bin ich anbeleidigt, denn ich habe mindestens eine halbe Stunde gesessen, um Dir kurz und prägnant zu antworten. Ein kleines Dankeschön hätte ich wohl auch verdient , ebenfalls kathi, denn sie hat aus ihrer Sicht auch aufrichtig geantwortet.

na ja:... jedenfalls habe ich genau formulieren müssen und dadurch gelernt... es war also letztlich auch befriedigend für mich, ohne Echo zu bleiben ..

Marianne
 
AW: An Austria - Was macht ihr bloß?

ok!

also an kathi, an marianne, an alle die mir noch antworten, an österreich für dieses thema, an gassenhauer und schlüssel vielen dank, auch an mich selbst für diesen grandios geführten thread, um bei der wahrheit zu bleiben:)

ne, ich danke wirklich allen, die hier schreiben, aber ich hatte mich vorhin eben mit liliths beitrag auseinandergesetzt und bin ja nicht unhöflich
 
AW: An Austria - Was macht ihr bloß?

Hier: eine neue Information..

http://diepresse.com/home/meinung/kommentare/366317/index.do

daraus:
SPÖ-FPÖ ist eine realistische Variante

MARTIN FRITZL (Die Presse)

FPÖ-Chef Strache fühlt sich stark genug für den nächsten Schritt: das Mit-Regieren. Das könnte auch gelingen.


und genau hier liegt jetzt die Verantwortung der beiden Koalitionsparteien.
Es läge im Interesse der demokratischen Entwicklung, eine so populistische Rechtspartei, wie es die Strache-FPÖ ist, nicht in die Regierung zu lassen.

Und wenn ich nur den Verdacht hätte, dass "meine" Partei - wie im Kommentar angedeutet - eine Option mit der FPÖ nicht ausschließt, wähle ich - egal ob vorzeitig oder nach Ablauf der Wahlperiode: GRÜN.
 
AW: An Austria - Was macht ihr bloß?

hallo, marianne!

war nicht die FPÖ international bekannt geworden mit ihrem vorsitzenden jörg haider? oder war das eine andere radikalere partei. ich hatte damals schon gedacht, was geht nur mit den ösis los, dass sie so eine partei im parlament so stark vertreten haben wollen.
 
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AW: An Austria - Was macht ihr bloß?

hallo borusse, so sieht es eben aus, wenn zwei die nicht können und auch nicht wollen auf einmal miteinander müssen. nimm als vergleich eure situation in hessen, denn die ist ähnlich nur dass wir eben keine linke haben. nach den letzten wahlen ist etwas geschehen mit dem niemand gerechnet hat, die SPÖ wurde stimmenstärkste partei und stand damit vor einem schier unlösbaren problem.diese partei hat vor einigen jahren einen vorsitzenden gewählt, der als kompromiss zwischen den polarisierenden flügeln war.er ist ein mann ohne jegliche ausstrahlung und mit wenig durchlagskraft.was macht ein schwacher mann,wenn er seine führung, die er ja unbedingt will, auch behalten soll. er sucht sich mitarbeiter, die zwar nicht die besten, dafür aber die ungefährlichsten sind. die ÖVP wurde zwar abgewählt, aber ihr genialer "drachentöter" wird sich damit nie abfinden und im vergleich zu seinem kontrahenten hat er seine partei ziemlich fest im griff. vizekanzler MOLTERER ist ebenso farblos wie der SPÖ kanzler, tut aber immer brav das, was schüssel von ihm verlangt, man nennt die beiden "gruselbauer" und his masters voice. die ÖVP hat die wahlen durch ihre selbstüberschätzung und ihre grenzenlose arroganz verloren und jetzt behindern sich die beiden parteien gegenseitig nur um dem andern keinen erfolg zu gönnen. da aber jeder der beiden weiss, dass derjenige der neuwahlen verlangt, der verlierer ist werden sie weiterwursteln. in österreich gibt es ein "spiel", das man "beamtenmikado" nennt, wer sich zuerst bewegt, der hat verloren. ich denke, so ähnlich könnte man die situation derzeit in österreich bezeichnen.
da ich aber nicht im besitz der absoluten wahrheit bin, ist dies nur meine persönliche einschätzung und soll auch so gesehen werden.
was uns in österreich mit euch verbindet, ist die tatsache, dass auch hier die persönlichen machtspielchen wichtiger sind wie die politischen probleme und der auftrag des wählers scheinbar völlig hintan zu stehen hat.
 
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