Lieber Pispezi!
Ich werde versuchen, dir auf deine Aspekte meine Sichtweise entgegenzusetzen, ich hoffe, es gelingt mir.
Du meinst anscheinend, das ist auch mein Ausgangspunkt für meine Sichtweise. Ich hasse mich nicht, ich mag mich ganz gern und ich mag auch meine Mitmenschen. Ich habe Verständnis für die Angst, die wir alle haben. Aber ich hab auch schon durchschaut, dass wir diese Angst nicht loswerden, wenn wir die Auslöser dieser Angst auch alle umbringen würden.
Ich rede nicht von Schuld, die wir abzutragen hätten. Ich rede von Erforschen der wahren Motive für unsere Handlungen, ich rede von ehrlichem Eingestehen unserer eigenen Ängste, anstatt denen, die wir fürchten, schreckliche Eigenschaften anzulasten. Und ich rede von sachlichen Konsequenzen, die wir durch unsere Handlungen zu erwarten haben.
Ich mag solche Schlagwörter nicht. Was soll ein "Terrorismusversteher" sein? Sowas ähnliches wie der idiotische Ausdruck "Gutmensch" vielleicht? Willst du mich damit in eine bestimmte Schublade zwängen?
Ich stehe in der früh auf und gehe durch den friedlichen Ort zum Gemüsehändler, der frisches Obst und Gemüse verkauft. Ich werde von eilenden Menschen angerempelt, die alle nichts anderes im Sinn haben, als gute Dinge einzukaufen. Ich treffe auch Frauen mit Kopftüchern und langen Röcken, die oft einen Kinderwagen schieben, die Brot und Gemüse kaufen und sich an der Kasse in die Schlange einreihen, wie alle anderen. Ich hab noch keinen Gürtelbomber getroffen. Falls einer auftaucht, werde ich keine Zeit haben, mich zu fürchten. Ich finde es aber auch nicht sinnvoll, mir mein Leben schon vorher von der Angst vor solchen Ereignissen vergällen zu lassen. Die Wahrscheinlichkeit, dass mich ein Auto überfährt ist ungleich höher, aber gegen die Autofahrer führe ich auch keinen Abwehrkampf. Ist vielleicht ein etwas hinkender Vergleich, aber was die drohende Gefahr betrifft, kann man ihn schon verwenden.
Meinst du jetzt unsere tapferen Soldaten, die die Zivilisation retten sollen, indem sie die Terroristen erschießen, oder meinst du die Terroristen? *grübel*
Ich lasse mich von provokanten Worten nicht in Angst und Schrecken versetzen. Es wird viel geredet, wenn der Tag lang ist. Die Anführer, die die "heiligen Worte" so aufrührerisch verwenden, sollten mMn viel weniger Aufmerksamkeit bekommen. Wenn nicht jede verbale Provokation von den Medien so voller Lust an der Empörung sofort aufgegriffen und ausgeschlachtet würde, dann könnten die lang reden und keinen würde es interessieren.
Aber es ist doch so ein tolles Gefühl, wenn man sich so aus tiefster Seele über die Gefahr des Terrorismus aufregen kann. Wow, da fühlt man sich wie der Retter der Welt. Jaja, kommt wieder runter, es sind hauptsächlich Schaumschlägereien. Ohne Zeitung, ohne Fernsehen und andere Medien wüssten wir gar nicht, was los ist.
Dieses "hätte" und "damals", dieses eines gegen das andere aufrechnen, das ist eine Methode, die die Argumentation abstellen soll. Eine eher diskussionsmordende Methode, die nicht aufklärt, sonder verschleiert. Jetzt gehts nicht um damals, sondern um das, was jetzt getan oder gelassen werden soll.
Ja, ich kann mich an einen User im DF erinnern, der auch mal so argumentiert hat. Er hat allerdings auch gemeint, er wäre dafür, dass ganz fuchtbare Verbrecher mit dem Tod bestraft werden sollen. Er hat sich damit ganz genau auf die Stufe dieser Bauern, die du als Beispiel anführst, gestellt. Er war allerdings ein braver deutscher Pensionist und Hobby-Astronom.
Mit solchen Leuten, die damit eigentlich nur herzeigen, wie sehr sie sich auch fürchten, lässt sich gut Empörung schüren.
Haben sie schon bei dir geklingelt?
Ups, da kommen sie vielleicht auch bald bei mir vorbei.
Im Ernst, Pispezi. Warum musst du damit auf irgendeine Art umgehen? Du musst ja auch nicht mit den Anordnungen des Papstes umgehen. Der redet auch genug Unsinn und keiner schert sich darum. (Naja, das ist jetzt ein bisschen übertrieben, aber im Prinzip ist es doch so!)
Tut mir leid, die Erwähnung der heiligen Schriften entlocken mir ein leises Lächeln. Wir ließen uns von den Schriften einer Religion so sehr beeindrucken, obwohl wir doch die uns viel nähere christliche gerade mit den Gedanken der Aufklärung in den Hintergrund drängen? Im Alten Testament stehen auch furchtbare und schauerliche Dinge. Interessiert das heutzutage irgendjemanden?
DAS DA und DENEN und SO ETWAS - das hilft nichts, denn dabei geht es auch um Menschen, die ihr Leben leben wollen. Die bringen dich nicht um, wenn du sie als Menschen würdigst. Aber gerade das Würdigen fällt denjenigen sehr schwer, deren Angst so groß ist. Damit setzt man allerdings seine eigene Würde aufs Spiel, wenn man anderen die Würde nimmt.
Pispezi, das ist schon wieder so eine Suggestivfrage! Warum machst du das? Du unterstellst mir und suggerierst denen, die das lesen, dass ich die Vernichtung unserer Gesellschaft will. Das will ich sicherlich nicht. Ich will aber auch nicht, dass diese Gesellschaft glaubt, mehr Rechte zu haben, als eine Gesellschaft, die nach anderen Spielregeln lebt. Ich plädiere für den Dialog und für einen kühlen Kopf.
Ich schließe aus deinem Beitrag, dass du mit unfairen Mitteln für deine Meinung Stimmung machst.
Du entwirfst ein Bild, das nach deinen Worten zwangsläufig entstehen würde, wenn wir nicht die "Gefahr des Islam" niederschlagen, bekämpfen, zurückdrängen, nicht zu nahe an uns heranlassen. Du schürst Angst und Empörung durch dieses Bild der massiven Bedrohung.
Ich hab schon gesagt, ich fürchte mich nicht. Ich würde mir von niemandem verbieten lassen, das zu tun, was ich tun möchte. Weder von einem besserwisserischen Mann, noch von einem religiösen Oberhirten, noch von einem Feigling, der mich am Rockzipfel zurückzerren will, weil er die Rache der "Bösen" fürchtet.