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Vergebung

Ginsi

Member
Registriert
18. Mai 2006
Beiträge
298
Last uns einmal unabhängig von unserer Gesetzgebung sprechen.
Vergeben zu können gilt als eine positive Eigenschaft. Auf der anderen Seite gibt es doch Taten, für die man dem Täter einfach nicht vergeben kann. Die Grenze zu ziehen vermögen wohl nur die Emotionen. Wenn man dem Täter größten Hass entgegenbringt, kann man ihm in keinem Fall vergeben. Aber andererseits... Ist die Zuneigung zum Täter ein Maß für die Vergebung? Und KANN man überhaupt eine rationale Grenze ziehen?

mfG Ginsi
 
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AW: Vergebung

Um deine letzte Frage mal vorwegzunehmen: Nein, kann man nicht. Es ist abhängig vom Empfinden des Einzelnen und seiner Fähigkeit, die Emotionen zu kontrollieren.
Dafür bedarf es nicht mal unbedingt Hass. Es gibt so viele Gefühle, die Vergebung verhindern können. Auch bin ich der Ansicht, dass es Taten gibt, die weder Vergebung verdienen, noch rechtfertigen.

Du hast insofern Recht, dass es als positive Eigenschaft gilt, aber ich denke, das hat Grenzen. Im alltäglichen Umgang miteinander sollte Vergebung durchaus einen Platz haben. Jeder macht Fehler und möchte deswegen nicht für immer aus dem Leben anderer gestrichen werden. Man erwartet, dass einem vergeben wird.

Anders ist das z.B. bei Kapitalverbrechen. Die MUSS man nicht verzeihen. Wichtiger ist, dass man seine Emotionen in die richtige Richtung lenkt...
 
AW: Vergebung

Menschen, die nicht vergeben,
sind dauerhaft verbittert
und werden davon krank

die Rechtssprechung hilft den Betroffenen,
die Sache abzuhaken

das Gras wächst besonders gut,
wenn sich neue Situationen ergeben haben,
die glücklich geendet sind
 
AW: Vergebung

Menschen, die nicht vergeben,
sind dauerhaft verbittert
und werden davon krank

Das sehe ich auch so. Vergebung ist vorallem für den wichtig, der vergibt, denn er befreit sich damit von den negativen Gefühlen, welche ihn an den Täter ketten und bekommt somit die Chance weiterzugehen und in der Gegenwart zu leben.
Allerdings ist es sicher nicht einfach, gerade bei schweren Verbrechen, durch die man physisch und/oder psychisch grossen Schaden erlitten hat.
Ich denke, es braucht viel Zeit und ein bewusstes Auseinandersetzen mit den "negativen" Emotionen. (Die Anführungszeichen habe ich gesetzt, weil Gefühle wie Wut, Trauer, Hass usw. zwar als negativ gesehen werden, aber durchaus eine wichtige Funktion im Verarbeitungsprozess haben.)

die Rechtssprechung hilft den Betroffenen,
die Sache abzuhaken

Jein. Denn die Rechtssprechung hat oft wenig damit zu tun, wie Betroffene das erlittene Unrecht empfinden. Schuld und Sühne stehen da, emotional gesehen aus Sicht des Betroffenen, manchmal nicht im angemessenen Verhältnis.


das Gras wächst besonders gut,
wenn sich neue Situationen ergeben haben,
die glücklich geendet sind

Das Gras kann dann wachsen, wenn der Boden nicht vergiftet ist. Vergiftet wird er immer dann, wenn wir Dinge einfach begraben, ohne sie wirklich verarbeitet und abgeschlossen zu haben.

So sehe ich Vergebung als wichtiges Ziel, der Weg dorthin ist aber je nach dem lang, anstrengend und verträgt keine Abkürzungen. Ob und wann man vergeben kann ist offen. Aber dorthin unterwegs zu sein, halte ich für überlebensnotwendig.
 
AW: Vergebung

Das sehe ich auch so. Vergebung ist vorallem für den wichtig, der vergibt, denn er befreit sich damit von den negativen Gefühlen, welche ihn an den Täter ketten und bekommt somit die Chance weiterzugehen und in der Gegenwart zu leben.
Ich denke nicht, dass man zwingend verbittert wird. Man kann auch einfach "nur" wütend sein. Und Wut ist durchaus auch ein Antrieb, ein Motor.
Um in der Gegenwart zu leben, muss man nicht vergeben, jedenfalls nicht dem Täter. Bestenfalls sich selbst. Aber man muss akzeptieren.

Allerdings ist es sicher nicht einfach, gerade bei schweren Verbrechen, durch die man physisch und/oder psychisch grossen Schaden erlitten hat.
Ich denke, es braucht viel Zeit und ein bewusstes Auseinandersetzen mit den "negativen" Emotionen.
Ja, Zeit braucht es mit Sicherheit...und Akzeptanz der eigenen Gefühle. Verstehen steht für mich im Vordergrund. Das erreicht man (wie du richtig sagst), indem man sich damit auseinandersetzt und notfalls gegensteuert.
Niemand besteht ausschliesslich aus positiven Emotionen. Deswegen finde ich es nicht unbedingt erstrebenswert, die negativen Gefühle umzuwandeln.

Jein. Denn die Rechtssprechung hat oft wenig damit zu tun, wie Betroffene das erlittene Unrecht empfinden. Schuld und Sühne stehen da, emotional gesehen aus Sicht des Betroffenen, manchmal nicht im angemessenen Verhältnis.
Da muss ich dir in allen Punkten recht geben. Viele Taten können durch die Rechtssprechung nicht ausreichend "gewürdigt" werden, weil die Höchststrafen für entsprechende Delikte nicht ausreichen, um eventuelles "Rachebedürfnis" Betroffener zu stillen.
 
Vergebung + versöhnung

egal welche tat: solange nicht vergebung erfolgt, bleiben täter und opfer aneinander gekettet.

dass vergebung in fast allen fällen nicht sogleich möglich ist, ist auch klar.
dennoch ist es das ziel - wie ela schon sagte - nach vergebung und somit auch zur versöhnung zu streben.

dabei ist es ebenso wichtig, vorher die negativen gefühle da sein zu lassen. das was einem angetan wurde und verletzt hat, muss eingestanden und - wenn möglich - vor dem täter auch ausgedrückt werden.
doch erst wenn der täter die tat auch als solche erkennt und ebenso sieht, was er getan hat und bereut, ist der ganze ausgleich zur versöhnung möglich.

häufig schaffen das opfer und täter bei schweren vergehen zu ihren lebzeiten nicht. dann wären die folgegenerationen dazu aufgefordert, die noch ausständige vergebung und versöhnung durchzuführen.
ewige vorwürfe und weiter geschürter hass bilden nur eine spirale, die sich im kreise dreht. da kann nichts neues kommen.
 
AW: Vergebung

Vergeben zu können gilt als eine positive Eigenschaft. Auf der anderen Seite gibt es doch Taten, für die man dem Täter einfach nicht vergeben kann. ...
Wenn man dem Täter größten Hass entgegenbringt, kann man ihm in keinem Fall vergeben. Aber andererseits... Ist die Zuneigung zum Täter ein Maß für die Vergebung?
Vergeben können ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft, eben deshalb gibt es dazu viele soziale Aspekte. Und eben deshalb reizt es mich besonders, lieber Ginsi, hier nach ziemlich langer Zeit wieder einmal etwas los zu lassen. Ähhhm, na ja... ;)

Jemand zu vergeben ist nicht selten ein Täuschungsmanöver: Man meint es nicht ganz ehrlich und versucht sich dadurch eher in der sozialen Rangstufe über die Betroffenen zu stellen (etwa deshalb, weil man diese nicht wirklich respektiert).

Mir erscheint auch die Unterscheidung sehr wesentlich, ob ich etwas oder ob ich jemand vergeben soll: Eine Tat vergeben oder einem Menschen?
Meinem Verständnis nach bezieht sich "Vergebung" weniger auf die Tat. Diese kann man zwar verstehen, auch wenn man sie verurteilt, aber wenn man sie verurteilt, kann man sie wohl kaum "vergeben". Das wäre für mich zu verwirrend.

Einem Menschen vergeben zu können sehe ich immer als eine Möglichkeit und eine Chance, ungeachtet der Tatsache, dass wir uns oft dazu nicht aufraffen können. Aber es ist für mich eben diese typisch menschliche Eigenschaft, andere Situationen und andere Lebensrollen, andere Persönlichkeiten und andere Mentalitäten mehr oder weniger nachempfinden und nachvollziehen zu können - andere mehr verstehen zu können. Aus dem Verständnis wachsen, vielleicht auch erst später, die Toleranz und die Bereitschaft zur Vergebung; den Hass können wir dadurch ev. anders empfinden und er könnte ev. nicht mehr so blockierend wirken.

Das muss und kann nicht immer heißen, dass nun alles Liebe, Wonne, Waschtrog und Eierkuchen ist. Das ist natürlich ein Idealbild, dem wir uns nur annähern können, wenn wir dazu bereit sind.

Ein großes Problem dabei – neben den vielen individuellen Voraussetzungen - wäre etwa: Wir haben oder nehmen uns sehr oft gar nicht die Zeit, oder es fehlt ganz einfach der passende Moment und die Gelegenheit, den nötigen Kontakt aufzunehmen bzw. uns zu informieren und über all das nachzudenken, was notwendig wäre, um uns selber (und unsere eigenen Unzulänglichkeiten!) und um andere in dieser Sache besser zu verstehen!
Oft die verpassten Gelegenheiten, was auch mir persönlich ziemlich häufig ein wenig (oder mehr) Leid tut...

Besonders bei größeren Vergehen und Verletzungen ist es aber mit Nachdenken und gutem Willen allein noch lange nicht getan. Oft muss man über sich hinauswachsen, sich überwinden und etwas tun:
kathi schrieb:
dabei ist es ebenso wichtig, vorher die negativen gefühle da sein zu lassen. das was einem angetan wurde und verletzt hat, muss eingestanden und - wenn möglich - vor dem täter auch ausgedrückt werden.
doch erst wenn der täter die tat auch als solche erkennt und ebenso sieht, was er getan hat und bereut, ist der ganze ausgleich zur versöhnung möglich.

lg
Andreas
 
Mir erscheint auch die Unterscheidung sehr wesentlich, ob ich etwas oder ob ich jemand vergeben soll: Eine Tat vergeben oder einem Menschen?
Meinem Verständnis nach bezieht sich "Vergebung" weniger auf die Tat. Diese kann man zwar verstehen, auch wenn man sie verurteilt, aber wenn man sie verurteilt, kann man sie wohl kaum "vergeben". Das wäre für mich zu verwirrend.
hallo andreas,
schön, dich wieder vermehrt hier zu sehen! :)

zu deiner unterscheidung stimme ich voll zu:
vergeben kann ich einem MENSCHEN
verstehen bzs. verständnis haben kann ich bezüglich der TAT
- und
vergeben kann ich wiederum dem schicksal, das die tat mir/uns auferlegt hat.

in allen drei fällen geht es mMn um die ANNAHME:

1.) annahme des anderen menschen, auch in dem, was er getan hat
2.) durchblicken der umstände, die zu der tat geführt haben - damit ist die bewertung der tat relativiert ... und
3.) annahme des schicksals und somit des lebens, so wie es ist.

das alles klingt möglicherweise so leicht und klar - vor allem, wenn´s einem schon gelingt......ein spez. user aus früheren zeiten würde dazu "gutmensch" sagen.
doch dazu gehört auch, dass man denen vergeben muss, die noch nicht vergeben können. ;)
 
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AW: Vergebung

Vielen Dank für eure Beiträge!!!!
Meint ihr denn, dass das Verstehen der Tat und die Vergebung nah beieinander liegen? Demnach könnte ein normaler Mensch niemals den Mord an einem geliebten Menschen vergeben.

mfG Ginsi
 
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