• Willkommen im denk-Forum für Politik, Philosophie und Kunst!
    Hier findest Du alles zum aktuellen Politikgeschehen, Diskussionen über philosophische Fragen und Kunst
    Registriere Dich kostenlos, dann kannst du eigene Themen verfassen und siehst wesentlich weniger Werbung

USA - sterbendes Imperium?

Ziesemann

New Member
Registriert
3. November 2005
Beiträge
929
Man macht es sich etwas zu leicht, wenn man die Wandlung der USA vom „wohlwollenden Hegemon“ zur imperialen Herrschaft personalisiert, also vor allem etwa auf die Person des derzeitigen Präsidenten George W. Bush abhebt. Gewiss, bei einem Wahlsieg seines Konkurrenten der Demokratischen Partei JohnF. Kerry wären die Akzente ein wenig anders gesetzt worden. Aber auch Kerry , mehrfach verwundeter Kriegsfreiwilliger von 1969 in Vietnam, wurde nicht müde, die amerikanische militärische Stärke zu betonen. Auch greift die Formel zu kurz, viele Argumente der US-Administration seien innenpolitisch motiviert und der - allerdings für Europäer oft befremdlichen – Religiosität weiter amerikanischer Bevölkerungsteile geschuldet.
Die US-Außenpolitik weist jenseits der persönlichen Akzentuierung eine Gesetzmäßigkeit auf. Denn die USA unterliegen als einzige nach 1990 verbliebene Supermacht – unbeschadet der Frage, ob die Sowjetunion je etwas anderes als eine rein militärische Großmacht war – dem Gesetz des Imperiums.
Alle Imperien der Geschichte unterliegen imperialen Zwangsläufigkeiten – oder sie sind nicht mehr lange ein Imperium. Für ein Imperium im dritten Jahrtausend sind diese Merkmale:
· Es kann nur eines auf dem Globus geben, keine konkurrierenden Imperien, das Imperium versteht sich selbst als einzigartig und einmalig;
· Das Imperium kann wegen seiner weltweiten Verflechtung nicht neutral bleiben, ob es will oder nicht;
· Ein Imperium, dass versucht, sich aus Konflikten an seiner Peripherie herauszuhalten, verliert seinen Status;
· Ein Imperium ringt stets um politisches Prestige, versucht etwa durch wirtschaftliche Dominanz auch ohne das „Auskunftsmittel des Krieges“ (Clausewitz) eine internationale Hierarchie aufzustellen;
· Ein demokratisch verfasstes Imperium braucht die ständige Bereitschaft seiner Bevölkerung, die ökonomischen Lasten seiner Hegemonie zu tragen;
· Diese Last wird leichter ertragbar, wenn das Imperium eine „Selbstsakralisierung“ (Münkler) zelebriert, die allerdings leicht antiimperiale Reaktionen auslöst.

Gerade das letzte Merkmal führt dazu, dass imperiale Interventionen und Missionen – gerade auch solche, die nach Hilfeersuchen erfolgen – mit religiösen Begriffen aufgeladen werden. Für die USA ist eine solche Kontinuität stringent nachweisbar:
· Woodrow Wilsons Zielsetzung beim Eintritt der USA in den ersten Weltkrieg (1917) mit seinem „14-Punkte-Plan“;
· Dwight D. Eisenhower kurz vor der Landung in der Normandie (Juni 1944) geprägte Formel vom „Cruisade for Europe“ ;
· Harry S. Trumans Doktrin 1947 von der Hilfe für alle von Tyrannei bedrohten Völker:
· John. F. Kennedys Versprechen im Jahre 1962, dass die USA keine Mühe und kein Opfer scheuen werden, um die Freiheit in aller Welt zu verteidigen;
· Ronald Reagans Charakterisierung der Sowjetunion (1982) als „Reich der Finsternis“;
· Bushs Begriff der „Achse des Bösen“, die sich vom Irak über den Iran bis Nordkorea erstrecke.
· Und die US-Außenministerin Condolezza Rice formulierte ohne direkten metaphysischen Bezug, aber doch mit ethischer Wertvorgabe im Jahre 2003: „Wir möchten nach dem Sieg über den Terror die Welt nicht nur sicherer hinterlassen, sondern auch besser.“

Jeder Platzhirsch ist unvermeidbar der künftige Verlierer, das ist keine Prognose sondern logische Schlussfolgerung aus der Geschichte. Das antike Rom herrschte über die damals bekannte Welt, woran noch heute der päpstliche Segen urbi et orbi erinnert. Es musste abtreten, weil seine Wirtschaftskraft erlahmte, römische Bürger sich um den Wehrdienst drückten und damit die militärische Stärke zur Sicherung der weiten Grenzen verfiel. 1000 Jahre später gründete Spanien ein Weltreich, „in dem die Sonne nicht unterging, bis seine Armada – vom Feinde unbesiegt – 1588 in den Stürmen versank und der neue Aufsteiger England hieß. Vergeblich griff Deutschland zweimal nach der Weltmacht. Das zermürbte Europa ließ einen Dritten aufsteigen: USA, die möglicherweise den Zenit ihrer Macht bereits überschritten haben.

Auch sie werden das Feld einmal räumen müssen, wahrscheinlich wird China Number 1. Aber man erwarte nichts zu bald, das hieße den imperialen Behauptungswillen der Amerikaner zu unterschätzen. Diese Prognose sei gewagt: Alle Leser dieser Zeilen werden die Wachablösung nicht mehr erleben.

Ziesemann
 
Werbung:
Nunja, Ziesemann.
Du hast sicher eine viel bessere Kenntnis historischer Ereignisse und einen Überblick über ihre Zuordnung zu bestimmten Begriffen, wie hier: Imperium.

Nach meinen bescheiden Vorstellungen ist ein Imperium immer belastet mit der Eroberung und Kolonialisierung anderer Völker.

imho waren die Imperien nach Rom:
Dschingis chan und Nachfolger,
Spanien, Portugal
die Briten
die Sowjetunion.

Die USA würde ich nach diesem Kriterium nicht als Imperium sehen.
Als militärische Supermacht zweifellos.

Wenn die gegenwärtige Tendenz anhält, wird China alles überflügeln.
Vorausgesetzt, es gibt keine siegreiche Demokratie-Bewegung.
Dann würde dort alles so enden wie in der Sowjetunion.

meint Claus
 
Wir erleben das noch.

Die USA haben sich selbst zum Führer der Welt ernannt und die Leitlinien sind unter http://www.newamericancentury.org/ nachzulesen. Sieht man die Welt vom Äquator aus, dann ist das nicht so selbstverständlich, wie sich eine entsprechende Sicht von Berlin oder London darstellen würde.

Die USA haben weder die moralische Berechtigung, noch haben sie die Akzeptanz auf ihrer Seite. Der Grund für die derzeitige Stellung ist nur durch die militärische Übermacht der USA begründet. Die wirtschaftliche Stellung wird schon in absehbarer Zeit durch Japan, Europa, Russland, China und Indien in Frage gestellt werden und die militärischen Eskapaden der USA können bei vielen Ländern eigentlich nur Grinsen auslösen, denn die Staatsverschuldung wird den USA noch einige Sorgen bereiten. Damit wird der Dollar und die Wirtschaftskraft der USA in Frage gestellt werden. Liest man entsprechende Berichte, so drängt sich der Verdacht auf, dass dies nicht eine Frage des „ob“ ist, sondern nur noch des „wann“.

Asien nutzt die USA, wendet sich aber vor allem China zu. Südamerika ist schon lange ein Problem für die USA. Afrika und der mittlere Osten werden nur von George W. Bush als Freunde bezeichnet, obwohl es sich kaum um eine Freundschaft handelt. So wird viel davon abhängen, wie Europa sich hier verhält und welchen Einfluss Russland und China haben werden.

Die USA haben selbst in Europa nicht die Akzeptanz, die für eine solche Führungsrolle notwendig wäre. Hier in Asien haben sie dies ohnehin nicht.

Das Thema ist also gut gewählt: sterbendes Imperium! Ich stimme dir aber in deiner Schlussthese nicht zu und behaupte, dass wir das alle noch erleben werden.
 
Die USA sind zu sehr global eingebunden, um eine gewisse amerikanische Bestrebung zu verwirklichen:
„die Festung USA“ zu bilden, auf globale Hegemonie zu verzichten und nur die ökonomische Vormachtstellung zu behaupten.

Auch ist nach nine eleven klar geworden, daß es gar nicht geht.
Stell dir vor, eine neue administration würde sich militärisch überall zurückziehen.
Ohne die Militärpräsenz der Amis hätte al kaida Oberwasser.
Ein zweiter elfter September würde nicht lange auf sich warten lassen.

also, sie haben keine Wahl außer der Flucht nach vorn,

meint Claus
 
Claus schrieb:
Nunja, Ziesemann.
Du hast sicher eine viel bessere Kenntnis historischer Ereignisse und einen Überblick über ihre Zuordnung zu bestimmten Begriffen, wie hier: Imperium.
Das lassen wir mal offen. -
Nach eingehender Lektüre bin ich zu der Definition gekommen:
Ein Imperium ist ein Reich, das im Rahmen der zum jeweiligen historischen Zeitpunkt bekannten Welt diese zur Akzeptanz seiner Normen bringen kann. Das kann gewaltsam geschehen, muss aber nicht. Haben die Amerikaner jemals ein Land gezwungen, Coca-Cola zu trinken, Country-music zu hören, den Auto-Kult mitzumachen oder Hollywood-Filme anzuschauen?
Freiwillig haben die Peripherie-Staaten oftmals the "American way of life" übernommen, weil er sich als der ökonomisch effizienteste erwies.

Ich habe nicht alle Imperien aufgelistet, früher musste sich das chinesische Großreich nicht mit Europa berühren; heute kann es nur ein einziges geben.
Ein Imperium muss heute in der Lage sein, an jedem beliebigen Punkt der Welt präsent sein zu können und maßgebend aufzutreten. In diesem Sinne sind die USA eines, die UdSSR war es nie, sie war "Obervolta + Atomwaffen".


Wenn die gegenwärtige Tendenz anhält, wird China alles überflügeln.
Vorausgesetzt, es gibt keine siegreiche Demokratie-Bewegung.
Dann würde dort alles so enden wie in der Sowjetunion.

meint Claus

Das sagte ich ja auch; nur versehe ich es (noch) mit einem ?. Vor allem hege ich Zweifel, ob es so bald kommt.

Gruß Ziesemann
 
louiz30 schrieb:
Die USA haben sich selbst zum Führer der Welt ernannt und die Leitlinien sind unter http://www.newamericancentury.org/ nachzulesen.
Sie taten es, konnten es tun, weil sie konkurrenzlos waren. Imperien begreifen sich stets als einzigartig.

Die USA haben weder die moralische Berechtigung, noch haben sie die Akzeptanz auf ihrer Seite.
"Moralische Berechtigung" ist keine historische Kategorie; die hatten und haben (noch) die Macht dazu. Das ist alles. Nicht mal den kleinen Krieg im Kosovo konnte die EU ohne Untzerstützung der USA führen.

Der Grund für die derzeitige Stellung ist nur durch die militärische Übermacht der USA begründet. Die wirtschaftliche Stellung wird schon in absehbarer Zeit durch Japan, Europa, Russland, China und Indien in Frage gestellt werden und die militärischen Eskapaden der USA können bei vielen Ländern eigentlich nur Grinsen auslösen, denn die Staatsverschuldung wird den USA noch einige Sorgen bereiten. Damit wird der Dollar und die Wirtschaftskraft der USA in Frage gestellt werden. Liest man entsprechende Berichte, so drängt sich der Verdacht auf, dass dies nicht eine Frage des „ob“ ist, sondern nur noch des „wann“.
Nicht nur, aber vor allem wohl wegen der militärischen Stärke.
Gravierender als die Binnenverschuldung - eine 20%-Erhöhung der Steuer auf Benzin und schon ist sie in wenigen Jahren getilgt - ist die Auslandsverschuldung.
Aber an sich widerspreche ich Dir garnicht, denn auch ich sehe den Zenit - schrieb ich das nicht? - der USA erreicht, es kann eigentlich nur noch abwärts gehen.

Die USA haben selbst in Europa nicht die Akzeptanz, die für eine solche Führungsrolle notwendig wäre. Hier in Asien haben sie dies ohnehin nicht.
Auch dies ist ein Gesetz der Imperien. Imperiales Gebaren löst regelmäßig antiimperialistische Gegenströmungen besonders an der Peripherie aus.


Das Thema ist also gut gewählt: sterbendes Imperium! Ich stimme dir aber in deiner Schlussthese nicht zu und behaupte, dass wir das alle noch erleben werden.
Merci! - Aber wetten dass...? - Und im Übrigen drüfte das wohl eine Altersfrage sein, wer mit wir gemeint ist. Beispiel: öntschie wird's vielleicht erleben, meine Enkel wahrscheinlich, ich aber bestimmt nicht.

Freut mich, Louiz30, dass Du eingestiegen bist - Ziesemann
 
Wenn sich der Führungsanspruch einer Macht auf militärische Überlegenheit stützt, dann wird diese Macht zur Bedrohung der restlichen Nationen. Eine Führungsrolle muss von den Geführten akzeptiert werden und das ist nur der Fall, wenn es moralische und ethische Gründe gibt, wenn diese Macht mehr zu bieten hat als Atombomben, Napalm und Langstreckenraketen.

Viele warten doch nur auf den Moment der Schwäche.
 
louiz30 schrieb:
Wenn sich der Führungsanspruch einer Macht auf militärische Überlegenheit stützt, dann wird diese Macht zur Bedrohung der restlichen Nationen. Eine Führungsrolle muss von den Geführten akzeptiert werden und das ist nur der Fall, wenn es moralische und ethische Gründe gibt, wenn diese Macht mehr zu bieten hat als Atombomben, Napalm und Langstreckenraketen.

Viele warten doch nur auf den Moment der Schwäche.
Dem ist kaum zu widersprechen; aber haben die USA wirklich nicht mehr zu bieten als A-Bomben und Napalm?! Haben Sie nicht - sicherlich nicht völlig uneigennützig, das tun Staaten so wenig wie Individuen - in der Geschichte bewiesen, dass sie sehr wohl Wertorientierung hatten und auch noch immer haben?! Muss ich an Fakten erinnern: Zweifrontenkrieg im WK II, ohne USA wären die Briten kaum in der Normandie gelandet - die Luftbrücke - die Verteidigung Westberlins mit der Drohung, ein militärischer Einmarsch dort betrachten die USA als Kriegserklärung - der NATO-Schutzschild - der Marshallplan nach 1945 usw.

Was uns Europäer an den heutigen USA so irritiert, ist die unterschiedliche Wahrnehmung. Unbeschadet der Tatsache, dass inzwischen eine Mehrheit der US-Bürger den Irakkrieg für einen "Fehler" hält, an dem Gefühl "We are on war" hat sich nichts geändert. Krieg gegen den Terrorismus.

Historisch gesehen hast Du recht. Ein Imperium, das sich nur auf sein militärisches Potential zu stützen vermag, wird nicht lange eines sein.

Gruß Ziesemann
 
Dank zunächst an louiz30, daß er auf http://www.newamericancentury.org/ verlinkt; ich hatte auf diese lesenswerte Seite im Verlauf des letzten Jahres mehrfach hingewiesen, und sie ist inzwischen gründlich umgestaltet worden: das ursprüngliche "neokonservative" Manifest amerikanischer Weltherrschaft von 1998, unter anderem von so bekannten Persönlichkeiten wie Donald Rumsfeld, Dick Cheney und Paul Wolfowitz unterzeichnet, wird dort nicht mehr zu finden sein. Angesichts der Verzweiflung Neuen Deutschen Selbstbewußtseins, die sich deutlich in den Beiträgen meiner Vorredner ausspricht, wirkt der naive Zukunftsmut des Neuen Amerikanischen Jahrhunderts erfrischend, wenn nicht ermutigend.

Aber es ist eh vorbei, und es gibt dank G.W.Bush, der die Grenzen amerikanischer Kraft aller Welt deutlich zeigte, keinen Grund mehr, den Führungswillen der U.S.A. anzuprangern. Vielmehr fällt es Europäern (und nur denen) schwer zu begreifen, daß die U.S.A. im weiteren Verlauf des 21. Jh. ein normales oder unnormales Land wie andere Länder auch sein werden; ein sehr mächtiges Land, zweiffellos - so mächtig wie China, oder so mächtig wie jedes andere vetoberechtigte Mitglied der Vereinten Nationen auch.

Nur: den obsessiven deutschen Amerika-Hass, der nicht ohne neidischen Unterton von einem "Imperium" redet, werde ich wohl nie mitempfinden können .

Gaius
 
Werbung:
Oh! Ich hatte mich geirrt, als ich schrieb:
das ursprüngliche "neokonservative" Manifest amerikanischer Weltherrschaft von 1998, unter anderem von so bekannten Persönlichkeiten wie Donald Rumsfeld, Dick Cheney und Paul Wolfowitz unterzeichnet, wird dort nicht mehr zu finden sein.
Hier ist es, und es ist schon von '97:

http://www.newamericancentury.org/statementofprinciples.htm

Man lese es unter dem Aspekt legitimer Selbstbehauptung einer Nation und entwerfe ein entsprechendes Manifest für Deutschland.

Why not?

Gaius
 
Zurück
Oben