Steinschneider versuchte sich in Wien mehrfach als Gesellschaftsreporter; während dieser Zeit erpresste er betuchte Bürger mit
Kolportagen in Klatschblättern. Er schlich sich auch in das Vertrauen eines betrügerischen Hellsehers ein, dessen Tricks er veröffentlichte, ironischerweise später jedoch selbst adaptierte.
Als
Kunstreiter und
Reckakrobat trat er im „Grand Zirkus Oriental“ auf und betrieb das angeblich „erste elektrische
Kettenkarussell der Welt“, das in Wirklichkeit von verborgenen Kindern angetrieben wurde. Er schlug sich ab dieser Zeit über Jahre auf mehr oder weniger legale Weise in
Schmierentheatern und Zirkussen mit Zauberkünstlern, sogenannten „Experimental-Psychologen“,
Hypnotiseuren oder
Varietékünstlern durch. Im
Ersten Weltkrieg schützte er sich vor gefährlichen Einsätzen, indem er den Zustand in der Heimat voraussagte. Das
österreichische Militär bildete er im
Wünschelrutengehen aus.
Auf der Suche nach Gelegenheitsarbeit versuchte er sich in
Berlin in Gaststätten erfolglos als klassischer
Zauberkünstler. Steinschneider kopierte die Gedankenlesedarbietung einer Varietékünstlerin „Frau Magda“ und trat in Kleinstadtvarietés in Europa als scheinbar echter Hypnotiseur auf. Später kopierte er die Show des als stärkster Mann der Welt gefeierten Kraftartisten
Siegmund Breitbart, wobei es Steinschneiders zarter Assistentin „unter Hypnose“ gelang, gleichfalls Ketten zu zerreißen u. ä., da beide die gleichen Tricks anwendeten. Der in der Presse ausgetragene Konkurrenzkampf der beiden Rivalen erregte so viel Aufsehen, dass beide im Dezember 1923 nach
New York engagiert wurden. Inzwischen nannte er sich – nach einer Vielzahl von Pseudonymen, Deck- und Künstlernamen – Erik Jan Hanussen und rühmte sich
dänischer Herkunft. Wieder in Europa, zeigte Steinschneider
Fakirkunststücke und präsentierte eine
Hungerkünstlerin.
Obwohl er sich in seinem Buch
Meine Lebenslinie selbst als
Hochstapler enttarnt und sogar seine Tricks veröffentlicht hatte, fand er später wieder zu seinem Metier zurück. Er versuchte auch viele Jahre, eine eigene „Schule des
Okkultismus“ zu gründen, was ihm letztlich aber nie gelang. Er verbesserte das klassische Hellsehkunststück „Zettellesen“ und machte in der Presse spektakuläre Vorhersagen, wobei er häufig falsch lag, Zufallstreffer jedoch groß herausstellte. Mit okkultistischen Beratungsgesprächen verdiente Hanussen nicht nur Geld, sondern erwarb auch gesellschaftliche Kontakte.
Im Februar 1928 wurde Hanussen vor dem Kreisgericht in
Litoměřice (Leitmeritz) (
Tschechoslowakei) des hundertfachen Betruges angeklagt, weil er den „Schwachsinn“ (gemeint ist: die
Dummheit oder
Naivität) von Gutgläubigen ausgenutzt habe. Der Prozess dauerte mehr als zwei Jahre und wurde bis in die
USA verfolgt. Im Mai 1930 wurde Hanussen schließlich freigesprochen mit der Begründung, ein „nicht schwachsinniger“ Mensch müsse damit rechnen, dass ein Hellseher sich irren kann.
[3] Der Weg zu einer grandiosen Karriere wurde damit erst möglich gemacht.
Der als intelligent geltende Hanussen verlegte mehrere Zeitungen, mit denen er genau wie in seinen Beratungsgesprächen die Sehnsüchte der Leser bediente.
Hanussens bunte Wochenschau war kurzfristig eine der auflagenstärksten Zeitungen Berlins. Durch „astrologische Börsentipps“ konnte er
Aktienkurse beeinflussen. Seine Hellsehshows wurden in Berlin Tagesgespräch und füllten schließlich zweimal täglich die Berliner „
Scala“. Hanussen verkaufte allerhand okkulte Produkte und wurde so reich, dass er sich unter anderem eine Luxus-Yacht leistete und in Berlin ein Gebäude als „Palast des Okkultismus“ ausbauen ließ.
Obwohl er
Jude war, suchte er ab 1930 die Nähe zum Nationalsozialismus und unterstützte in seinen astropolitischen Zeitungen den Aufstieg
Hitlers. Seine angebliche Voraussage des
Reichstagsbrands wurde mit seinen sehr guten Kontakten zur
SA-Führung erklärt, wobei er sich gewisse – von Hitler auffällig protegierte – Mitglieder durch Finanzierung ihrer Spielschulden und andere, insbesondere sexuelle Dienstbarkeiten zu verpflichten wusste. Ob er wirklich etwas über den bevorstehenden Reichstagsbrand wusste, ist unbekannt. Durch sein „Geldverleihen“ erwarb er sich viele Freunde. So auch den späteren
Polizeipräsidenten von Berlin,
Wolf-Heinrich Graf von Helldorff, der ihm sogar eine SA-Gruppe zur Verfügung stellte, um das Lokal seines größten Konkurrenten, das
Romanische Café, zu stürmen und ihn zum
Hitlergruß zu zwingen.