Ungeahnte Ausmaße nahm Mitte des 20. Jahrhunderts die Lobotomisierung psychisch Kranker an. Vor allem, nachdem der amerikanische Arzt Walter Freeman entdeckt hatte, wie sich der Schnitt ins Vorderhirn mit wenig Aufwand durchführen ließ: Er bohrte den Patienten einen Eispickel unterhalb des Lids am Augapfel vorbei in die Augenhöhle, durchstach den Schädelknochen und fuhrwerkte dann "nach Gefühl" mit der Klinge im Gehirn herum – und zwar so lange und gründlich, bis sein waches Opfer erste Ausfallerscheinungen zeigte. Zurück blieben leichte Hämatome am Auge und Patienten, die ihr weiteres Leben oft damit verbrachten, teilnahmslos die Wand anzustarren.
Ziel der Prozedur war es, diverse Störungen von Schizophrenie bis zur antisozialen Aufsässigkeit zu behandeln. Oder jedenfalls so weit abzumildern, dass die Patienten den Angehörigen oder Pflegekräften nicht mehr zur Last fielen. Mit seinem "Lobomobil", einem umgebauten Wohnmobil, fuhr Freeman durch die USA, um möglichst viele Patienten behandeln zu können. Er war aber nicht der Einzige. Insgesamt dürften im 20. Jahrhundert über 50 000 Menschen einer Lobotomie unterzogen worden sein, allein 3439 gingen auf Freemans Konto.