Ich würde mich überf Rückmeldungen freuen!
Katharina
Sagen Sie nicht, dass es so etwas nicht gibt,
und glauben Sie noch weniger, dass es Ihnen nicht auch passieren könnte, dass Sie eines Abends die Zeitung aufschlagen (in der Früh haben Sie keine Zeit gehabt, verschlafen, nur schnell den Kaffee hinunter geschüttet, Sie wissen, was ich meine), und zwischen Extrawurstbrot und einem Achterl Rot schaut Ihnen auf einmal Ihr eigenes Gesicht entgegen. Das glauben Sie zumindest im ersten Moment, aber dann fällt Ihnen ein, dass Sie ja keine berühmte, ja noch nicht mal eine bekannte Person sind, Sie wissen also sehr schnell, dass das nicht Ihr Gesicht sein kann, aber trotzdem: dieselbe hohe Stirn, dasselbe etwas zu weich geratene Kinn, die schmalen Augen und der volle Mund. Sogar die kleine Pockennarbe neben dem linken Auge: alles ist da. Natürlich suchen Sie jetzt den Text zu dem Bild, aber es gibt keinen Text.
Glauben Sie ja nicht, ich phantasiere Ihnen da was vor, auch wenn das alles völlig unglaubwürdig klingt – Welche Zeitung druckt Bilder und schreibt nicht die kleinste Zeile Text dazu? –, es war nun einmal so, da kann ich Ihnen nicht helfen. Und wenn Ihnen das passiert, dann werden Sie haargenau dasselbe tun, was ich getan habe, denn so ein Erlebnis ist ja ein ziemlicher Schock, eine Erschütterung, wenn Sie wissen, was ich meine, und Sie werden es spätestens dann wissen, wenn es bei Ihnen so weit ist: in Krankenstand gehen und in der Redaktion der Zeitung herumlungern. Zum Beispiel als Lehrer, der etwas für den Medienunterricht in Erfahrung bringen will (eine Exkursion vorbereiten zum Beispiel, mit dem Zuständigen für Schülerbetreuung reden,...). Sie werden, genau wie ich es getan habe, Augen und Ohren offen halten (auch Sie: kein Text! Kein Wort also über dieses Foto!). Wie ich werden auch Sie von keinem der Redakteure mit diesem Foto in Verbindung gebracht werden (Die schauen sich Ihre eigene Zeitung nicht einmal an!, das werden auch Sie sich denken) und plötzlich werden Sie, als Ihr Blick verstohlen über die Pinwände streift, die über den Schreibtischen angebracht sind, das Foto sehen. Der Schreibtischsessel an diesem Arbeitsplatz ist leer (vielleicht dreht sich der Sessel noch, wenn Sie dort sind, bei mir ist er still gestanden), Sie werden erkennen können, dass dort jemand mitten unter der Arbeit aufgebrochen ist. Am Bildschirm läuft der Bildschirmschoner (ein Delfin, der durch die Wasseroberfläche stößt), neben der Tastatur liegen verschiedene Zettel, auf der Pinwand hängen jede Menge Listen und Kärtchen, Redaktionstermine, Telefonnummern, kleine Werbegeschenke an bunten Schnüren, ein paar Fotos und auf einem dieser Fotos werden Sie sich abgebildet finden. Sie werden sich umgehend auf „mein Doppelgänger“ korrigieren, nicht nur, weil Sie ja Lehrer sind und Ihnen das Korrigieren im Blut liegt, sondern weil Sie sich nicht unterkriegen lassen wollen. Aber da wird der Kerl, der Sie zum Schülerverantwortlichen bringen soll (sein Name wird Ihnen schneller entfallen sein, als er ihn gesagt hat), schon bemerkt haben, dass Sie ihm nicht mehr folgen (nicht mehr auf den Fersen folgen), er wird sich umgedreht haben, zu Ihnen zurückgegangen sein und gesagt haben: „Ist ein ganz normaler Arbeitsplatz, kommen Sie, ich zeige Ihnen den Raum für die Redaktionsbesprechungen.“ Sie werden nicht anders können, als ihm zu folgen. Einen Blick werden Sie noch über die Schulter werfen, hin zur Tür, aber der Mann mit Ihrem Gesicht kommt nicht herein. Nicht gerade und nicht zufällig, sondern ganz einfach gar nicht. Sie lassen also die öden Erklärungen des Redaktionsheinis über sich ergehen und nicken alle drei Minuten interessiert. Endlich wird ihm dann nichts mehr einfallen, der wirklich Zuständige wird aber immer noch keine Zeit haben.
„Bei uns ist heute mehr los als normal“, wird der Redaktionsheini schließlich sagen und er wird um Nachsicht bitten, denn normalerweise klappe bei ihnen immer alles wie am Schnürchen und die Betreuung der zukünftigen Zeitungsleser liege ihnen wirklich sehr am Herzen. „Aber“, wird er dann sagen, „heute ist was Blödes passiert, da ist ein Foto in die Wien-Ausgabe gerutscht, das gar nicht dort hineingehört, und jetzt ist der Teufel los.“
Jetzt werden Sie aber hellhörig werden. Ganz, ganz hellhörig werden Sie werden und mit möglichst beiläufiger Stimme werden Sie nachfragen, was das denn für ein Foto gewesen sei und wie das gehen könne, dass es einfach so zwischen die Artikel rutsche. Der Redaktionsheini wird zuerst einmal nichts Genaues wissen. „Machen wir uns doch nichts vor“, wird er auch zu Ihnen sagen. „Sowas passiert den besten Leuten“, wird er also sagen und Sie werden zustimmend nicken, um ihn bei Laune zu halten. „Und das Foto?“, werden Sie aber trotzdem und genauso wie ich insistieren, „Wer ist da eigentlich drauf?“, und der Redaktionsheini, Herr Mitterlehner heißt er, sein Name wird Ihnen einstweilen eingefallen sein, Herr Mitterlehner wird Ihnen also sagen, dass es sich peinlicherweise um sein eigenes Foto handle. Er habe am Morgen verschlafen, nur schnell den Kaffee hinuntergeschüttet, Sie wüssten doch, was er meine, und dann habe er in der Schludrigkeit dieses Morgens sein Foto in die Zeitung kopiert statt in das Mail, das er eigentlich ... Wie ich werden Sie hier nicht mehr zuhören, das wird Sie alles nicht interessieren, denn Sie werden – wie ich – absolut entsetzt sein, dass Ihnen die ganze Zeit über nicht aufgefallen ist, dass dieser Herr Mitterlehner Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Sie werden seine Gesichtszüge jetzt aber umso genauer studieren – er wird ohnehin so in seine Rechtfertigung vertieft sein, dass er Ihre Blicke nicht bemerken wird, er wird über dieses Mail an die Kollegin palavern, sie sitze dort, wo Sie sich zuvor länger aufgehalten hätten, das Ganze hätte eigentlich ein Scherz sein sollen, ...– und jetzt werden Sie es ganz deutlich sehen: dieselbe hohe Stirn, dasselbe etwas zu weich geratene Kinn, die schmalen Augen und der volle Mund. Sogar die kleine Pockennarbe neben dem linken Auge. Sie werden sich – Achten Sie darauf! – unwillkürlich mit der Hand ins Gesicht fahren, als ob sich diese unglaubliche Ähnlichkeit so verwischen ließe – Sie lässt sich nicht verwischen, glauben Sie mir –, und irgendwann wird dieser Mitterlehner mit seinem Gerede fertig sein. Sie werden wie ich jetzt keine Zeit mehr haben, Sie werden ein anderes Mal kommen, um Genaueres wegen des Redaktionsbesuches auszumachen. Sie werden schauen, dass Sie davon kommen, bevor noch irgendjemandem außer Ihnen auffällt, dass es Ihr Gesicht doppelt gibt.
Sie werden geduckt nachhause gehen wie einer, der etwas ausgefressen hat, Sie werden die Zeitung abbestellen und einige Wochen lang eine kräftige Identitätskrise auszustehen haben. Aber seien Sie beruhigt, denken Sie daran, wenn Sie vor dem Fernseher hocken oder vor der Spielkonsole und es gar nicht lustig finden, nichts anderes zu tun, als vor dem Fernseher oder der Spielkonsole zu hocken: es geht vorbei. Denn wie ich werden Sie nach ein paar Wochen in den Spiegel schauen und da wird auf einmal nicht mehr dieser Mitterlehner herausschauen, sondern jemand mit einem kräftigen Doppelkinn und mit ziemlich runden Backen, Schweißtröpfchen werden über den Lippen stehen, die wie erschrocken ins Gesicht zurückgewichen sein werden. Die Augen werden fast nicht mehr zu sehen sein und auch die Pockennarbe werden Sie nur noch erahnen können. Große Erleichterung wird Sie überkommen und wie mich wird es Sie einen Dreck scheren, wenn Sie Ihre Kollegen mit besorgten Gesichtern empfangen, weil man Ihnen die lange Krankheit halt ansieht. „Teigig“, werden Sie sie tuscheln hören. „Das kommt von den Medikamenten“, werden Sie sie hören, aber diese Irrtümer werden Sie kalt lassen. Sie werden darüber nur lächeln und nicht einmal dieses Lächeln werden Ihre Kollegen sehen, weil es in Ihrem neuen Gesicht verschwunden sein wird.
Katharina
Sagen Sie nicht, dass es so etwas nicht gibt,
und glauben Sie noch weniger, dass es Ihnen nicht auch passieren könnte, dass Sie eines Abends die Zeitung aufschlagen (in der Früh haben Sie keine Zeit gehabt, verschlafen, nur schnell den Kaffee hinunter geschüttet, Sie wissen, was ich meine), und zwischen Extrawurstbrot und einem Achterl Rot schaut Ihnen auf einmal Ihr eigenes Gesicht entgegen. Das glauben Sie zumindest im ersten Moment, aber dann fällt Ihnen ein, dass Sie ja keine berühmte, ja noch nicht mal eine bekannte Person sind, Sie wissen also sehr schnell, dass das nicht Ihr Gesicht sein kann, aber trotzdem: dieselbe hohe Stirn, dasselbe etwas zu weich geratene Kinn, die schmalen Augen und der volle Mund. Sogar die kleine Pockennarbe neben dem linken Auge: alles ist da. Natürlich suchen Sie jetzt den Text zu dem Bild, aber es gibt keinen Text.
Glauben Sie ja nicht, ich phantasiere Ihnen da was vor, auch wenn das alles völlig unglaubwürdig klingt – Welche Zeitung druckt Bilder und schreibt nicht die kleinste Zeile Text dazu? –, es war nun einmal so, da kann ich Ihnen nicht helfen. Und wenn Ihnen das passiert, dann werden Sie haargenau dasselbe tun, was ich getan habe, denn so ein Erlebnis ist ja ein ziemlicher Schock, eine Erschütterung, wenn Sie wissen, was ich meine, und Sie werden es spätestens dann wissen, wenn es bei Ihnen so weit ist: in Krankenstand gehen und in der Redaktion der Zeitung herumlungern. Zum Beispiel als Lehrer, der etwas für den Medienunterricht in Erfahrung bringen will (eine Exkursion vorbereiten zum Beispiel, mit dem Zuständigen für Schülerbetreuung reden,...). Sie werden, genau wie ich es getan habe, Augen und Ohren offen halten (auch Sie: kein Text! Kein Wort also über dieses Foto!). Wie ich werden auch Sie von keinem der Redakteure mit diesem Foto in Verbindung gebracht werden (Die schauen sich Ihre eigene Zeitung nicht einmal an!, das werden auch Sie sich denken) und plötzlich werden Sie, als Ihr Blick verstohlen über die Pinwände streift, die über den Schreibtischen angebracht sind, das Foto sehen. Der Schreibtischsessel an diesem Arbeitsplatz ist leer (vielleicht dreht sich der Sessel noch, wenn Sie dort sind, bei mir ist er still gestanden), Sie werden erkennen können, dass dort jemand mitten unter der Arbeit aufgebrochen ist. Am Bildschirm läuft der Bildschirmschoner (ein Delfin, der durch die Wasseroberfläche stößt), neben der Tastatur liegen verschiedene Zettel, auf der Pinwand hängen jede Menge Listen und Kärtchen, Redaktionstermine, Telefonnummern, kleine Werbegeschenke an bunten Schnüren, ein paar Fotos und auf einem dieser Fotos werden Sie sich abgebildet finden. Sie werden sich umgehend auf „mein Doppelgänger“ korrigieren, nicht nur, weil Sie ja Lehrer sind und Ihnen das Korrigieren im Blut liegt, sondern weil Sie sich nicht unterkriegen lassen wollen. Aber da wird der Kerl, der Sie zum Schülerverantwortlichen bringen soll (sein Name wird Ihnen schneller entfallen sein, als er ihn gesagt hat), schon bemerkt haben, dass Sie ihm nicht mehr folgen (nicht mehr auf den Fersen folgen), er wird sich umgedreht haben, zu Ihnen zurückgegangen sein und gesagt haben: „Ist ein ganz normaler Arbeitsplatz, kommen Sie, ich zeige Ihnen den Raum für die Redaktionsbesprechungen.“ Sie werden nicht anders können, als ihm zu folgen. Einen Blick werden Sie noch über die Schulter werfen, hin zur Tür, aber der Mann mit Ihrem Gesicht kommt nicht herein. Nicht gerade und nicht zufällig, sondern ganz einfach gar nicht. Sie lassen also die öden Erklärungen des Redaktionsheinis über sich ergehen und nicken alle drei Minuten interessiert. Endlich wird ihm dann nichts mehr einfallen, der wirklich Zuständige wird aber immer noch keine Zeit haben.
„Bei uns ist heute mehr los als normal“, wird der Redaktionsheini schließlich sagen und er wird um Nachsicht bitten, denn normalerweise klappe bei ihnen immer alles wie am Schnürchen und die Betreuung der zukünftigen Zeitungsleser liege ihnen wirklich sehr am Herzen. „Aber“, wird er dann sagen, „heute ist was Blödes passiert, da ist ein Foto in die Wien-Ausgabe gerutscht, das gar nicht dort hineingehört, und jetzt ist der Teufel los.“
Jetzt werden Sie aber hellhörig werden. Ganz, ganz hellhörig werden Sie werden und mit möglichst beiläufiger Stimme werden Sie nachfragen, was das denn für ein Foto gewesen sei und wie das gehen könne, dass es einfach so zwischen die Artikel rutsche. Der Redaktionsheini wird zuerst einmal nichts Genaues wissen. „Machen wir uns doch nichts vor“, wird er auch zu Ihnen sagen. „Sowas passiert den besten Leuten“, wird er also sagen und Sie werden zustimmend nicken, um ihn bei Laune zu halten. „Und das Foto?“, werden Sie aber trotzdem und genauso wie ich insistieren, „Wer ist da eigentlich drauf?“, und der Redaktionsheini, Herr Mitterlehner heißt er, sein Name wird Ihnen einstweilen eingefallen sein, Herr Mitterlehner wird Ihnen also sagen, dass es sich peinlicherweise um sein eigenes Foto handle. Er habe am Morgen verschlafen, nur schnell den Kaffee hinuntergeschüttet, Sie wüssten doch, was er meine, und dann habe er in der Schludrigkeit dieses Morgens sein Foto in die Zeitung kopiert statt in das Mail, das er eigentlich ... Wie ich werden Sie hier nicht mehr zuhören, das wird Sie alles nicht interessieren, denn Sie werden – wie ich – absolut entsetzt sein, dass Ihnen die ganze Zeit über nicht aufgefallen ist, dass dieser Herr Mitterlehner Ihnen wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Sie werden seine Gesichtszüge jetzt aber umso genauer studieren – er wird ohnehin so in seine Rechtfertigung vertieft sein, dass er Ihre Blicke nicht bemerken wird, er wird über dieses Mail an die Kollegin palavern, sie sitze dort, wo Sie sich zuvor länger aufgehalten hätten, das Ganze hätte eigentlich ein Scherz sein sollen, ...– und jetzt werden Sie es ganz deutlich sehen: dieselbe hohe Stirn, dasselbe etwas zu weich geratene Kinn, die schmalen Augen und der volle Mund. Sogar die kleine Pockennarbe neben dem linken Auge. Sie werden sich – Achten Sie darauf! – unwillkürlich mit der Hand ins Gesicht fahren, als ob sich diese unglaubliche Ähnlichkeit so verwischen ließe – Sie lässt sich nicht verwischen, glauben Sie mir –, und irgendwann wird dieser Mitterlehner mit seinem Gerede fertig sein. Sie werden wie ich jetzt keine Zeit mehr haben, Sie werden ein anderes Mal kommen, um Genaueres wegen des Redaktionsbesuches auszumachen. Sie werden schauen, dass Sie davon kommen, bevor noch irgendjemandem außer Ihnen auffällt, dass es Ihr Gesicht doppelt gibt.
Sie werden geduckt nachhause gehen wie einer, der etwas ausgefressen hat, Sie werden die Zeitung abbestellen und einige Wochen lang eine kräftige Identitätskrise auszustehen haben. Aber seien Sie beruhigt, denken Sie daran, wenn Sie vor dem Fernseher hocken oder vor der Spielkonsole und es gar nicht lustig finden, nichts anderes zu tun, als vor dem Fernseher oder der Spielkonsole zu hocken: es geht vorbei. Denn wie ich werden Sie nach ein paar Wochen in den Spiegel schauen und da wird auf einmal nicht mehr dieser Mitterlehner herausschauen, sondern jemand mit einem kräftigen Doppelkinn und mit ziemlich runden Backen, Schweißtröpfchen werden über den Lippen stehen, die wie erschrocken ins Gesicht zurückgewichen sein werden. Die Augen werden fast nicht mehr zu sehen sein und auch die Pockennarbe werden Sie nur noch erahnen können. Große Erleichterung wird Sie überkommen und wie mich wird es Sie einen Dreck scheren, wenn Sie Ihre Kollegen mit besorgten Gesichtern empfangen, weil man Ihnen die lange Krankheit halt ansieht. „Teigig“, werden Sie sie tuscheln hören. „Das kommt von den Medikamenten“, werden Sie sie hören, aber diese Irrtümer werden Sie kalt lassen. Sie werden darüber nur lächeln und nicht einmal dieses Lächeln werden Ihre Kollegen sehen, weil es in Ihrem neuen Gesicht verschwunden sein wird.