Der reizende Reigen der deutschen Rechtschreibung
Salut!
1920 schockierte gerade in Berlin Schnitzlers 'Reigen' die Zeitgenossen, bemühte den preussischen Kuturminister und die Gerichte, und obwohl die Thematik eine ganz andere war -grins, finde ich das irgendwie komisch und passend.
Robin, Du kannst angstfrei 'fehlerfrei' schreiben, ob die Reform gekippt wird, oder bleibt. Vielleicht sollte ich aber als Ausländer zuerst um Erlaubnis fragen, mich zum Thema äussern zu dürfen .
Cœur Froid, Du irrst Dich.
a) Die Reform kann 'umgekehrt' werden
b) die Diskussion wurde nicht im sog. Sommerloch angeregt
c) reine Rhetorik ist nur ganz selten unterhaltsam.
Der Zeitpunkt, der etwas demagogischen Feststellung 'in der täglichen Erprobung sei die Reform gescheitert, die Schreib- und Lesefähigkeit nehme ab, die Verunsicherung zu...' ist keinesfalls willkürlich! Die Gegner der Reform wittern eine Chance, die Reform zu putschen. Der Zeitpunkt mutet eher sehr stark nach einem 'Productplacement' an -grins : Die siebenjährige Übergangsfrist läuft ab, die Reform steht auf dem Programm der Oktober-Konferenz der deutschen Ministerpräsidenten, die die def. Einführung (8.05) in Frage stellen oder sogar verhindern könnten.
Dass 'Axel Springer' und 'Spiegel' von Frank Schirrmacher 'begleitet' werden, verwundert auch nicht. FAZ frohlockt bereits: 'Die Reform ist gekippt'.
Würde aber die Rückbuchstabierung nicht noch mehr Irritationen schaffen? Sicher, viele Schriftsteller, Sprachwissenschafter und Politiker freuen sich über die medial geschürte Erregung, einige wollen tendenziell bei der Reform bleiben, FAZ kehrte bereits nach nur einem Jahr zur alten Rechtschreibung zurück, einige wollen an der Reform festhalten... vorläufig... weil 'bindend ist, was in den Schulen gelehrt wird' etc. Die Reformer reformierten während der Übergangsfrist unter schon damalig starken Druck weiter und brachten damit sicher weitere Unsicherheiten. Es wurde aber mehr Unsinniges aus der Rechtschreibung eliminiert und Du (cf) kommst nicht daran vorbei, dass ein Grossteil der Änderungen etymologisch sinnvoll ist. Würde man sich der sog. 'Mehrheit der Bevölkerung', die sich gegen die neue Orthographie 'ausgesprochen' hat, beugen, wäre freilich jede Rechtschreiberegelung -in jeder Sprache- zu kippen.
Die Kultus- und Erziehungsbehörden werden nun wieder in Wien zusammentreffen, wo sie im Juli 96 die Erklärung über die Neuregelung der deutschen Sprache unterzeichneten und werden hoffentlich die richtigen Entscheidungen treffen, 'Springer' hin und 'Spiegel' her. Die Reform wird nämlich genauso fundamentalisch bekämpft wie sie entstanden ist. Die Machtkämpfe sollen aber nicht schon wieder die Schüler ausbaden müssen, die z.T. seit sechs Jahren die neuen Regeln lernen -die Reform wurde in bindender Terminabsprache erfolgreich bis zum letzten PC-Rechtschreibeprogramm umgesetzt- und wenn nicht gute, so auch keine schlechteren Erfahrungen damit machen!
Volkswirtschaftlich ist eine Umkehr kaum zu verantworten. Die Kosten werden mit 250 Mio. € veranschlagt, sollten die Schulbücher auf einen Schlag wieder ersetzt werden müssen. Die Schulbücher- und Wörterbuch-Herausgeber wird es freuen, doch auch sie plädieren gegebenenfalls für eine grosszügige Übergangsfrist, wohl wissend, dass sich das öffentliche Bildungswesen diese Mehrkosten gar nicht leisten kann und wohl auch, die eigenen Kapazitäten sehend. Das aber würde heissen, ihr hättet zwei bis drei Generationen Schüler, die während sie lernen, bereis wieder umlernen müssen.
Pragmatisch wäre es ziemlich leicht zu lösen. In 'wenigen' Jahren sind die Herren Grass & Co., die Amtierenden in den Verlagen und Redaktionen durch die heutigen Schüler ersetzt worden. Man wird ev. wieder 'unterderhand' schreiben, aber doch eher nicht -grins und die Sprache weiter als etwas Lebendiges verstehen und nicht auf stur Festlegbares herabsetzen. Doch Grundregeln wird es immer brauchen. Wenn 'Spiegel' und 'Springer' jetzt auf der Basis der alten Rechtschreibung nachdenken, welche Vorschläge der Reform übernommen werden können, bin ich entzückt. Bis jetzt kümmerten sie sich nicht immer so sorgfältig um die Sprache. Meiner eskapistischen Seele tut so was gut - gleichzeitig geht es mir aber durch Mark und Bein. Die geographisch abgelegene Lage passt zeitweilig zu meinem Gefühl, aus der Welt verstossen zu sein...in der Weltstadt Berlin hätte ich dieses Gefühl aber erst recht.
Gerade als die Sprachreform beschlossen wurde (7.96), verstarb freiwillig die Schriftstellerin Adelheid Duvanel, die mit klarer Sprache und überraschenden Satzwendungen für mein Wohlgefallen sorgt. "Jakob nennt die Suppe, die er täglich kocht, 'Eigenbrötlersuppe' ", ist so ein Satz...
In der DDR wurde das kommunistische Regime verjagt, weil es keine Reformen zuliess. Dieselben Menschen -und viele andere natürlich- wehren sich mit fast gleicher Vehemenz gegen die Schröder-Reformen und werden sehr wahrscheinlich auch ihn zu Fall bringen. Wäre doch gelacht, 'man' schafft die Rechtschreibereform nicht auch noch.
Das Regelwerk (die Charta) der UNO ist schon lange nicht mehr zeitgemäss und bedarf einer Revision. Wer aber würde es wagen, diese anzukurbeln? Höchstens noch die Amerikaner, denn ohne sie läuft -negativ wie positiv- nichts. In Europa scheint sich durchzusetzen, dass jeder jeden behindert, um sich zu profilieren. Konsensfähigkeit ist rar geworden. Vielleicht ist das die Schattenseite unserer Freiheit. Ein Emanzipationsprozess, in dem es leider bisweilen an Grenzen fehlt. An Grenzen zwischen Freiheit und Chaos, Selbstbewusstsein und Egoismus. Ein Prozess in dem auch Mangel an Selbstreflexîon herrscht.
Mit der nächsten Schifffahrt warte ich noch etwas-bis ich weiss, wie ich sie zu schreiben habe. Zum Glück kann ich nach wie vor golfen. Rad fahren und spazieren gehen ist wesentlich problematischer.
Salut!
1920 schockierte gerade in Berlin Schnitzlers 'Reigen' die Zeitgenossen, bemühte den preussischen Kuturminister und die Gerichte, und obwohl die Thematik eine ganz andere war -grins, finde ich das irgendwie komisch und passend.
Robin, Du kannst angstfrei 'fehlerfrei' schreiben, ob die Reform gekippt wird, oder bleibt. Vielleicht sollte ich aber als Ausländer zuerst um Erlaubnis fragen, mich zum Thema äussern zu dürfen .
Cœur Froid, Du irrst Dich.
a) Die Reform kann 'umgekehrt' werden
b) die Diskussion wurde nicht im sog. Sommerloch angeregt
c) reine Rhetorik ist nur ganz selten unterhaltsam.
Der Zeitpunkt, der etwas demagogischen Feststellung 'in der täglichen Erprobung sei die Reform gescheitert, die Schreib- und Lesefähigkeit nehme ab, die Verunsicherung zu...' ist keinesfalls willkürlich! Die Gegner der Reform wittern eine Chance, die Reform zu putschen. Der Zeitpunkt mutet eher sehr stark nach einem 'Productplacement' an -grins : Die siebenjährige Übergangsfrist läuft ab, die Reform steht auf dem Programm der Oktober-Konferenz der deutschen Ministerpräsidenten, die die def. Einführung (8.05) in Frage stellen oder sogar verhindern könnten.
Dass 'Axel Springer' und 'Spiegel' von Frank Schirrmacher 'begleitet' werden, verwundert auch nicht. FAZ frohlockt bereits: 'Die Reform ist gekippt'.
Würde aber die Rückbuchstabierung nicht noch mehr Irritationen schaffen? Sicher, viele Schriftsteller, Sprachwissenschafter und Politiker freuen sich über die medial geschürte Erregung, einige wollen tendenziell bei der Reform bleiben, FAZ kehrte bereits nach nur einem Jahr zur alten Rechtschreibung zurück, einige wollen an der Reform festhalten... vorläufig... weil 'bindend ist, was in den Schulen gelehrt wird' etc. Die Reformer reformierten während der Übergangsfrist unter schon damalig starken Druck weiter und brachten damit sicher weitere Unsicherheiten. Es wurde aber mehr Unsinniges aus der Rechtschreibung eliminiert und Du (cf) kommst nicht daran vorbei, dass ein Grossteil der Änderungen etymologisch sinnvoll ist. Würde man sich der sog. 'Mehrheit der Bevölkerung', die sich gegen die neue Orthographie 'ausgesprochen' hat, beugen, wäre freilich jede Rechtschreiberegelung -in jeder Sprache- zu kippen.
Die Kultus- und Erziehungsbehörden werden nun wieder in Wien zusammentreffen, wo sie im Juli 96 die Erklärung über die Neuregelung der deutschen Sprache unterzeichneten und werden hoffentlich die richtigen Entscheidungen treffen, 'Springer' hin und 'Spiegel' her. Die Reform wird nämlich genauso fundamentalisch bekämpft wie sie entstanden ist. Die Machtkämpfe sollen aber nicht schon wieder die Schüler ausbaden müssen, die z.T. seit sechs Jahren die neuen Regeln lernen -die Reform wurde in bindender Terminabsprache erfolgreich bis zum letzten PC-Rechtschreibeprogramm umgesetzt- und wenn nicht gute, so auch keine schlechteren Erfahrungen damit machen!
Volkswirtschaftlich ist eine Umkehr kaum zu verantworten. Die Kosten werden mit 250 Mio. € veranschlagt, sollten die Schulbücher auf einen Schlag wieder ersetzt werden müssen. Die Schulbücher- und Wörterbuch-Herausgeber wird es freuen, doch auch sie plädieren gegebenenfalls für eine grosszügige Übergangsfrist, wohl wissend, dass sich das öffentliche Bildungswesen diese Mehrkosten gar nicht leisten kann und wohl auch, die eigenen Kapazitäten sehend. Das aber würde heissen, ihr hättet zwei bis drei Generationen Schüler, die während sie lernen, bereis wieder umlernen müssen.
Pragmatisch wäre es ziemlich leicht zu lösen. In 'wenigen' Jahren sind die Herren Grass & Co., die Amtierenden in den Verlagen und Redaktionen durch die heutigen Schüler ersetzt worden. Man wird ev. wieder 'unterderhand' schreiben, aber doch eher nicht -grins und die Sprache weiter als etwas Lebendiges verstehen und nicht auf stur Festlegbares herabsetzen. Doch Grundregeln wird es immer brauchen. Wenn 'Spiegel' und 'Springer' jetzt auf der Basis der alten Rechtschreibung nachdenken, welche Vorschläge der Reform übernommen werden können, bin ich entzückt. Bis jetzt kümmerten sie sich nicht immer so sorgfältig um die Sprache. Meiner eskapistischen Seele tut so was gut - gleichzeitig geht es mir aber durch Mark und Bein. Die geographisch abgelegene Lage passt zeitweilig zu meinem Gefühl, aus der Welt verstossen zu sein...in der Weltstadt Berlin hätte ich dieses Gefühl aber erst recht.
Gerade als die Sprachreform beschlossen wurde (7.96), verstarb freiwillig die Schriftstellerin Adelheid Duvanel, die mit klarer Sprache und überraschenden Satzwendungen für mein Wohlgefallen sorgt. "Jakob nennt die Suppe, die er täglich kocht, 'Eigenbrötlersuppe' ", ist so ein Satz...
In der DDR wurde das kommunistische Regime verjagt, weil es keine Reformen zuliess. Dieselben Menschen -und viele andere natürlich- wehren sich mit fast gleicher Vehemenz gegen die Schröder-Reformen und werden sehr wahrscheinlich auch ihn zu Fall bringen. Wäre doch gelacht, 'man' schafft die Rechtschreibereform nicht auch noch.
Das Regelwerk (die Charta) der UNO ist schon lange nicht mehr zeitgemäss und bedarf einer Revision. Wer aber würde es wagen, diese anzukurbeln? Höchstens noch die Amerikaner, denn ohne sie läuft -negativ wie positiv- nichts. In Europa scheint sich durchzusetzen, dass jeder jeden behindert, um sich zu profilieren. Konsensfähigkeit ist rar geworden. Vielleicht ist das die Schattenseite unserer Freiheit. Ein Emanzipationsprozess, in dem es leider bisweilen an Grenzen fehlt. An Grenzen zwischen Freiheit und Chaos, Selbstbewusstsein und Egoismus. Ein Prozess in dem auch Mangel an Selbstreflexîon herrscht.
Mit der nächsten Schifffahrt warte ich noch etwas-bis ich weiss, wie ich sie zu schreiben habe. Zum Glück kann ich nach wie vor golfen. Rad fahren und spazieren gehen ist wesentlich problematischer.
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