AW: Psycho-Normen als Gewaltprävention?
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Denkst Du aber wirklich, das Leben lässt sich nur mit Liebe und "Machen was man will" meistern? Wie willst Du denn unter solchen Prämissen, die erforderliche Koopereation zwischen Menschen in der arbeistteiligen heutigen Gesellschaft sicherstellen?
Ist in Deinen Augen auch soetwas wie Disziplin, Zuverlässigkeit etc. verzichtbar? Falls ja, dann hast Du Dich im Interesse Deiner nicht vorhandenen Kinder zu Recht gegen deren Entstehung entschieden - denn Kinder brauchen i.A. zuverlässige Elltern und berechenbare Lebensumstände. Und solche aufrechtzuerhalten, geht nicht mit "Lust und Liebe" alleine.
LG, pispezi
Hallo Pispezi!
Du rührst hier gleich an mehrere Themen, die mir etwas bedeuten.
Das eine ist die antiautoritäre Erziehung, die ja immer wieder, und nun auch von dir, als Ursache für die "missratenen Generationen" herangezogen wird.
Barbara hat in ihrer Antwort schon "Summerhill" von A.S.Neill erwähnt. Wer damals, als Kind einer Generation, von Eltern und Lehrer, die massiv autoritär und nach den Gesetzen der "schwarzen Pädagogik", mit Strafen und Befehlen und dem Fordern von absolutem Gehorsam erzogen haben, aufgewachsen ist, für den war die antiautoritäre Erziehung eine Erlösung. Denn das, was man am eigenen Leib erfahren hatte, das konnte man seinen eigenen Kindern nicht antun.
Antiautoritär hieß, ohne Zwang, demokratisch, die Kinderbedürfnisse berücksichtigend, für sie eintretend. Dass diese Art, mit Kindern umzugehen, in dem noch herrschenden gesellschaftlichen Umfeld für die Kinder selbst oft eine Überforderung darstellte, das hörte ich von meinen Kindern dann später, als sie erwachsen wurden.
Die Predigt, dass ich als Mutter vieles falsch gemacht hätte, ersparten sie mir nicht. Allerdingst verdammten sie mich nicht, so wie ich es noch mit meinen Eltern gemacht hatte.
Deiner Forderung, dass Kinder Sicherheit brauchen, kann ich nur ein etwas schiefes Lächeln entgegen bringen. Zuverlässige Eltern und berechenbare Lebensumstände gehören für mich auf die Wunschliste für das Christkind (oder den Weihnachtsmann).
Wie berechenbar ist es, wenn der Familienerhalter plötzlich durch einen Autounfall ums Leben kommt?
Wie zuverlässig sind Eltern, wenn die Beziehung zerbricht, weil der Ehemann wochentags in einer anderen Stadt arbeiten muss und nur zum Wochenende nach Hause kommen kann, und deswegen die Ehe zerbricht?
Liebe und "mach was du willst" hat den großen Vorteil, dass es das Selbstbewusstsein der Kinder stärkt und sie daher voll Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten neue Anforderungen in ihrem Leben angehen. Das ist heutzutage gefragter als alles andere. Die Inhalte, die für eine Aufgabe gebraucht werden, die kann sich jeder aneignen, den Glauben an sich selbst aber nicht.
Das geringe Selbstbewusstsein ist allerdings oft ein Grund für das Gefühl der Hilflosigkeit. Und daraus wiederum entsteht das Bedürfnis, sich gewaltsam Geltung zu verschaffen.