"Kultur ist Gedächtnis", heißt es bei Jan Assmann. Wenn Kultur "als überlieferte" gegeben und "als weiterzuüberliefernde" aufgegeben ist, so lässt sich daraus der Schluss ziehen: Überlieferung ist Gedächtnis und prima facie nicht im geringsten als Vergessen zu verstehen. Kultur und Überlieferung könnten so gesehen als Inbegriffe menschlicher Widersetzlichkeit gegen das Vergessen gelten, das von der Zeit, den Mängeln unseres Gedächtnisses und natürlichen oder gewalttätigen Zerstörungen seiner Leistungen bewirkt wird. In dieser Widersetzlichkeit liegt, so wird immer wieder behauptet, ungeachtet aller Mängel des Gedächtnisses und Zerstörungen, durch die sich die Menschen selber am Kapital ihrer Überlieferung vergehen, deren eigentlicher Sinn. Zwar gerät faktisch vieles in Vergessenheit; doch kann Vergessen so gesehen nicht im Sinn der Überlieferung liegen. Vergessen würde ihr demzufolge stets nur als etwas ihrem eigentlichen Sinn Fremdes widerfahren, an dem sie selbst keinen Anteil hätte. Wurde die Überlieferung nicht seit je her von Erfahrungen des Verlusts und der Veränderung, des Entzugs und der Zerstörung, von der Negativität der Zeit und menschlicher Destruktivität her dazu herausgefordert, sich dem Vergessen zu widersetzen und nur von traumatischen Überforderungen radikal daran gehindert?
Oder gehört das Vergessen konstitutiv zur menschlichen Geschichtlichkeit? Gehören Gedächtnis und Vergessen ursprünglich zusammen? Muss man vergessen (haben), um überhaupt erinnern zu können? Setzt das Erinnern ein vorgängiges Vergessen voraus, das sich niemals völlig aufheben lassen wird?
Das Seminar wird auf Versuche einer positiven Auffassung des Vergessens eingehen. Und zwar ausgehend von Nietzsches "genealogischer" Auffassung der Geschichte und speziell mit Blick auf den jüngsten Versuch Ricœurs, das Vergessen für das Projekt einer Versöhnung von Gedächtnis und Geschichte zu mobilisieren.
B. Liebsch
Wenn es eine Gedächtniskunst gibt, sollte es dann nicht auch eine Kunst des Vergessens geben? Wieviel Vergessen braucht oder verträgt eine Kultur, und wann überschreitet die Vergeßlichkeit die Grenzen der Moral? Auf solche Fragen kann besser antworten, wer sich mit der Kulturgeschichte des Vergessens vertraut gemacht hat. Diese Geschichte legt Harald Weinrich hier vor - ebenso gelehrt wie stilistisch brillant geschrieben, ebenso unterhaltend wie zum Nachdenken einladend.
H. Weinrich, Lethe
Etwas zu vergessen, das passiert jedem, dem einen häufiger, dem anderen seltener.
Etwas zu vergessen, heißt: sich zu spät an etwas erinnern, sich gar nciht an etwas erinnern.
Es hat einen moralischen Aspekt. Jemand, der ständig Verabredungen, Versprechen, Zusagen vergisst, gilt als unzuverlässig.
Manchmal hat man das Gefühl, sich nur unwichtiges zu merken, wichtiges aber einfach nicht behalten zu können.
Die Frage, die sich aus den beiden Zitaten oben ergibt: Gibt es eine Brisanz des vergessens im positiven Sinn?
Außerdem eine grundsätzliche Frage: was heißt das eigentlich: etwas vergessen?
Die Beziehung zu Nietzsche: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben.
Lese ich gerade
Oder gehört das Vergessen konstitutiv zur menschlichen Geschichtlichkeit? Gehören Gedächtnis und Vergessen ursprünglich zusammen? Muss man vergessen (haben), um überhaupt erinnern zu können? Setzt das Erinnern ein vorgängiges Vergessen voraus, das sich niemals völlig aufheben lassen wird?
Das Seminar wird auf Versuche einer positiven Auffassung des Vergessens eingehen. Und zwar ausgehend von Nietzsches "genealogischer" Auffassung der Geschichte und speziell mit Blick auf den jüngsten Versuch Ricœurs, das Vergessen für das Projekt einer Versöhnung von Gedächtnis und Geschichte zu mobilisieren.
B. Liebsch
Wenn es eine Gedächtniskunst gibt, sollte es dann nicht auch eine Kunst des Vergessens geben? Wieviel Vergessen braucht oder verträgt eine Kultur, und wann überschreitet die Vergeßlichkeit die Grenzen der Moral? Auf solche Fragen kann besser antworten, wer sich mit der Kulturgeschichte des Vergessens vertraut gemacht hat. Diese Geschichte legt Harald Weinrich hier vor - ebenso gelehrt wie stilistisch brillant geschrieben, ebenso unterhaltend wie zum Nachdenken einladend.
H. Weinrich, Lethe
Etwas zu vergessen, das passiert jedem, dem einen häufiger, dem anderen seltener.
Etwas zu vergessen, heißt: sich zu spät an etwas erinnern, sich gar nciht an etwas erinnern.
Es hat einen moralischen Aspekt. Jemand, der ständig Verabredungen, Versprechen, Zusagen vergisst, gilt als unzuverlässig.
Manchmal hat man das Gefühl, sich nur unwichtiges zu merken, wichtiges aber einfach nicht behalten zu können.
Die Frage, die sich aus den beiden Zitaten oben ergibt: Gibt es eine Brisanz des vergessens im positiven Sinn?
Außerdem eine grundsätzliche Frage: was heißt das eigentlich: etwas vergessen?
Die Beziehung zu Nietzsche: Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben.
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