AW: Neues aus Russland
Die Formulierung müsste wohl besser lauten:Aleksej Kudrin wurde zurückgetreten.
Er selbst hat diesen "Rücktritt" nicht initiiert, gestern 17:00 Uhr Moskauer Zeit forderte ihn Medwedjew auf, sich zu erklären, keine drei Stunden später unterschrieb er das Dekret über die Entlassung des Ministers. Angeblich auf Bitten Putins.
Interessant sind die Hintergründe des "Rücktritts": Kudrin war russischer Finanzminister seit 2000, er galt stets als Garant einer soliden Haushaltspolitik.
Den offenen Konflikt mit dem Staatspräsidenten gab es vor einem Jahr, als Kudrin auch öffentlich die Planungen Medwedjews kritisierte, bis 2020 20 Billionen Rubel (ca. 500 Milliarden EURO) für die Modernisierung der russischen Streitkräfte ausgeben zu wollen.
Nunmehr hat die Regierung Putin einen vorläufige Haushaltsplanung 2011 - 2014 vorgelegt, die einen Paradigmenwechsel beinhaltet. Erstmals in der russischen Geschichte ist ein Haushaltsdefizit vorgesehen, welches droht, schon 2015 oder noch eher die Drei-Prozent-Marke zu übersteigen.
Dreh- und Angelpunkt sind dabei die Einnahmen aus Förderung und Verkauf fossiler Rohstoffe, der russische Staatshaushalt kann schon in diesem Jahr nur bei einem Erdölpreis von durchschnittlich 118 USD/Barrel ausgeglichen werden. Eine Preisverfall bei Öl und Gas infolge einer neuen Rezession der Weltwirtschaft würde Russland bis ins Mark treffen.
Kudrin hat immer wieder vor den daraus resultierenden Haushaltsrisiken gewarnt, die Russland schnell in eine vom Ausland bestimmte Abhängigkeit bringen könnte.
Die für 2012 vorgesehenen Steigerungen der Militärausgaben vergrößern die Ausgabenseite des Staatshaushaltes allein um 1,3 % des BIP, bis 2014 betragen die Mehraufwendungen für die Armee dann 3 % des BIB oder 2,1 Billionen Rubel im betreffenden Jahr. Dies aber sei die Summe, welche Russland insgesamt für den gesamten Bildungssektor aufwenden wird (alle allgemeinbildenden Schule, alle Hochschulen, alle speziellen Bildungseinrichtungen).
Kudrin lehnte dies ab, zudem fanden seine Überlegungen zur Rentenreform, zur Reform des sozialen Mietwohnungswesen und zu den kommunalen Dienstleistungen kein Gehör.
Es gibt aber auch Nebentöne:
Angeblich kursierten bis Ende vergangener Woche Gerüchte darüber, dass der designierte Staatspräsident Putin seinem Gefolgsmann Kudrin das Amt des Premiers zugesagt hatte.
Nun wird davon ausgegangen, dass Putin nach der Wahl am 4. Mai 2012 Kudrin zum Chef der russischen Zentralbank machen wird.