redbaron
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AW: NATO-Gipfel in Baden-Baden und Straßburg
Hallo Almdudler,
ich schätze es ausdrücklich, daß du auf einzelne Punkte von mir inhaltlich (und durchaus substanziell) eingehst, glaube aber gleichzeitig, daß es dir lediglich darauf ankommt, deinen Standpunkt zu wahren. Das scheint ein allgemeines Phänomen zu sein: entweder läßt sich jemand wirklich auf "ketzerische" Gedanken, wie etwa die mögliche Änderung der Wirtschaftsform, ein, oder sucht ausschließlich und immer nur noch mehr Argumente, warum angeblich dieser "ketzerische" Gedanke auf jeden Fall zu verwerfen ist.
Allerdings gibt es auch Textstellen bei dir, die nur als rethorische Kavallerie gemeint sein können, weil es z.T Umdeutungen sind und meine Argumente manipulativ entkräften sollen:
ich habe mit keiner Zeile vorgeschlagen oder gefordert, das Vererben generell zu "verbieten". Allein das Wort "verbieten" passt sachlich überhaupt nicht, weil es die Idee, einer wesentlich höheren Besteuerung von Erbvermögen in die Nähe von "Enteignung" rückt - und das ist so nicht korrekt. Besteuert werden Erbvermögen schon immer, und bisher hat dies niemand als "umstürzlerisches Ansinnen" betrachtet. Allerdings wirst du schon gezielt diese Formulierung verwendet haben, weil ja klar ist, daß die meisten Menschen etwas "Umstürzlerisches" negativ assoziieren.
Ich würde mehr die unbestreitbaren Vorteile an meinem Vorschlag herausstellen und daher von einer wohlstandsbringenden Reform sprechen. Ich sehe weit und breit kein Argument, das gegen die Richtigkeit meiner Behauptung spricht: wenn lediglich die Verstorbenen einen Teil ihres Vermögens an die ärmeren Bürger abgeben sollen, wird niemand ärmer, aber viele werden reicher! Bist du da anderer Meinung?
Das "Recht auf Privatbesitz" wird von meinem Vorschlag ohnehin nicht tangiert. (Dieses Recht wäre übrigens noch nicht einmal notwendigerweise in einer anderen Wirtschaftsform grundsätzlich tangiert - und alle anderslautenden Bemerkungen sind daher nur rethorische Propaganda - Angstmacherei, um die Bürger weiter von ihren Rechten fernzuhalten).
ich höre hier gleich mehrere Punkte heraus, die du - allerdings zusammengeballt - ansprichst:
- die Tendenz, daß Konsumgüter heutzutage mehr kreditfinanziert werden
- die Tendenz zur Wegwerfgesellschaft (m.E. eine Folge der extrem gesteigerten Produktivität und der zunehmenden Intransparenz ("alles auf einem Chip") speziell bei elektronischen Konsumgütern
Vermutlich willst du darauf hinaus, daß der Wert eines Gutes heutzutage eine nicht mehr so starke Entsprechung im Bewußtsein des Konsumenten hat?
Ich glaube, daß in dem Grundbaustein der Marktwirtschaft ein fundamentaler Systemfehler steckt: daß ein Gut grundsätzlich so viel wert sein soll, wie jemand dafür bereit ist zu bezahlen. Dieses Axiom macht jede Bewertung grundsätzlich beliebig, vielleicht gerade noch begrenzt durch die - ebenfalls systemimmanten - Limitierungen der Kostenrechnung auf Seite der Betriebswirtschaft (und selbst das spielt häufig keine Rolle, wenn unter Herstellungskosten verkauft wird, nur um "Marktanteile" zu erobern).
Ich sehe nämlich zu den volkswirtschaftlichen Abläufen auch immer eine psychologische Paralleldimension: bei den psychischen Prozessen der Menschwerdung geht es um das Ausloten von Grenzhaltungen, um irgendwann später dazwischen selbstverantwortlich und bewußt eine eigene Mitte zu finden. Daher wird auch ein psychisch gesunder Mensch nicht etwa dauerhaft das Extrem der totalen Willensdurchsetzung oder der völligen Anpassung an die Gruppe wählen. Fallweise wird einmal mehr Durchsetzung gefragt sein und ein andermal mehr Anpassung. Dieser lebendige Wechsel wird jedenfalls als "gesund" betrachtet.
Betrachte ich - parallel zu dieser psychologischen Dimension - die Extreme "Staatliche Preisplanung" und "Preis durch Marktanpassung", fällt auf, daß es dieses dynamische Wechselspiel hier nicht geben soll. Sowohl die eine als auch die andere dahinterstehende Wirtschaftsform wird von Dogmatikern vertreten, die nur ihre eigene, extreme Sicht gelten lassen wollen.
An dieser Stelle mag ich daher spontan mit meinem Zweifel an der Richtigkeit dieses einen Axioms der herrschenden (dieses Wort kann man sich in diesem Zusammenhang durchaus mal auf der Zunge zergehen lassen) Wirtschaftsordnung einhaken: wieso sollte es richtig sein, den Preis (also damit den "offiziellen" Wert) eines Produkts (einer Dienstleistung) nur vom Markt vorgeben zu lassen? Dieses Axiom konstruiert doch bereits im Ansatz die Implikation, daß für Überlegungen z.B. ethischer Art überhaupt kein Platz ist!
Um es mal an einem praktischen Beispiel auf den Punkt zu bringen: wieso in aller Welt kann es sein, daß ein Tier überhaupt einen Preis hat? Wieso in aller Welt kann es sein, daß immer mehr Menschen nur einen so mickrigen Preis (Lohn) für ihre Arbeit erhalten, daß sie als Vollerwerbstätige davon aber gar nicht leben können (Stichwort Mindestlohn)?
Immerhin ist aber der Menschenhandel in Europa gesetzlich verboten, was allerdings ebensogut ein Hinweis darauf ist, daß doch plötzlich staatliche Eingriffe plausibel und tolerierbar erscheinen, wenn nur genügend viele Menschen übereinstimmend der Meinung sind, daß die Alternative undiskutabel wäre.
Ich möchte meine Überlegungen jetzt hier weiter gar nicht ausführen, hoffe aber, damit genug Material eingebracht zu haben, daß daraus noch eine größere Diskussion wird. Ich finde es wichtig und notwendig, über Annahmen zu diskutieren, die einerseits unser aller Leben bestimmen aber merkwürdigerweise niemals ernsthaft hinterfragt werden.
Solche oder - sinngemäß - ähnliche Worte dürfte auch ein Galileo zu hören bekommen haben, als er zum ersten Mal über die Möglichkeit sprach, daß die Planeten um die Sonne kreisen. Es fängt immer auf diesselbe Weise an...
Vielleicht sollte man das Thema in einen eigenen Thread verfrachten, wenn noch andere was dazu schreiben wollen?
Der Rote Baron hat alle Beiträge dieser Woche abgeworfen und verlässt gerade den österreichischen Flightlevel... schöne Osterzeit, over and out.
Der Rote Baron
Hallo Almdudler,
ich schätze es ausdrücklich, daß du auf einzelne Punkte von mir inhaltlich (und durchaus substanziell) eingehst, glaube aber gleichzeitig, daß es dir lediglich darauf ankommt, deinen Standpunkt zu wahren. Das scheint ein allgemeines Phänomen zu sein: entweder läßt sich jemand wirklich auf "ketzerische" Gedanken, wie etwa die mögliche Änderung der Wirtschaftsform, ein, oder sucht ausschließlich und immer nur noch mehr Argumente, warum angeblich dieser "ketzerische" Gedanke auf jeden Fall zu verwerfen ist.
Allerdings gibt es auch Textstellen bei dir, die nur als rethorische Kavallerie gemeint sein können, weil es z.T Umdeutungen sind und meine Argumente manipulativ entkräften sollen:
"Also den Menschen verbieten, Vermögen, Besitz etc. zu vererben ist wieder so ein umstürzlerisches Ansinnen, das wieder nur Unordnung schaffen würde."
ich habe mit keiner Zeile vorgeschlagen oder gefordert, das Vererben generell zu "verbieten". Allein das Wort "verbieten" passt sachlich überhaupt nicht, weil es die Idee, einer wesentlich höheren Besteuerung von Erbvermögen in die Nähe von "Enteignung" rückt - und das ist so nicht korrekt. Besteuert werden Erbvermögen schon immer, und bisher hat dies niemand als "umstürzlerisches Ansinnen" betrachtet. Allerdings wirst du schon gezielt diese Formulierung verwendet haben, weil ja klar ist, daß die meisten Menschen etwas "Umstürzlerisches" negativ assoziieren.
Ich würde mehr die unbestreitbaren Vorteile an meinem Vorschlag herausstellen und daher von einer wohlstandsbringenden Reform sprechen. Ich sehe weit und breit kein Argument, das gegen die Richtigkeit meiner Behauptung spricht: wenn lediglich die Verstorbenen einen Teil ihres Vermögens an die ärmeren Bürger abgeben sollen, wird niemand ärmer, aber viele werden reicher! Bist du da anderer Meinung?
Das "Recht auf Privatbesitz" wird von meinem Vorschlag ohnehin nicht tangiert. (Dieses Recht wäre übrigens noch nicht einmal notwendigerweise in einer anderen Wirtschaftsform grundsätzlich tangiert - und alle anderslautenden Bemerkungen sind daher nur rethorische Propaganda - Angstmacherei, um die Bürger weiter von ihren Rechten fernzuhalten).
Meine Anmerkung bezüglich des Wertes von Gütern bezog sich auf eine Zeit, in der freie Marktwirtschaft parktiziert wurde und die Güter gemäß Kostenwahrheit verkauft wurden. Das einzige war, man mußte einige Zeit sparen, um sich das kaufen zu können. Geräte ließ man deshalb auch reparieren.
ich höre hier gleich mehrere Punkte heraus, die du - allerdings zusammengeballt - ansprichst:
- die Tendenz, daß Konsumgüter heutzutage mehr kreditfinanziert werden
- die Tendenz zur Wegwerfgesellschaft (m.E. eine Folge der extrem gesteigerten Produktivität und der zunehmenden Intransparenz ("alles auf einem Chip") speziell bei elektronischen Konsumgütern
Vermutlich willst du darauf hinaus, daß der Wert eines Gutes heutzutage eine nicht mehr so starke Entsprechung im Bewußtsein des Konsumenten hat?
Ich glaube, daß in dem Grundbaustein der Marktwirtschaft ein fundamentaler Systemfehler steckt: daß ein Gut grundsätzlich so viel wert sein soll, wie jemand dafür bereit ist zu bezahlen. Dieses Axiom macht jede Bewertung grundsätzlich beliebig, vielleicht gerade noch begrenzt durch die - ebenfalls systemimmanten - Limitierungen der Kostenrechnung auf Seite der Betriebswirtschaft (und selbst das spielt häufig keine Rolle, wenn unter Herstellungskosten verkauft wird, nur um "Marktanteile" zu erobern).
Ich sehe nämlich zu den volkswirtschaftlichen Abläufen auch immer eine psychologische Paralleldimension: bei den psychischen Prozessen der Menschwerdung geht es um das Ausloten von Grenzhaltungen, um irgendwann später dazwischen selbstverantwortlich und bewußt eine eigene Mitte zu finden. Daher wird auch ein psychisch gesunder Mensch nicht etwa dauerhaft das Extrem der totalen Willensdurchsetzung oder der völligen Anpassung an die Gruppe wählen. Fallweise wird einmal mehr Durchsetzung gefragt sein und ein andermal mehr Anpassung. Dieser lebendige Wechsel wird jedenfalls als "gesund" betrachtet.
Betrachte ich - parallel zu dieser psychologischen Dimension - die Extreme "Staatliche Preisplanung" und "Preis durch Marktanpassung", fällt auf, daß es dieses dynamische Wechselspiel hier nicht geben soll. Sowohl die eine als auch die andere dahinterstehende Wirtschaftsform wird von Dogmatikern vertreten, die nur ihre eigene, extreme Sicht gelten lassen wollen.
An dieser Stelle mag ich daher spontan mit meinem Zweifel an der Richtigkeit dieses einen Axioms der herrschenden (dieses Wort kann man sich in diesem Zusammenhang durchaus mal auf der Zunge zergehen lassen) Wirtschaftsordnung einhaken: wieso sollte es richtig sein, den Preis (also damit den "offiziellen" Wert) eines Produkts (einer Dienstleistung) nur vom Markt vorgeben zu lassen? Dieses Axiom konstruiert doch bereits im Ansatz die Implikation, daß für Überlegungen z.B. ethischer Art überhaupt kein Platz ist!
Um es mal an einem praktischen Beispiel auf den Punkt zu bringen: wieso in aller Welt kann es sein, daß ein Tier überhaupt einen Preis hat? Wieso in aller Welt kann es sein, daß immer mehr Menschen nur einen so mickrigen Preis (Lohn) für ihre Arbeit erhalten, daß sie als Vollerwerbstätige davon aber gar nicht leben können (Stichwort Mindestlohn)?
Immerhin ist aber der Menschenhandel in Europa gesetzlich verboten, was allerdings ebensogut ein Hinweis darauf ist, daß doch plötzlich staatliche Eingriffe plausibel und tolerierbar erscheinen, wenn nur genügend viele Menschen übereinstimmend der Meinung sind, daß die Alternative undiskutabel wäre.
Ich möchte meine Überlegungen jetzt hier weiter gar nicht ausführen, hoffe aber, damit genug Material eingebracht zu haben, daß daraus noch eine größere Diskussion wird. Ich finde es wichtig und notwendig, über Annahmen zu diskutieren, die einerseits unser aller Leben bestimmen aber merkwürdigerweise niemals ernsthaft hinterfragt werden.
Somit halte ich es für eine sinnlose Übung in so einem Land "Revolutionen", Umstürze oder ähnliche Spiele anzetteln zu wollen.
Solche oder - sinngemäß - ähnliche Worte dürfte auch ein Galileo zu hören bekommen haben, als er zum ersten Mal über die Möglichkeit sprach, daß die Planeten um die Sonne kreisen. Es fängt immer auf diesselbe Weise an...
Vielleicht sollte man das Thema in einen eigenen Thread verfrachten, wenn noch andere was dazu schreiben wollen?
Der Rote Baron hat alle Beiträge dieser Woche abgeworfen und verlässt gerade den österreichischen Flightlevel... schöne Osterzeit, over and out.
Der Rote Baron