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Memorandum vom Kind an den Erzieher

Nachteule

New Member
Registriert
30. August 2004
Beiträge
240
Hallo,
noch immer stöbere ich als „Neuling“ im Forum lesend in den früheren Threads und den einzelnen Unterforen herum und bin grad bei dem Thema „Kinder“ angelangt. Das brachte mich auf die Idee, meinen Text „Memorandum“ hier einzustellen (ich verwende ihn meist, wenn ich anlässlich einer Geburt ein Geschenk überreiche, indem ich das Memorandum hinzufüge).
Hier schreibe ich es mal „nur so“, vielleicht gefällt es ja jemandem. :)
Gruß Helga



Ein Memorandum vom Kind für den Erzieher :


1.) Verwöhne mich nicht. Ich weiß ganz gut, dass ich nicht alles,
was ich verlange, haben muss. Ich teste Dich ja nur.

2.) Hab keine Angst, mit mir bestimmt umzugehen. Ich ziehe es vor.
Dann weiß ich, woran ich bin.

3.) Zwing mich nicht. Das lehrt mich, dass nur Macht zählt.
Ich reagiere besser auf Anleitung.

4.) Sei nicht wechselhaft. Das verwirrt mich, und ich versuche
desto mehr, alles zu erreichen, was ich will.

5.) Mach keine Versprechungen. Es könnte sein, dass Du sie nicht
einhalten kannst. Das erschüttert mein Vertrauen zu Dir.

6.) Fall nicht auf meine Herausforderung herein, wenn ich etwas
sage oder tue, nur um Dich aus der Fassung zu bringen. Dann
werde ich nämlich versuchen, noch mehr solche Siege zu erringen.

7.) Sorge Dich nicht zu sehr, wenn ich sage:"Ich hasse Dich!".
Ich meine es ja nicht so, ich möchte nur, dass es Dir leid tut,
wenn Du mir etwas angetan hast.

8.) Mach nicht, dass ich mich kleiner fühle als ich bin.
Dann werde ich mich nämlich wie ein toller Kerl benehmen.

9.) Tu nichts für mich, was ich selbst tun kann. Dann fühle ich
mich wie ein Baby und stelle Dich weiterhin in meinen Dienst.

10.) Befass Dich nicht zu sehr mit meinen schlechten Gewohnheiten.
Das veranlasst mich nämlich, sie zu behalten.

11.) Korrigiere mich nicht vor anderen Leuten. Es beeindruckt mich
viel mehr, wenn Du ruhig und allein mit mir sprichst.

12.) Versuche nicht zu predigen. Du wirst Dich wundern, wie gut
ich weiß, was richtig oder falsch ist.

13.) Sag mir nicht, dass meine Fehler Sünde sind. Ich muss lernen,
Fehler zu machen, ohne zu glauben, dass ich darum schlecht bin.

14.) Nörgele nicht. Um mich zu schützen, muss ich tun, als ob ich taub
wäre.

15.) Verlange keine Erklärung für mein falsches Benehmen.
Ich weiß wirklich nicht, warum ich es getan habe.

16.) Stelle meine Ehrlichkeit nicht in Frage. Ich bekomme leicht
Angst und erzähle Lügen.

17.) Vergiss nicht, dass ich gerne Experimente mache. Schütz mich nicht
vor Folgen.
Ich muss aus Erfahrung lernen.

18.) Schenke meinen kleinen Leiden nicht so viel Aufmerksamkeit.
Es könnte sonst sein, dass ich sonst eine schwache Gesundheit zu
schätzen lernen, wenn sie mir so viel Aufmerksamkeit einträgt.

19.) Beantworte dumme oder bedeutungslose Fragen nicht.
Ich möchte Dich nur mit mir beschäftigen.

20.) Denk nicht, es sei unter Deiner Würde, Dich bei mir zu
entschuldigen.
Eine ehrliche Entschuldigung erzeugt in mir warme Gefühle Dir
gegenüber.

21.) Deute nie an, dass Du perfekt oder unfehlbar bist.
Du wärst ein zu großes Vorbild für mich.

22.) Sorg Dich nicht, dass Du wenig Zeit für mich hast.
Was zählt ist, wie wir diese Zeit verbringen.

23.) Werde nicht ängstlich, wenn ich mich fürchte, denn dann
werde ich noch furchtsamer. Zeige mir lieber Mut !

24.) Vergiss nicht, dass ich ohne sehr viel Verständnis und Ermutigung
nicht gedeihen kann. Aber das brauche ich Dir doch gar nicht zu
sagen, oder ?


"Behandle mich wie Du Deine Freunde behandelst,
dann werde ich auch Dein Freund sein."
 
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Als Oma darf ich ja möglicherweise gar nicht mehr in dieser Sparte schreiben.

Aber passend zu Deinem Memorandum, Helga, möchte ich das sehr bekannte Lied der Liedermacherin Bettina Wegener einstellen.


Sind so kleine Hände

Sind so kleine Hände, winzige Finger dran.
Darf man nie drauf schlagen, die zerbrechen dann.

Sind so kleine Füße, mit so kleinen Zehen.
Darf man nie drauftreten, können sie sonst nicht gehn.

Sind so kleine Ohren scharf, und ihr erlaubt.
Darf man nie zerbrüllen, werden davon taub.

Sind so schöne Münder, sprechen alles aus.
Darf man nie verbieten, kommt sonst nichts mehr raus.

Sind so klare Augen, die noch alles sehn.
Darf man nie verbinden, könn sie nichts verstehn.

Sind so kleine Seelen, offen und ganz frei.
Darf man niemals quälen, gehn kaputt dabei.

Ist so ein kleines Rückgrat, sieht man fast noch nicht.
Darf man niemals beugen, weil es sonst zerbricht.

Gerade, klare Menschen, wären ein schönes Ziel.
Leute ohne Rückgrat, haben wir schon zuviel.





Marianne
 
Schöööööön

Hallo Helga und Marianne,
wunderschöne Texte und so wahr.
Den Text von Bettina Wegner will ich seit ca. 7 Monaten jemandem zeigen, konnte ihn leider nicht finden. Jetzt freue ich mich um so mehr, daß er mich gefunden hat. :danke: Im Internet habe ich jetzt auch die Musik :gitarre: dazu gefunden, so alt und doch so aktuell.
LG Noemi
 
Liebe Marianne,
Dein Liedertext ist wirklich sehr anrührend, ein schöner Beitrag, vielen Dank.
Aber mit Verwunderung habe ich Deinen einleitenden Satz gelesen:

Als Oma darf ich ja möglicherweise gar nicht mehr in dieser Sparte schreiben.

Wie kommst Du denn auf solch einen Gedanken ?! Als Oma hast Du allen Grund, in dieser Rubrik zu schreiben, ich halte die Rolle der Oma, die sie bei den Kindern einnimmt, für sehr wichtig. Da spreche ich aus eigener Erfahrung, ich habe drei (nunmehr erwachsene) Töchter, von jüngster Kindheit an hatte meine Mutter einen immens hohen Stellenwert bei meinen Töchtern, sie wurde innigst geliebt, und der Verlust der Großmutter hat alle drei zutiefst getroffen. Und ich denke, dass es in vielen Familien ebenso zutrifft.

Wobei sich leider in den letzten Jahrzehnten das Lebensmodell von Familien sehr verändert hat, in früheren Zeiten lebten Großeltern als geachtete Angehörige innerhalb des Familienverbandes, die Enkelkinder hörten aufmerksam ihren Geschichten zu und nahmen viel an Lebensweisheiten auf. Auch denke ich, dass die Großeltern so eine Art Pufferzone darstellten, wenn es naturgemäß zu Konflikten zwischen Kindern und Eltern kam. Die Großeltern, meist die Oma, reagierte mit Gelassenheit und sprach vermittelnd und beruhigend mit dem Kind/Jugendlichen. Vor allem spürte das Kind die große Liebe der Oma und fühlte sich unweigerlich geborgen. Natürlich bin ich keine Soziologin, aber ich habe oft das Gefühl, dass so etwas den heutigen Jugendlichen sehr fehlt, ich glaube, dass viele junge Menschen sich heute innerlich unbeheimateter fühlen als früher.

Das waren nun ein paar kurze Gedanken von mir zum Thema „Oma“ – ein schönes, beglückendes „Nebenamt“ des Lebens.
Lb. Gruß
Helga
 
Memorandum

Hallo Nachteule, Dein "Memorandum" gefällt mir sehr gut. Es ließt sich so, als hättest Du beruflich mit Kindern oder Kindererziehung zu tun.Du siehst auch Kinder wie "fertige" Menschen, mit denen man genau so umgeht wie mit Erwachsenen. Sogar die kleinsten Kinder, die noch kaum sprechen können, verstehen sehr gut was man ihnen sagen will. Ich bin sehr neu in diesem Forum und es gefällt mir recht gut, auch lese ich Deine Beiträge gerne.
Das Lesen klappt ja gut, aber das Schreiben muß ich noch
fleißig üben.
Liebe Grüße, dalen
 
Hallo dalen,

schön, dass Dir „mein“ Memorandum gefällt und danke Dir für das Lob zu meinen Beiträgen, wer hört/liest das nicht gern :)
Du fragst, ob ich beruflich mit Kindererziehung zu tun habe, das kann ich insofern verneinen, dass es kein Broterwerb für mich darstellt, sondern eher als eine Berufung, indem ich mich jahrelang der Erziehung meiner drei Töchter gewidmet habe in Form eines Fulltime-Jobs. Ich halte Erziehung für eine wichtige Aufgabe, denn wir legen die Zukunft in die Hände unserer Kinder, den späteren Erwachsenen. Wobei es ja so ist, dass wir nie allein erziehen, sondern diese immer teilen mit den Institutionen wie Schulen, Universitäten, aber auch Presse, Radio, Fernsehen usw., umso wichtiger erscheint es mir, den öffentlichen Werteverfall etwas aufzufangen, indem Eltern nicht versäumen, geistige Sinninhalte zu vermitteln. An erster Stelle gilt es, das Selbstbewusstsein des Kindes nicht zu untergraben und die Würde des Kindes zu achten.
Ich möchte das einer kleinen Episode verdeutlichen, die mir sehr aussagefähig scheint:
Die Mutter bat ihren kleinen Sohn, sich hinzusetzen, aber er wollte unbedingt stehen.
Verärgert packte sie ihn schließlich und setzte ihn auf einen Stuhl. Einen Augenblick war es still. Dann sagte das Kind trotzig: „Außen sitze ich, aber innen stehe ich noch!“​

Erziehung ist eine große Verantwortung, deshalb sollten wir sie zu jeder Zeit sehr wichtig nehmen, Du hast es richtig erkannt, dass ich auch Kinder wie „fertige“ Menschen behandele. Für mich sind sie vollwertige Mitglieder unserer Gesellschaft, halt innerhalb ihrer Altergruppe. Zu glauben, dass wir ein Recht haben uns aufzuschwingen, auf sie herabzusehen, ist ein großer Irrtum. Ist es denn etwa unser Verdienst, dass wir ein paar Jahre länger auf der Welt sind?

Lb.Gruß
Nachteule
 
Danke Nachteule < (das bist Du wirklich) für Deinen ausführlichen Bericht. Deinen Beruf als "Mutter" hast Du wohl gerne ausgeübt, die "Berufskenntnisse" sind auch le-
benslang verwendbar. Den von Dir zitierten Satz des kleinen Jungen hätte ein Erwachsener nicht besser formulieren können. Sich in Kinder und junge Menschen hinein zu denken und ihnen bei der Lösung ihrer Probleme
behilflich zu sein ist doch eine große Aufgabe für Erwachsene. Gerne würde ich in so einem Thread lesen/
schreiben, habe aber noch keinen gefunden-kennst du
einen? Eigentlich wollte ich Dir gestern schon antworten, aber es hat nicht geklappt. Jedenfalls bin ich lernwillig-u.
fähig, was man sein ganzes Leben lang bleiben soll
Lb. Grüße, dalen
 
Hallo dalen,
Danke Nachteule < (das bist Du wirklich)
ich versuche mal, ein Bild von mir hier einzufügen (falls ich technisch begabt genug bin). :)
http:/home.arcor.de/hel.fel/nachteule.jpg

Eigentlich wollte ich Dir gestern schon antworten, aber es hat nicht geklappt.
Macht nichts, geht mir auch oft nicht anders - besser spät als nie.

Sich in Kinder und junge Menschen hinein zu denken und ihnen bei der Lösung ihrer Probleme
behilflich zu sein ist doch eine große Aufgabe für Erwachsene. Gerne würde ich in so einem Thread lesen/
schreiben, habe aber noch keinen gefunden-kennst du
einen?
Ich habe hier einige Threads gesehen, die das Wort „Erziehung“ im Titel tragen, aber sie sind schon etwas älteren Datums. Wir beide sind als Nachzügler hier eingetroffen, als dieses Thema bereits ausführlich beredet wurde, aber eigentlich schreibst/schreiben wir hier grad in einem „Erziehungs-Thread. Hier kannst Du ruhig die Fragen oder Gedanken, die Dich beschäftigen, posten - welches Thema liegt Dir denn besonders am Herzen?

Im Grunde kann man ja nicht sagen, dass schon alles zuvor hier beredet wurde, dafür ist das Gebiet zu vielfältig und immer aktuell. Im Moment sogar hochaktuell - weil ja am 20. September 04 der Weltkindertag in Köln stattfindet. Seit 50 Jahren haben die Vereinten Nationen ihr Kinderhilfswerk UNICEF damit beauftragt, einen Tag einzurichten, an dem die Rechte und Lebenssituationen der Kinder in der ganzen Welt beleuchtet werden soll. Mittlerweile wird der Kindertag in über 145 Ländern gefeiert.
Ich persönlich frage mich jedoch, was so ein Weltkindertag eigentlich bewirkt, leider wird kein einziges Kind dadurch weniger an Hunger leiden, in Kolumbien und sonstwo wird es weiter die Kinderarbeit geben, in Indien werden weiterhin die kleinen neugeborenen Mädchen in den Müll geworfen werden, die Kinder-Prostitution in Thailand wird weiterbestehen... und unzählige andere schreckliche Dinge mehr. Also welchen Sinn hat solch ein Tag?
Vielleicht gibt es ja wirklich einen - wäre schön, wenn mir jemand dazu was sagen könnte.

Man selbst fühlt sich natürlich hilflos, wenn man all die Missstände liest, was kann man schon bewegen? Leider wenig, das meiste liegt in Händen der Politiker. Aber wie bei allem im Leben kann man im eigenen Umfeld bewusster die Kinder wahrnehmen, und vor allem achten und versuchen, in der Erziehung sein Bestes zu geben. Da fällt mir ein Ausspruch von General Eisenhower ein, er pflegte die Kunst des Führens an einem Stückchen Schnur zu demonstrieren. Er legte es auf den Tisch und sagte: „Wenn du es ziehst, folgt es dir überallhin. Wenn du es schiebst, bekommst du es nirgendwohin.“ Daraus leite ich einen sehr guten Erziehungsleitsatz ab - immer bei allem mit gutem Beispiel vorangehen, das zieht dann manches von selbst nach sich.

Lb. Gruß
Nachteule
 
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Das gute Beispiel ist gewiß hilfreich, es gibt jedoch viele
Fälle, in denen die Eltern mit gutem Beispiel vorangehen und die Kinder trotzdem auf die "schiefe Bahn" geraten.
Für mich ist es sehr wichtig mit Menschen zu reden, ihre Gedanken kennen zu lernen und ihnen mit Toleranz, Einfühlungsvermögen und etwas Diplomatie in ihrem Leben behilflich zu sein.
Das Thema,das mir am meisten am Herzen liegt ist somit:
Menschen zu verstehen, ihnen Lebenshilfe zu geben-wenn sie es wollen.
Ich übe eine Anziehungskraft auf schwierige Menschen aus,
kann gut zuhören und habe schon oft bei der Bewältigung
von Problemen geholfen.
Danke für Deine Tipps, ich werde auf die "Suche" gehen.
Leibe Grüße, dalen
 
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