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Lieblingsgedichtssammlung

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AW: Lieblingsgedichtssammlung

:blume1:Frühling soll mit süßen Blicken
Mich entzücken und berücken,
Sommer mich mit Frucht und Myrthen
Reich bewirten, froh umgürten.

Herbst, du sollst mich Haushalt lehren,
Zu entbehren, zu begehren,
Und du Winter lehr mich sterben,
Mich verderben, Frühling erben.

Clemens Brentano: Frühling :blume2:
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Osterspaziergang

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;
Im Tale grünet Hoffnungsglück;
Der alte Winter, in seiner Schwäche,
Zog sich in rauhe Berge zurück.
Von dorther sendet er, fliehend, nur
Ohnmächtige Schauer kornigen Eises
In Streifen über die grünende Flur;
Aber die Sonne duldet kein Weißes,
Überall regt sich Bildung und Streben,
Alles will sie mit Farben beleben;
Doch an Blumen fehlt's im Revier
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.
Kehre dich um, von diesen Höhen
Nach der Stadt zurückzusehen.
Aus dem hohlen finstern Tor
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.
Jeder sonnt sich heute so gern.
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,
Denn sie sind selber auferstanden,
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks – und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge,
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,
Wie der Fluß, in Breit und Länge
So manchen lustigen Nachen bewegt,
Und bis zum Sinken überladen
Entfernt sich dieser letzte Kahn.
Selbst von des Berges fernen Pfaden
Blinken uns farbige Kleider an.
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Nur zwei Dinge

Durch so viel Formen geschritten,
durch Ich und Wir und Du,
doch alles blieb erlitten
durch die ewige Frage: wozu?

Das ist eine Kinderfrage.
Dir wurde erst spät bewußt,
es gibt nur eines: ertrage
- ob Sinn, ob Sucht, ob Sage -
dein fernbestimmtes: Du mußt.

Ob Rosen, ob Schnee, ob Meere,
was alles erblühte, verblich,
es gibt nur zwei Dinge: die Leere
und das gezeichnete Ich.


Gottfried Benn
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

Seit unseren Kindheitstagen
Pflegt der Himmel sich winters mit Wolken zu überziehen
Und der Regen strömte
Doch jedes Jahr, wenn die Ernte ergrünte
Hungerten wir
Kein Jahr verging im Irak ohne Hunger
Regen
Regen
Regen
...
...
...
- Khalid Al-Maaly​

_________________________
Quelle:

http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/710821/

Eben (zufällig) im Netz gefunden. Gehört sicher nicht
zu den (meinen) "Lieblingsgedichten". - Gibt (mir) aber
wieder sehr zu denken: Mussten sie das alles mitmachen?
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

@ Oktoberwind: Sorry, aber das Gedicht "Nur zwei Dinge" von Gottfried Benn habe auch ich schon geschrieben. Und Du hast nach mir auch wieder eines vorgestellt.
Darf ich also vermuten, dass Du meine gar nicht liest? Das finde ich irgendwie schade, denn ich lese alle Gedichte.

OSTERN
IN ALT-LANGERWISCH


In den Ostern, da wir Kinder waren,
und im Traufenblech der Schnee zerschmolz,
sprang mit seinen Grannenhaaren
uns der Hase aus dem Holz.

Durch den Distelwust, die holz'gen Stoppeln,
und umknarrt vom Krähenpaar,
sahn wir ihn auf langen Läufen hoppeln,
der zerstruppt und wollig war.

Hinten wippte seine weiße Blume
und ein Ohr hing schief und lang.
Aus dem Maulwurfsschwarz der Ackerkrume
schoß der Krokus, wo er sprang.

An der Brache, von der Schmelze moorig
und noch ohne Löwenzahn,
saß er horchend hoch und löffelohrig,
schaute braun und gut uns an.

Nur die Haare zitterten am Barte,
Sonne plusterte das Fell.
Und er zuckte mit der Lippenscharte,
hörte er vom Dorf Gebell.

Plötzlich schlug er seinen Haken
ins Gestrüpp im Zickzacklauf,
riß den klammen Weidenzacken
goldbepelzte Knospen auf.

Rauhreif stäubte, dünn wie Kleie,
fegte er den Garten hart.
Und am Bärlapp, am Salbeie
strich er seinen nassen Bart.

Und wir hetzten über Strunk und Knollen
unterm Wind dem Hasen nach,
der sich duckte in den Lehm der Schollen
und durch Lattich raschelnd brach.

Dreimal jagte er uns um die Scheune
und verschwand wie Zauberei.
Doch im Laubloch und im Nest der Zäune
lag sein feuerbuntes Ei.

Peter_Huchel
 
AW: Lieblingsgedichtssammlung

@ FirstDay
1. Nein, ich lese nicht alle Gedichte (Kruppa, Hesse usw. interessieren mich nicht); zudem gibt es m.W. keinen Lesezwang hier.
2. ...kann es schon passieren, dass man auch ein geschätztes Gedicht überliest, wenn es so gar nicht in der Form hier hineingestellt wird, die der Urheber sich dabei gedacht hatte (deine Version hielt weder die Strophen-, noch die Zeilengliederungen ein) und
3. ...kann man Benn gar nicht oft genug lesen

:guru:

... noch etwas von Kurt Marti (aus seinem Band "Zoé Zebra"):

oszillierend

heute nimmt mich wunder
ich weiß nicht was -
und wüsst ich was:
nähms mich noch wunder?
 
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AW: Lieblingsgedichtssammlung

@ Oktoberwind: Meine Absicht war niemals, bestimmte Autoren "aufzuzwingen", sondern verschiedenste DichterInnen und Werke von ihnen vorzustellen.
"Meine Version" entstammt einer gedruckten Form, die ich einmal aus einer Zeitung ausgeschnitten habe (ich habe lange Zeit Gedichte, Zitate usw. gesammelt). Es ist nicht meine Art, Schreibstile anderer zu kritisieren (wäre auch ganz unnötig, denn irgend jemand macht es immer anders).
Nun gut, ich weiß jetzt woran ich bin, und Lesezwang wollen wir wirklich nicht aufkommen lassen. Daher werde ich mir die Zeit, die ich mir für das Schreiben der Gedichte genommen habe, in Zukunft ersparen. Ich habe ohnehin nicht so viel in Überfluss davon.

@ Reinhard70: Ich wundere mich (leider) auch über Dich; verwechselst Du nicht in letzter Zeit Gedichte und Zitate?
Und ganz offen und ehrlich gesagt: Ich finde dieses Zitat zum Ostersonntag überhaupt nicht passend!

Sehr schade, alles....
 
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