(23.05.2005 14:42)
HINTERGRUND
Von Clearstream bis Yukos (XV)
Yukos und die US-Hegemonieneurose
Millionen-PR statt saubere Information
Der Chodorkowski-Prozess wirft weitere Fragen auf
nach der Rolle westlicher Mainstream-Medien
Wem hat der Ölkrieg Vorteile gebracht?
Moskau/Saarbrücken.
Cui bono?
Wem nützte das Drama um Yukos, dessen letzter Akt sich im Moskauer
Meschtschanski-Gericht zähflüssig dem Ende entgegenquält?
Wer hat dieses geopolitische Vexierrätsel
mit russischer und amerikanischer Komponente inszeniert?
Was ist wirklich und was ist Spiegelbild bei diesem Rätsel,
das durch Fragen in die Irre führt, die mit berechnender
oder feiger Zurückhaltung im Westen nicht gestellt werden
und dann natürlich keine Beantwortung finden?
Fragen, die Mainstream-Journalisten sogar sich selbst zu stellen
verlernt haben und stattdessen als mediale Wiederkäuer platte Klischees
reproduzieren, die sich hoch bezahlte PR-Strategen aus dem Westen
für Millionen Dollar im Auftrag von Yukos und Menatep ausgedacht haben:
an Comic-Sprechblasen erinnernde inhaltslose Worthülsen
– um Chodorkowski und Konsorten weiß zu waschen.
Um am Ende wenigstens aus einem Räuber noch einen Märtyrer zu machen,
aus dem sich wenigstens noch politisches Kapital schlagen lässt,
wenn es für Washington schon nicht zu einem Sieg
im amerikanisch-russischen Ölkrieg gereicht hat.
Natürlich wird auf beiden Seiten gelogen, dass sich die Balken biegen.
Auf dem PR-Parkett ist Russland allerdings noch ein Entwicklungsland
und kann den Profis aus den USA nicht das Wasser reichen.
Die russische Informationspolitik im „Fall Yukos“ war von Anfang an
zu zurückhaltend, zu spröde, zu phantasielos, zu bieder
– und deshalb erfolglos.
Sie war einfach nicht raffiniert genug, um den Vereinigten Staaten
Paroli bieten zu können.
Russland scheute die im Westen auf nahezu allen administrativen Ebenen
übliche wenn auch relative „Offenheit“
– auch wenn es sich dabei nicht selten um geschickt verpackte Lügen
handelt – und bevorzugte stattdessen amtliche oder halbamtliche anmutende
Verlautbarungen, die über regierungsnahe Presseagenturen und Journalisten
verbreitet wurden, ohne ins Detail zu gehen.
Damit ist die russische Informationspolitik weitgehend auf dem Niveau
der untergegangenen Sowjetunion stehen geblieben.
Mit der schnell voranschreitenden Demokratisierung und Öffnung des
riesigen Landes hat die russische Informationspolitik nicht Schritt
halten können.
Der Kreml hat den „Fall Yukos“ und das Strafverfahren gegen
Michail Chodorkowski & Komplizen der internationalen Öffentlichkeit
schlecht verkauft.
Während die einzig verbliebene Supermacht ihre Hegemonieneurose
mit deutlich imperialem Anspruch scheinheilig als Demokratie-Export
verkaufen kann,
ist Russland den PR-Profis aus dem Westen weitgehend hilflos ausgeliefert.
„Nicht selten unterlassen wir es, die Motive unserer Handlungen zu erklären.
Im Ergebnis entsteht dann von vornherein ein schlechtes Bild,
das sich dann nur schwer wieder verbessern lässt“,
beschrieb der Chef des Auswärtigen Duma-Ausschusses, Konstantin Kossatschow,
am vergangenen Wochenende treffend die generelle und nicht nur
im „Fall Yukos“ betriebene Informationspolitik Russlands, das nach
dem Zerfall der Sowjetunion an einem Minderwertigkeitskomplex leide
und sich seiner nationalen Interessen schäme, auch dann, wenn diese
begründet seien, andererseits aber dem Größenwahn erliege, dass es
bei allen ausländischen Partnern á priori Sympathie erwecken müsse.
PR-Profis führen Journalisten an der Leine
Korrespondenten der Mainstream-Medien aus dem Westen
– mit investigativem Journalismus ohnehin nicht sonderlich vertraut,
vielmehr an bequem abzurufende und schier endlose Informationsströme
aus Pressestellen gewöhnt – waren deshalb leicht zu manipulieren.
Ausgebuffte amerikanische PR-Profis von „APCO Worldwide“ füllten
zusammen mit der von Yukos unterhaltenen Advokaten-Armada
mit Millionen Dollar aus den Kassen der russischen Räuberbarone
die von der Moskauer Informationspolitik zu verantwortende
Informationslücke aus.
So gelang es ihnen, von Chodorkowski & Konsorten ein geschminktes Bild
in den Westen zu transportieren, das den Kreml in Verlegenheit brachte
und unter Zugzwang setzte.
Die meisten Moskauer Korrespondenten verfügen nicht über perfekte
russische Sprachkenntnisse und sind bei komplizierten Sachverhalten
in der Regel auf Dolmetscher und Übersetzer angewiesen.
Folglich blieb den Mainstream-Journalisten nichts anderes übrig,
als sich weitgehend auf die hoch bezahlten, perfekt organisierten,
englischsprachigen Anwälte der Angeklagten und deren PR-Strategen
aus den USA zu stützen.
Während „APCO Worldwide“ im Hintergrund agierte,
begaben sich die Yukos-Anwälte an die Journalisten-Front.
Als Anwälte mögen sie für ihre Mandanten einen guten Job gemacht haben,
indem sie den Informationshunger der West-Journalisten mit eingängigen
Klischees bedienen, ihre Mandanten belastende Details aber,
die das Bild der Angeklagten trüben könnten, ausklammerten.
Sie streiften kurz und knapp – wenn überhaupt – die Vorwürfe
der Staatsanwaltschaft, ohne jedoch in Details zu gehen,
um anschließend allein ihre Versionen und Entlastungsargumente
detailreich auszubreiten.
So entstand im Westen ein geschöntes Bild
vom „Märtyrer mit den ernsten Augen“,
das mit der kriminellen Realität von Yukos und Chodorkowski & Komplizen
kaum noch etwas zu tun hat.
Journalisten ließen sich mangels anderer Informationsquellen von
den Yukos-Advokaten bereitwillig mit eingängigen Platitüden füttern:
Der Prozess gegen Chodorkowski sei „politisch motiviert“,
ein „Racheakt des Kreml“, ein „himmelschreiender Skandal“,
ein „Schauprozess“ bei dem es „erhebliche rechtsstaatliche Mängel“ gebe,
eine „Verletzung internationalen und russischen Rechts“,
ein „Vergeltungsschlag“, „kein Urteil, sondern eine Abrechnung“.
Der von Russland per Haftbefehl gesuchte Chodorkowski-Freund
und Yukos-Großaktionär Leonid Newslin unterstellte im Wiener „Standard“
dem Kreml sogar eine „antisemitische Aktion“.
Mit Fakten konnte er seine Behauptungen nicht belegen, sollten sie
doch lediglich – wie auch alle anderen Allgemeinkritiken am russischen
Justizsystem – vom erdrückenden Beweismaterial ablenken,
das die Staatsanwaltschaft vorgelegt hat und auf das die drei Richterinnen
in ihrem 1000 Seiten umfassenden Urteil Bezug nehmen,
dessen Verlesung die meisten West- Journalisten mangels ausreichender
Sprachkenntnisse allerdings nicht folgen können, während im Gerichtssaal
anwesende russische Journalisten und Yukos-Juristen während der Verlesung
des Urteils schon mal eingeschlafen sein sollen.
Die Angeklagten belastende Informationen, Zeugenaussagen oder Dokumente
wurden von den ansonsten redseligen Yukos-Anwälten im Gespräch
mit Journalisten weitgehend verschwiegen oder zurechtgebogen.
Über die Mehrzahl der von der Staatsanwaltschaft in das Verfahren
eingebrachten Beweismittel und Indizien, die Chodorkowski und Lebedew
belasten, erfuhren sie von den Russisch sprechenden Yukos-Anwälten
so gut wie nichts.
Einfalt, Täuschung, Manipulation
Als sich während der Verlesung des Urteils schon nach wenigen Tagen
abzeichnete, dass Chodorkowski & Konsorten wahrscheinlich zu einer
empfindlichen Strafe verurteilt werden, erklärten Yukos-Advokaten
mit doppelsinniger Offenheit, sie hätten diese Entwicklung vorausgesehen,
um anschließend West-Journalisten zu erklären, warum das Urteil
rechtsstaatlichen Ansprüchen nicht genüge:
Die Richterinnen habe ganze Passagen aus der Anklageschrift
der Staatsanwaltschaft rezitiert – folglich aus der Anklageschrift
lediglich abgeschrieben.
Na und?
Auch Richter in den Vereinigten Staaten, Westeuropa oder hierzulande
verfahren gelegentlich nicht anders und nehmen inhaltlich oder
wortwörtlich vom Staatsanwalt formulierte Passagen aus dessen
Anklageschrift in ihre Urteilsbegründung auf, wenn die erhobenen
Vorwürfe während des Gerichtsverfahrens bewiesen werden konnten.
Als sei die Übernahme von Passagen aus der Anklageschrift in das
spätere Urteil des Gerichts bereits ein Beleg für das Fehlen von
Rechtsstaatlichkeit in Russland, verbreiteten Mainstream-Medien
diese Aussage im Kontext ihrer offensichtlich unreflektierten Kritik
am russischen Rechts- und Justizsystem.
Die Chuzpe, mit der Yukos-Advokaten gestandene Journalisten auf den Leim
führten, dass letztere sich überhaupt mit solchen Einfältigkeiten täuschen
und manipulieren ließen, ist wenig schmeichelhaft für diese Journalisten.
Es gebe „keine Belege für die Taten“, behauptete schließlich auch
der FDP-Bundestagabgeordnete Otto Graf Lambsdorff vollmundig,
der es als Beirat des Yukos-Hauptaktionärs Menatep eigentlich besser
wissen müsste. Er erlebe den Moskauer Prozess
„als ein Beispiel selektiver Justiz, das heißt,
es wird gegen einen, in diesem Falle Chodorkowski, vorgegangen,
dem Vorwürfe gemacht werden, die man sehr vielen Oligarchen machen kann,
die im Jahre 1990 zu großen Vermögen gekommen sind.“
Abgesehen von der verharmlosenden Formulierung für Diebstahl und Betrug
am Ende seines Satzes übersieht Rechtsanwalt Graf Lambsdorff,
dass ein Dieb und Betrüger nicht deshalb freizusprechen ist,
weil auch andere russische Oligarchen ihre Vermögenswerte
in Milliardenhöhe möglicherweise ebenfalls durch kriminelle Handlungen
akkumuliert haben.
Entscheidend ist vielmehr die jeweils vorliegende Beweislage.
Anklage auch gegen die anderen Oligarchen zu erheben, von denen sich
die meisten außerdem bereits ins westliche Ausland abgesetzt haben,
wäre sinnlos, wenn sich der Tatvorwurf nicht zweifelsfrei durch Dokumente,
Zeugenaussagen oder andere eindeutige Beweismittel belegen lässt.
Im „Fall Yukos“ aber ist die russische Justiz im Besitz von Tausenden
Dokumenten, mit denen der frühere Yukos-Chef Michail Chodorkowski
sowie der ehemalige Menatep-Chef Platon Lebedev
offensichtlich gleich mehrerer Verbrechen überführt werden konnten.
Das Material liegt der Moskauer Staatsanwaltschaft seit November 2003 vor.
Es stammt unter anderem von der ehemaligen Pariser Yukos-Mitarbeiterin
Yelena Colongues-Popova, die von Yukos-Finanzdirektor Alexej Golubowitsch
1996 engagiert worden war, um für Yukos und Menatep Geldwäsche-Aktionen,
den An- und Verkauf besonders liquider Aktien sowie ganzer Unternehmen
über gut drei Dutzend Offshore-Gesellschaften abzuwickeln.
Colongues-Popova hatte sich den französischen Behörden offenbart
und sich schließlich auch der russischen Justiz als Zeugin
zur Verfügung gestellt.
Im Hintergrund wirkte der unsichtbare Zensor
„Ich habe keine Angst vor der russischen Staatsanwaltschaft,
ich habe Angst vor dem Druck seitens der Yukos-Leute und ihrer
Art zu arbeiten“, erklärte sie damals gegenüber der russischen
Nachrichtenagentur Nowosti (RIA).
Die Artikel wurden auch vom deutschsprachigen Dienst von RIA verbreitet,
sind aber inzwischen aus dem Web verschwunden, jedoch noch als Nachdruck
bei „Russland Online“ (deutschsprachig) und „News from Russia“
in englischer Sprache auffindbar, so dass sich auch Journalisten
deutscher Mainstream-Medien noch informieren könnten,
wenn sie es denn nur wollten.
Außerdem lebt Yelena Colongues-Popova im Nachbarland Frankreich,
ohne jedoch jemals das Interesse deutscher Journalisten geweckt
zu haben – so als hätte ein unsichtbarer Zensor im Hintergrund
Regie geführt.
Das Yukos und Chodorkowski belastende Material von
Yelena Colongues-Popova war – neben brisanten Dokumenten aus anderen
Quellen – im Dossier des Luxemburgers Ernest Backes enthalten,
das dieser im Herbst 2003 dem Bundesnachrichtendienst (BND) übergab,
bevor es vom deutschen Auslandsgeheimdienst in Pullach an das
Bundeskanzleramt in Berlin weiter geleitet wurde und anschließend
seinen Weg auf den Schreibtisch von Russlands Präsident Putin fand.
Wenige Monate später wurde zunächst Menatep-Chef Platon Lebedew,
kurz darauf auch Michail Chodorkowsi von Agenten des russischen
Geheimdienstes FSB verhaftet, dem Nachfolgedienst des ehemaligen KGB.
Laut Backes war die Schlapphut-Fraktion aus Bayern vom Yukos-Dossier
so begeistert, dass der BND seinem Luxemburger Agenten die Gründung
einer Tarnfirma des BND in Saarbrücken antrug und diese finanzierte
und einrichtete, wie das Saar-Echo bereits ausführlich berichtet hat.
Aus welchen Quellen und über welche Umwege Backes und sein plötzlich
aus dem Nichts aufgetauchter Schweizer Partner André Strebel
das Yukos und Chodorkowski belastende Material erhalten haben
und welche Rolle dabei die USA, möglicherweise aber auch Frankreich
gespielt haben könnten, ist bis heute ein Rätsel, für dessen Auflösung
sich weder die Bundesregierung und Bundeskanzler Schröder,
noch die Opposition zu interessieren scheinen,
wohl aber die Bevölkerung nicht nur in diesem Land, wie die große
internationale Verbreitung der SAAR-ECHO-Serie
„Von Clearstream bis Yukos“ im „World Wide Web“ beweist.
Der Kanzler schweigt und hofft auf gute Geschäfte
Während Bundeskanzler Schröder und Präsident Putin die strategische
Partnerschaft zwischen Russland und Deutschland ausbauten,
die – von den USA misstrauisch beobachtet – sich zur Achse
Moskau-Berlin-Paris zu entwickeln scheint, rückten dank Backes’
Yukos-Dossiers schließlich auch der BND und sein russisches Gegenstück
FSB noch näher zusammen, nachdem BND-Chef August Hanning den Russen
bereits während des Tschetschenien-Kriegs im Jahre 2000 diskret
behilflich war und damals auf Einladung des FSB insgeheim sogar
das Kriegsgebiet besuchen durfte.
Während eine parteiübergreifende Amerika-Fraktion im Deutschen Bundestag
verbissen an ihrer Kritik am russischen Rechts- und Justizsystem
sowie am Moskauer Yukos-Verfahren festhält, der Kanzler schweigt
und mit der Hoffnung auf gute Geschäfte mit Russland seine Freundschaft
zu Wladimir Putin pflegt, ist kurz vor dem Ende des letzten Aktes
im Drama um den „Fall Yukos“ Bilanz zu ziehen,
wem der amerikanisch-russische Ölkrieg welche Vorteile gebracht hat.
Der „Fall Yukos“ wurde von zwei Regisseuren inszeniert,
nach Drehbüchern aus zwei verschiedenen Federn:
Das erste entstand in Washington, das zweite in Moskau.
Zunächst sah es so aus, als würde die amerikanische Regie
mit Chodorkowski als Assistenten nach den russischen Öl-Ressourcen
greifen und die Yukos-Öltochter Yuganskneftegas schlucken können,
an der Exxon sowie Chevron-Texaco bereits Interesse bekundet hatten.
Putin sah in Chodorkowskis Kooperationsplänen mit dem ehemaligen
Klassenfeind und Rivalen eine Bedrohung der nationalen Sicherheit
seines Landes, zumal die Erlöse aus dem Energiebereich die größte
Einnahmequelle Russlands bildeten.
Auch war Putin die Kapitalflucht aus Russland ins westliche Ausland
nicht entgangen, wo die Oligarchen ihre mit russischen Rohstoffen
leicht verdienten Milliarden vorzugsweise anlegten oder in
Steuerparadiesen bunkerten, anstatt sie in die entwicklungsbedürftige
Wirtschaft ihres eigenen Landes zu reinvestieren.
Im Sommer 2003 fühlte sich Amerika schon als Sieger
im amerikanisch-russischen Ölkrieg, der bis dahin
von der internationalen Öffentlichkeit kaum bemerkt worden war,
weil er von den USA konspirativ geführt wurde.
Als die ölhungrigen Vereinigten Staaten 2003 glaubten,
die russische Beute an der Angel zu haben, entstand im Kreml
ein russisches Drehbuch zum „Fall Yukos“ und nahm den bis dahin
von Amerika verdeckt geführten Ölkrieg um Yukos mit Unterstützung
seines Assistenten aus dem Bundeskanzleramt in Berlin an.
Putin führte ihn öffentlicher, als es Amerika lieb war.
Und cleverer.
Er gewann, musste aber auch selbst ein paar Federn lassen,
als es Amerika nach seiner Niederlage gelang, das Vertrauen
ausländischer Russland-Investoren vorübergehend zu schwächen.
Ein Propaganda-Krieg ist bis auf weiteres an die Stelle des Ölkriegs
getreten, der gelegentlich Ansätze eines neuen Kalten Krieges
in sich trägt.
Schröder und Deutschland als die größten Verlierer
Wer oder was den Kanzler veranlasst hat, eine strategische Partnerschaft
mit Putin einzugehen, werden Historiker herauszufinden haben,
falls Schröder nicht schon bald viel Zeit haben sollte, selbst mit
dem Schreiben seiner Erinnerungen zu beginnen, nachdem sich mit
der deutlich verlorenen Wahl in Nordrhein-Westfalen das Ende seiner
Kanzlerschaft abzeichnet.
Dann allerdings wird sich auch Wladimir Putin innerhalb der EU
neu orientieren müssen und vielleicht nach Frankreich blicken.
Schröder und Deutschland jedenfalls stehen im Augenblick
als größte Verlierer des amerikanisch-russischen Ölkriegs fest,
während Verlierer Bush nach seiner Niederlage gegen Putin
mit geschickten PR-Kampagnen gegen Russland wieder ein wenig
punkten konnte.
Die dubiose Rolle von Ernest Backes, der sich als Nachrichtenhändler
jedem anzudienen scheint, von dem er profitieren zu können glaubt,
bleibt undurchsichtig.
Seine Kontakte zu amerikanischen Kreisen sowie zum BND, angeblich auch
zum Mossad, könnten vermuten lassen, dass er keine moralischen Skrupel
kennt, mehreren Herren gleichzeitig zu dienen.
Eine Plaudertasche, für die der Vertrauensbruch zum Handwerk gehört.
Ein Bauer als Schlapphut, der geopfert und abgeschaltet werden kann,
wenn man ihn nicht mehr braucht.
Der BND hat es im Herbst 2004 eindrucksvoll demonstriert,
als er seinem Agenten Ernest Backes ohne Erklärung den Geldhahn
zudrehte und damit die von Pullach finanzierte Tarnfirma
des Bundesnachrichtendienstes in Saarbrücken still legte.
Die Geschäfte müssen weiter laufen. . .
Doch für Schlapphüte, Desinformationsspezialisten und Kaffeesatzleser
herrscht kein Arbeitsmangel, wie widersprüchliche Meldungen
über das Investitionsklima in Russland belegen.
Während die „Süddeutsche Zeitung“ einen Experten des DWS-Fonds zitiert,
der behauptet, der „Fall Yukos“ habe es getrübt, in Russland würde sich
Angst breit machen, meldet RIA Nowosti, dass Investoren die Yukos-Affäre
zwar aufmerksam verfolgen, jedoch ihr Geld in Russland weiterhin anlegen.
Für Russlands Wirtschaft sei der Moskauer Prozess kein bestimmender
Faktor mehr. Nach allen ökonomischen Indikatoren sei der „Fall Yukos“
zuerst ein politischer, wenn auch nicht eben alltäglicher Fakt,
inzwischen aber eine rein juristische Aktion geworden.
Geschockt seien Investoren vor eineinhalb Jahren gewesen.
Inzwischen hätten Geschäftsleute längst ihre Schlüsse gezogen.
Die russischen darüber, dass dem ökonomischen Spiel außerhalb
des gesetzlichen Rahmens ein Ende gesetzt worden sei,
die ausländischen darüber, dass Kontakte mit Personen,
die sich als Oligarchen wähnen und Anspruch darauf erheben,
bei der Staatspolitik ein Wort mitzureden, doch lieber zu meiden sind.
Dieser Auffassung scheint sich auch US-Energieminister Samuel Bodman
zu nähern. Er trifft in dieser Woche in Russland ein, um Investitionsklima
und Bedingungen für die Arbeit ausländischer Unternehmen auf dem russischen
Markt zu erörtern.
The Business must go on. . .
Und auch die Aufregung der Russlandberichterstatterin für den Europarat,
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die Monate lang massiv
das Yukos-Verfahren in Moskau kritisierte und mitzuhelfen versucht hat,
Räuberbaron Chodorkowski zum Märtyrer aufzubauen, wird sich bald nach
Verkündung des Strafmaßes für die in Moskau schuldig gesprochenen
Oligarchen wieder legen.
Die nachfolgenden Fragen des „Saar-Echo“ mochte die engagierte Kritikerin
des russischen Rechts- und Justizsystems und Parteifreundin von Menatep-Beirat
Otto Graf Lambsdorff schon nicht mehr beantworten:
„Wie würden Sie es strafrechtlich und auf Deutschland bezogen bewerten,
wenn ein deutsches Unternehmen hier geförderte Kohle zu Dumpingpreisen
an Offshore-Firmen in Steueroasen verkauft, um sie anschließend
zu den regulären und weitaus höheren Marktpreisen weiterzuverkaufen,
jedoch in Deutschland nur Steuern auf die Dumpingpreise abführt,
die Erlöse aus der Differenz zwischen Dumpingpreisen und Marktpreisen
aber als nahezu steuerfreien Gewinn über Steuerparadiese in die eigene
Tasche wirtschaftet und damit dem Ursprungsland des Rohstoffs die
normalerweise zu zahlende Steuern auf die erzielten, marktgerechten
Verkaufserlöse vorenthält?
Wäre ein solches Steuerverkürzungsmodell durch die deutsche
Steuergesetzgebung gedeckt und könnte es hierzulande von jedermann
in jeder Branche ungestraft angewandt werden?
Oder wäre das nicht auch in Deutschland ein Betrug,
der strafrechtlich verfolgt werden muss?“
(Frank Krüger)