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Ist das Leben was anonymes?

Leider muss ich Dir widersprechen. Deine Ansicht tönt in meinen Ohren sehr naiv.
Ich habe Erfahrung mit einer schizophrenen Tochter deren Ahnen diese Krankheit hatten.
Natürlich kommt es ausserdem auf das aktuelle Familienklima an.
Wenn sich ein psychisch Kranker in der Aussenwelt betätigt, verzichtet er womöglich schnell auf die
Medikamente und gerät wieder in Konflikt mit der Öffentlichkeit. Das gibt dann einen circulus vitiosus.
 
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Leider muss ich Dir widersprechen. Deine Ansicht tönt in meinen Ohren sehr naiv.
Ich habe Erfahrung mit einer schizophrenen Tochter deren Ahnen diese Krankheit hatten.
Natürlich kommt es ausserdem auf das aktuelle Familienklima an.

Ob die Krankheit vererbt ist oder nicht ist beinahe schon eine philosophische Diskussion. Sie hat nichts mit dem praktischen Handeln des Betroffenen zu tun. Das Problem besteht, so oder so. Die Frage ist, wie man damit umgeht. Und hier kann das Argument, dass das ja alles vererbt ist, lähmend auf den Betroffenen wirken, weil er dann denkt: Da kann man halt nichts machen. Ich streite aber nicht ab, dass ich Dominiks Wehklagen sehr gut nachvollziehen kann. Ich denke selber manchmal so. Und dann muss ich mir immer und immer wieder einen Arschtritt verpassen. Letzteres scheint Dominik völlig fremd zu sein, er kennt nur das Kreisen um sich selbst und seine Situation. Diesen Kreis habe zuerst ich und dann Giacomo hier im Thread zu durchbrechen versucht. Andere bestätigen sein Kreisdenken - weil sie nicht wissen, wie es sich von innen her anfühlt und was man dann braucht. Es gibt im Grunde nur eine Methode, die mir hilft. Pessimismus plus Arschtritt, also: Ja, das Leben ist hart und ungerecht, es ist so, für alle, also hör auf zu jammern und stecke die Energie, die du ins Jammern steckst, in etwas anderes. Mehr kann man aus der Ferne nicht bewirken.
 
Leider muss ich Dir widersprechen. Deine Ansicht tönt in meinen Ohren sehr naiv.
Ich habe Erfahrung mit einer schizophrenen Tochter deren Ahnen diese Krankheit hatten.

Die Schizophrenie und die Bipolare Störung gehören zu den häufigsten psychischen Krankheiten überhaupt, genauso wie die Epilepsie zu den häufigsten neurologischen Störungen gehört. Wenn man nur genügend sucht, dann wird man immer irgendeinen betroffenen Ahnen finden, das sind dann aber rein mathematische Beziehungen. Und so genetisch entfernt, wie diese Verwandten - sofern sie überhaupt genetische Verwandten sind, denn letztlich ist auch das meistens nicht beweisbar geklärt - muss man sich doch fragen, was sie einem denn genetisch überhaupt noch mitgegeben haben wollen, diese Verwandten, so genetisch entfernt, wie sie nun einmal sind.
Bei anderen Betroffenen findet man keine betroffenen Ahnen, und da stellt die Diagnose dennoch keiner in Frage.

Natürlich kommt es ausserdem auf das aktuelle Familienklima an.

Genetische Beziehungen hin- oder her, so kann man doch jeden Menschen zu einem psychisch Kranken machen; man muss ihn nur in seiner Kindheit genug misshandeln, und dann ist es ziemlich unerheblich, was für ein Genkonstrukt er/sie denn hat.
Familien spielen bei dem Thema psychische Krankheit immer eine Rolle. Und oft genug wollen sie überhaupt nicht, dass jemand gesundet. Sie profitieren in der einen oder anderen Weise davon, dass die Zustände so bleiben, wie sie waren und sind.

Wenn sich ein psychisch Kranker in der Aussenwelt betätigt, verzichtet er womöglich schnell auf die
Medikamente und gerät wieder in Konflikt mit der Öffentlichkeit. Das gibt dann einen circulus vitiosus.

Das habe ich bei einem als schizophren diagnostizierten Menschen schon erlebt (ich wohnte mit ihm zusammen) und das war schrecklich.
Andererseits kenne ich eine als bipolar diagnostizierte Frau, die in einer selbstgewählten und von ihr durchgezogenen Therapie aus Psychiater und Psychologen ihre Medikation mühsam ausgeschlichen und schließlich beendet hat, etwa im Zeitraum innerhalb eines Jahres.
Sie lebt heute und seit Jahren ohne Medikamente. Sie ist zweifelsohne eine lebhafte Frau; "krank" ist sie aber nicht, kein Sozialfall und gut geht's ihr auch.

Es geht am Ende immer um den Einzelfall.
Mit den letztgenannten Beispiel wollte ich illustrieren: Es ist keineswegs zwangsläufig, dass jemand, der einmal eine solche Diagnose erhielt (bipolar) sein ganzes restliches Leben zwangsmedikamentiert sein muss. Es kommt auf den Fall an - und auf den Willen des Betroffenen, eigenständig und in Begleitung therapeutische Wege zu beschreiten ... während es andere gibt, die den Schneid für solche Schritte nicht haben und lieber an ihren Medis kleben bleiben wollen.
 
@Giacomo_S

Bei den Ahnen weit hergeholt? In diesem Fall war in jeder Generation ein Suicid und das wurde mir verständlicherweise verheimlicht.

Die Krankheit auch ohne belastete Ahnen? Ja, man spricht heute von epigenetischer Vererbung (die kann durch schreckliche Erlebnisse der
Ahnen entstehen - Kriege, Vergewaltigungen usw.)

Auch sind häufig die "unbelasteten Ahnen" eben verständlicherweise nicht ehrlich.

Dass es Familien gibt, die ihre kranken Kinder bewusst ohne Hilfe lassen, ist mir neu. Vielleicht bin ich in diesem Punkt naiv.

Auch mit Bipolar habe ich Erfahrung, denn die Anwältin meiner Tochter (wenn man in der CH in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wurde,
kann man sich mit einem dafür vorgesehenen Anwalt/Anwältin wieder herausargumentieren) hatte diese Krankheit, wie sie mir später "beichtete".
Sie brachte mich nach dem Tod meiner Tochter in zusätzliche Nöte, aber diesen Einzelfall will ich hier nicht weiter beschreiben.

Das Argument, man findet nichts in den Genen habe ich auch vielfach gehört. Was aber, wenn die Gene nur sterisch anders sind ??
 
Du hast in den paar Wochen, die du (wieder) hier bist, das Forum mit über 1.600 Beiträgen zugespamt. Soll ich das ernst nehmen?
Ich, beispielsweise, kann das nicht mehr ernst nehmen. Und hierzu fällt mir wieder Irene Jung ein, diese schreibt dazu: „Der literarische Produktionsprozess ist [...] gekennzeichnet durch Vorgänge und Funktionen, die ihn in vielerlei Hinsicht mit der psychotherapeutischen Kur vergleichbar machen; beide geben Gelegenheit zum relativ angstfreien Ausdruck von Wünschen, Impulsen, Fantasien“ (Jung 1989, S. 68). Die Ähnlichkeit des therapeutischen und literarischen Prozesses scheint demnach ein Grund für die enorme Nutzbarkeit dieses Verfahrens, sowohl im privaten, als auch im institutionellen Rahmen, zu sein.
 
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@Giacomo_S

Bei den Ahnen weit hergeholt? In diesem Fall war in jeder Generation ein Suicid und das wurde mir verständlicherweise verheimlicht.

Ohne jetzt auf Deinen Fall im Näheren eingehen zu wollen (und ehrlicherweise: auch gar nicht zu können) - mal ganz allgemein zum Thema "Ahnen":

Wir alle haben 2 Eltern, 4 Großeltern, 8 Urgroßeltern, 16 Ururgroßeltern usw. usf. (1)
Rechnet man als Verwandtschaft noch Großonkel und -tanten, -cousinen o.ä. hinzu, dann kommt man alsbald auf eine gehörige Anzahl von Verwandten.
Die Schizophrenie (als Beispiel) ist eine der häufigsten psychischen Krankheiten, man geht von einem Anteil von Schizophrenen von 3-5% an der Gesamtbevölkerung aus. Schaut man mit dieser Quote auf eine nur gehörig große Anzahl von Verwandten - als rein mathematisches Rechenbeispiel - eine Anzahl von Verwandten, die jeder hat: Dann wird man mit einer ziemlichen Wahrscheinlichkeit bei jedem irgendeinen psychisch kranken Vorfahren oder Verwandten finden.

Wenn der Vorfahre mit einem selbst überhaupt genetisch verwandt ist.
Als vor Jahren die DNA-Analysen für jedermann möglich und bezahlbar wurden, hat sich die Hobby-Zunft der Ahnenforscher, angeführt von den Amerikanern unter ihnen, zunächst begeistert auf diese neue Methode der Recherche gestürzt. Naheliegend, möchte man meinen, aber genauso schnell wie sie damit angefangen haben, haben sie es wieder sein gelassen.

Denn zu oft fanden sie heraus: Der Vater war gar nicht der Vater und Mutti war eine Schlampe. :p
Nach deutschem Recht und Gesetz ist der Ehemann der Vater eines Kindes, ob er es gezeugt hat oder nicht. Das bedeutet aber nicht, dass er zwingend der genetische Vater des Kindes sein muss. Mit den DNA-Tests konnten die Ahnenforscher ihre geliebten Stammbäume daher nicht vervollständigen, sondern lösten damit nur veritable soziale Dramen aus ... und deshalb ließen sie sie dann auch wieder sein.

Man nimmt an, dass etwa 10% aller Kinder in Wahrheit Kuckuckskinder sind.

Auch sind häufig die "unbelasteten Ahnen" eben verständlicherweise nicht ehrlich.

Auch über Kuckuckskinder reden die Ahnen nicht und oft genug, wenn nicht meistens, nahmen sie dieses Wissen mit in ihr Grab.
Face it: Mit einer Chance von 1:10 ist dein Vater nicht dein Vater und deine Mutter hat es mindestens einmal krachen lassen.
Folgerichtig bricht in so einem Fall der gesamte väterliche Teil deiner Verwandtschaft weg ...

Es würde mich nicht wundern, wenn der Anteil von Kuckuckskindern zu gewissen, vergangenen Zeiten tendenziell sogar noch höher war: Während der Kriege z.B. oder auch in den ersten Nachkriegsjahren.
Unsere Ahnen waren eben nicht so sittenstreng, wie sie es uns immer haben weiß machen wollen. Neuerdings legen dies DNA-Analysen nahe, aber auch ehrliche Wüstlinge (Casanova) haben uns schon darüber berichtet, und sogar mit verblüffender Sachlichkeit. Da blieb eben der ersehnte Erbe eines Familienbesitzes aus ... und da musste dann eben der Stallknecht herhalten, der war gesund und gut gebaut. Und bald war er da, der ersehnte Nachkomme, und alle berichteten stoz, wie ähnlich er seinem "Vater" doch sei ...

Was will uns der Autor damit sagen?
Fazit:
1. Allein aufgrund mathematischer Abhängigkeiten wird man in der ferneren Familie bei jedem Menschen auch psychisch kranke Vorfahren finden.
2. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sind Teile deiner Vorfahren überhaupt nicht deine Vorfahren.
3. Und schließlich: Es gibt auch psychisch kranke Menschen "ohne" solche Vorfahren.

In solchen Zusammenhängen von "genetischen Abhängigkeiten" (2) zu sprechen, das halte ich für gewagt, ja im Grunde für unzulässig. Denn zum Einen steht die Verwandtschaft überhaupt nicht so genau fest, und zum Anderen haben wir alle solche Verwandten.

Dass es Familien gibt, die ihre kranken Kinder bewusst ohne Hilfe lassen, ist mir neu. Vielleicht bin ich in diesem Punkt naiv.

Das habe ich so auch nicht gemeint.
Es ist nicht so, dass manche Familien ihre Angehörigen bewusst ohne Hilfe lassen. Allerdings stabilisieren, ja: zementieren sie den jeweiligen Status Quo. Die Hilfe geht bis zu einem gewissen Punkt, der wird dann gehalten und nicht mehr verändert, geschweige denn verbessert.
Meistens geht das dann einher mit der völligen Unfreiheit des Betroffenen.

Das Argument, man findet nichts in den Genen habe ich auch vielfach gehört. Was aber, wenn die Gene nur sterisch anders sind ??

Ist ein Genetiker ehrlich, dann kann er - mehr oder weniger - nur eines aus den Genen herauslesen, und das sind Verwandtschaftsbeziehungen.
Bislang lassen sich aus einzelnen oder mehreren Genen solche Eigenschaften wie Haar-, Augen- und Hautfarbe heraus lesen, viel mehr aber auch nicht.
Man hat nach Häufungen in den Genen psychisch kranker Menschen gesucht und auch welche gefunden. Jedoch gibt es auch Menschen, die diese Genkombinationen haben und nicht psychsich krank sind, wie es psychisch kranke Menschen ohne diese Genkombinationen gibt.
Was für einen Wert soll so eine Aussage dann noch haben?

Anmerkungen:

(1) Es sei denn, man ist adelig, dann können es auch schon einmal weniger Ahnen sein.
Der letzte spanische Habsburger, Karl II, auch Carlos der Verhexte, hatte in der 5. Generation statt der möglichen 32 nur 10 Vorfahren. Alle seine sechs Urgroßeltern stammten direkt von Johanna von Kastilien ("der Wahnsinnigen") ab. Karl II. war genetisch degenriert, von schwacher Gesundheit, von infantilem Charakter und geistesschwach.

(2) Früher hätte man von "Vererbung" und "Erbkrankheiten" gesprochen, aber diese Begriffe sind heutzutage wohl tabu. Gemeint ist aber dennoch dasselbe.
 
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