Chris M
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Ich habe eine Videocollage mit Polizeiübergriffen gesehen, die Anfang August bei der Querdenker-Demonstration in Berlin stattgefunden haben sollen. Da wurde unter anderem eine Oma gewürgt und zu Boden geschmißen.
Sehr schön, und war in der Collage auch die Vorgeschichte zu sehen ?
Hier muss ich Muz Muz recht geben. Solche Videoschnipsel haben in den meisten Fällen null Aussagekraft, egal ob sie die Polizei oder die Demonstranten in ein schlechtes Licht stellen sollen. Es fehlt fast immer der Kontext.
Dazu kommt noch ganz grundsätzlich: Eine Demonstration kann sich jederzeit in ein kleines Kriegsgebiet verwandeln, insbesondere wenn die Demo nicht zugelassen oder von der Polizei abgebrochen wurde:
Die Demonstration wurde verboten, durch zwei Gerichtsentscheidungen. Es war klar, dass es zu Polizeieinsätzen kommen würde.
In diesem Punkt muss ich sogar Anideos einmal zustimmen:
Teilnehmer von nicht zugelassenen Demos müssen davon ausgehen, dass die Polizei das Verbot mit ihren Methoden durchsetzen wird. Die Funktionsweise des Rechtsstaats ist eigentlich ganz leicht zu verstehen.
Ich sagte es schon häufig: Eine Demo ist kein Kindergeburtstag. Sie ist vielmehr eine höchst unberechenbare Situation, die jederzeit eskalieren kann. Die allermeisten Menschen haben heutzutage kein richtiges Gespür mehr für Gefahren, weil wir nur noch selten echten Gefahrensituationen ausgesetzt sind. Und so gehen viele Menschen eben mit der naiven Einstellung auf eine Demo: Was soll schon passieren, ist ja nur ein Spaziergang mit Transparenten. Nein! Eine Demo ist im Grunde eine Straßenschlacht mit friedlichen Mitteln, aber nur solange, bis entweder die Teilnehmer oder die Polizei anfangen, zu eskalieren. Da kommen ganz viele Faktoren zusammen. Haben die Polizisten, die gerade Dienst haben, bisher eher positive oder eher negative Erfahrungen auf Demos gemacht? Wie ist die Grundstimmung des Tages auf beiden Seiten? Eher gelassen und ruhig oder eher aggressiv und provokant? Und so entwickeln Demos schnell eine Eigendynamik. Deshalb hat eine solche Protestveranstaltung immer das Potential, von einem kalten Krieg zu einem heißen Krieg zu werden, und an der Frontlinie haben daher weder alte Omas noch kleine Kinder etwas zu suchen.
Was hat sie da also zu suchen, die Oma?
Ganz genau. Das ist eben die oben beschriebene Naivität und das verloren gegangene Gefühl für Gefahr. Oder, als zweite Möglichkeit: Man will bewusst solche Bilder provozieren und schickt deshalb Kinder und Omas an die Front, damit man sich hinterher beschweren kann.
Also: Auf einer Demonstration muss man immer mit Eskalationen rechnen. Ich fand das Gejammer von den Linken über Polizeigewalt schon immer heuchlerisch, insbesondere, da gerade die Linken mit ihrer ACAB Einstellung gar nichts anderes erwarten können. Dann kann ich jetzt aber konsequenterweise auch bei den Querdenkerdemos keine andere Einstellung dazu haben. Wenn alte Menschen und Kinder Gewalt abbekommen, ist das schlimm, aber diese sollten sich eben auf einer Demo nur im hinteren Bereich aufhalten, wenn überhaupt. Und die Kerle, die ganz vorne stehen, müssen sich des Risikos bewusst sein, aufs Maul zu kriegen. Das ist hart, aber so ist die Wirklichkeit. Meistens sind es ja auch gar nicht diejenigen, die aufs Maul kriegen, die sich hinterher über Polizeigewalt beschweren, sondern die alternativen Medien, denen ich in diesem Punkt ausnahmsweise auch mal Heuchelei vorwerfen muss. Man kann es nicht einerseits feiern, dass Demos trotz Verbot stattfinden und Polizeisperren durchbrochen werden und dann aber andererseits über Tage hinweg in die Opferrolle schlüpfen und Polizeigewaltvideos ohne Kontext raushauen.
Und was sowieso noch dazu kommt: Hätte unsere Seite die politische Macht, dann würden wir diese ganz genau so verteidigen und notfalls auch mit Gewalt. So ehrlich muss man einfach mal sein und nicht das Opfer spielen, das bringt sowieso nichts, es erzeugt nur negative Energie und macht schwach. Vielmehr sollte unsere Seite es als Erfolg verbuchen, dass die Demos mittlerweile fast alle verboten werden, denn damit erkennt die Regierung nachträglich an, wie groß die Demos im letzten August wirklich waren, und man will mit allen Mitteln verhindern, dass es jetzt jedes Jahr zu solchen Megademos wie am 01.08. und am 29.08.2020 kommt. Aber letzten Endes wird damit nur der Widerstand noch stärker werden, auch wenn er kein sichtbares Gesicht mehr auf der Straße hat, wie letztes Jahr, was natürlich großartig war, aber unmöglich von Dauer sein konnte, denn was hätte der Mainstream denn tun sollen? Sich bei jeder Demo einen angeblichen Reichstagssturm ausdenken, um von der Teilnehmerzahl abzulenken? Das hätte auf Dauer niemals funktioniert. Deshalb kommt eben jetzt die Verbotsstrategie mit anschließender Polizeigewalt zur Abschreckung. Auch das ist nur ein weiteres Kapitel und auch diese Phase wird vorübergehen.
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