von Jan Amos:
Daheim ist sie Güte,
Im Geschäft ist sie Ehrenhaftigkeit,
In der Gesellschaft ist sie Höflichkeit,
In der Arbeit ist sie Anständigkeit!
Für den Unglücklichen ist sie Mitleid,
Gegen das Unrecht ist sie Widerstand,
Für das Schwache ist sie Hilfe,
Dem Gesetz gegenüber ist sie Treue.
Gegen den Unrechttuenden ist sie Vergessen,
Für den Glücklichen ist sie Mitfreude, und
vor Gott ist sie Ehrfurcht und Liebe.“
Jede Mama, jeder Papa, jeder Lehrer, jeder Richter, jeder Pastor, jeder Unternehmer oder Angestellte und jeder Polizist oder Politiker wird genau deiner Meinung sein. Und ich schaue mir meine Welt an...und was ich sehe, ist das komplette Gegenteil. Warum.
Ich hab ein ungutes Gefühl, wenn ich das lese. Du machst mir Angst damit. Ich habe täglich mit Menschen zutun, die aus genau dieser Deckelungshaltung hervorgegangen sind. Unschuldige Menschen, die lebendige Kinder waren, Lebewesen. Ich habe mit Menschen zutun, die dieser Bildungsideologie ausgeliefert waren/sind, Kinder, Jugendliche, Ältere. Und ich sehe hier, dass deren Deckelung Risse bekommt, deren Wunsch es ist, zu sterben...die das auch versuchen und schaffen. Der Ausweg aus deiner Idealwelt. Und was die nicht brauchen, ist noch mehr Tugend, Moral und Herzensbildung...sie brauchen Herzenswärme. Dafür war in der perfekten Welt ihrer Mitmenschen keine Zeit.
Wenn ihr den Begriff von Tugend und Bildung nicht ablegen könnt, werdet ihr immer nur unter sekundärem Blick Herzens...-wärme, -angelegenheit oder -wunsch betrachten. Ihr werdet nie bis dahin vordringen, was eure Natur ist/war. Was ist unsere Natur? Spätestens wenn wir Freuds Todestrieb akzeptieren oder den geistlichen Stimmen von Schuld und „Bösem“ folgen, werden wir bestätigt bekommen, was in uns angeblich unterdrückt bleiben muss. Pfeife rauchender Unsinn und geistliches Dogma.
Unter Herzensbildung verstehe ich die Entwicklung der Fähigkeit, zu fühlen. Mit unserem Verstand können wir diese Gefühle, wie Liebe, Sympathie, Gefallen, Toleranz, Zuversicht, Freude, aber auch Hass, Abneigung, Ärger und Enttäuschung dann auch deuten.
...deuten schon, aber dann geht es euch wie einem Psychiater, der eine Depression nur aus seiner Ausbildung kennt. Er wird nie über eine gewisse Schwelle kommen. Er wird den Betroffenen nicht erreichen. Die Fähigkeit zu fühlen muss entwickelt werden? Das glaubten wahrscheinlich auch die Väter, die ihre 2-jährigen Kinder mißbrauchten und misshandelten...sie dachten auch, dass deren Fähigkeit zu fühlen sich erst entwickeln müsse. Narren.
Man darf die direkte Konfrontation nicht voreingenommen bewerten (Mariannes Worte). Ich halte sie für eine notwendige Folge von ungehemmtem Selbstausdruck. Wer jemals vor der Entscheidung stand, seinen Eltern ins Gesicht sagen zu müssen, was ihm an ihnen nicht passt, was sie falsch gemacht haben, wie sie einem das Leben zur Hölle gemacht haben, der wird die quälenden Schmerzen kennen. Diese Schmerzen sind es, die den Gebildeten vom Fühlenden unterscheiden. Und ich beziehe mich auf Menschen, die es spüren...nicht auf die, die es nicht spüren. Wer indirekt ist, spürt nicht unbedingt mehr.
Wenn Herzensbildung das Klammern an Werten und die Beherrschung von Selbstausdruck ist, bin ich jemand ohne Herzensbildung...aber ich liebe manchmal Leben und bin mir sicher, dass ich in den Momenten keine Bildung brauche. Das ist eine Katastrophe...eben dieser Zusammenbruch des „Guten“.
Herzensbildung braucht man in meinem Verständnis, wenn man sich nicht traut, auf sein Herz zu hören. Bildung ist ein Ersatz für eigene Erfahrung und eigene Einschätzungen. Unerlässlich für unser modernes Leben, aber nutzlos. Wer eigenes scheut wird fremdes annehmen müssen...wer anderen eigene Erfahrungen nicht zugesteht, wird lehren. Er erzeugt die Krankheit selbst. Die Krankheit des Kindes, was leben wollte und nun an Tugend und Moral erstickt. Wenn das wirkliche Liebe außerhalb von „gibst du mir, geb ich dir“ ist...wirkliches Geben als Ausdruck eines Lebensgefühls...dann wird dir deine Herzensbildung wie ein Heizlüfter vorkommen, der versucht, sich mit der Sonne zu messen.
Ich war 20 Jahre in der Schule...aber das was ich da gelernt habe, ist im großen und ganzen nutzlos. Und erst, als ich bemerkt habe, welchen Wert Wissen und Erfahrungen haben, die man sich aus eigenem Antrieb selber sucht und ungefiltert annimmt (!), Bewusstsein was neugierig ist, statt weiß, habe ich festgestellt, dass ich damals im Vergleich zu heute nichts „wusste“.
Das Grundsatzproblem bei diesen Themen scheint, dass die einen ihre Persönlichkeit schätzen, perfektionieren und verteidigen und die anderen sie zerstören. Doch das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich glaube, wir sind einfach noch nicht so weit, hier genaues zu „wissen“.
Viele Grüße
Bernd