PhilippP
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- 8. April 2003
- Beiträge
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Hallo zusammen,
soeben fand ich eine kleine Parodie, die mir - zumal ich mich derzeit mit Heideggers Jargon in wenig belustigender Weise befassen muss - warm ums verernstete Herz werden ließ:
UN-FUGE (Nach Martin Heidegger)
"Sah ein Knab' ein Röslein stehn" lautet die erste Zeile eines Liedes "Heidenröslein" von Johann Wolfgang von Goethe. Was hat sich Goethe eigentlich dabei gedacht, als er das Lied mit solchen Worten beginnen ließ?
Sah
Die Philosophie, die das Anwesende auf sein Ansehen hin besieht, sieht in diesem Imperfekt des Sehens das Präsens des Wissens, in welcher Präsenz das Gesehene präsent ist. Sehen wird hier als Vor-sich-haben im Gegenüberstellen eines sinnlich Wahrgenommenen gedacht. Die Art des gedachten sinnlichen Vor-habens west an in dem ah, als welches es von dem s ge-aht wird. In diesem Ge-ahnten aht das ah bereits als das versehentlich bej-ahte Aha.
ein Knab
Der anwesende Knab', im Wagnis seiner dumpfen Lust schutzlos ins Offene gehalten (Rilke), west im Gegenüberstellen als ein Wesen, das von dem von ihm zu Sichtenden im Willen zum Willen gewillt wird. Wer so wild west, kann auch als Abwesender durch Unwesen das eigene Anwesen verwesen. Wes Wesen wesentlicher west, weeste erst, wenn er gewest ist. Der Knab' beknab'ert das erst zu Sichtende als das schon Gesehene, und zwar nicht zu knap'. Sein geschenes Seiendes ist also ein angeknab'ertes Sein, dessen Wesen innerhalb der Metaphysik nicht als das Seine zu erfahren ist. (L'Inconnue de la Seine.)
ein Röslein
Und was ist in Wahrheit das Röslein, sofern es ein Röslein ist? Was an dem Aus-sich-heraus-röselnden so aussieht wie das Rösleinhafte im Sinne des ge-läufigen Rösleinbegriffes, das ist, vom zu Be-röselnden her erfahren, das Bröselnde, also das durch die Öse gebröselte Rösleinbrösl. Das Röslein-sein dieses Ösenbrösls öffnet sich in die Offenheit des Offenen, so dass das zerbröselte Röslein im offenen Ofen röslt und als solches ein Geröstetes wird.
stehn
Stehn ist hier als Imstande-sein zu verstehen, anständig der Stätte des ständigen Standes vorzustehen. Die verständlichste Art dieses Vorstehens ist unter Umständen der Ständer, wegen dessen Beständigkeit ein gestandener Verstand von allen Standarten mit Abstand am wenigsten Anstände hat. Da nicht zu befürchten steht, dass durch ein abgestandenes Geständnis Mißverständnisse entstehen, sei noch der unmißverständliche Mißstand eingestanden, dass das Über-sich-hinaus-stehende selbständig in das Offenstehende als solches gestanden wird. Auch dieser Umstand hat seinen verborgenen Grund in der metaphysischen Grundstellung Goethes.
Wenn wir uns also an das halten, was aus der Sprache zur Sprache gekommen ist, dann besagt der ins Offene gewendete Spruch
"Sah ein Knab' ein Röslein stehn"
offen gesagt:
"Aha, einer beknab'ert ein Geröstetes stehend"
Der verweste Spruch des mit Fug und Recht nicht anwesenden Goethe bedeutet, dass dessen Anwesen in das Abwesen verfugt wurde. Was dem Anwesenden gehört, ist der Fug. Ein Spruch, aus dem Sein als Anwesen gedacht, ist der fugend-fügende Fug. Sprüche, aus dem Sein in die Verwesung gedacht, gehören zur Un-Fuge, sind der Un-Fug.
Aus Armin Eichholz "in flagranti", Parodien (Pohl und Co. München)
Lustige Weihnacht wünscht,
Philipp
soeben fand ich eine kleine Parodie, die mir - zumal ich mich derzeit mit Heideggers Jargon in wenig belustigender Weise befassen muss - warm ums verernstete Herz werden ließ:
UN-FUGE (Nach Martin Heidegger)
"Sah ein Knab' ein Röslein stehn" lautet die erste Zeile eines Liedes "Heidenröslein" von Johann Wolfgang von Goethe. Was hat sich Goethe eigentlich dabei gedacht, als er das Lied mit solchen Worten beginnen ließ?
Sah
Die Philosophie, die das Anwesende auf sein Ansehen hin besieht, sieht in diesem Imperfekt des Sehens das Präsens des Wissens, in welcher Präsenz das Gesehene präsent ist. Sehen wird hier als Vor-sich-haben im Gegenüberstellen eines sinnlich Wahrgenommenen gedacht. Die Art des gedachten sinnlichen Vor-habens west an in dem ah, als welches es von dem s ge-aht wird. In diesem Ge-ahnten aht das ah bereits als das versehentlich bej-ahte Aha.
ein Knab
Der anwesende Knab', im Wagnis seiner dumpfen Lust schutzlos ins Offene gehalten (Rilke), west im Gegenüberstellen als ein Wesen, das von dem von ihm zu Sichtenden im Willen zum Willen gewillt wird. Wer so wild west, kann auch als Abwesender durch Unwesen das eigene Anwesen verwesen. Wes Wesen wesentlicher west, weeste erst, wenn er gewest ist. Der Knab' beknab'ert das erst zu Sichtende als das schon Gesehene, und zwar nicht zu knap'. Sein geschenes Seiendes ist also ein angeknab'ertes Sein, dessen Wesen innerhalb der Metaphysik nicht als das Seine zu erfahren ist. (L'Inconnue de la Seine.)
ein Röslein
Und was ist in Wahrheit das Röslein, sofern es ein Röslein ist? Was an dem Aus-sich-heraus-röselnden so aussieht wie das Rösleinhafte im Sinne des ge-läufigen Rösleinbegriffes, das ist, vom zu Be-röselnden her erfahren, das Bröselnde, also das durch die Öse gebröselte Rösleinbrösl. Das Röslein-sein dieses Ösenbrösls öffnet sich in die Offenheit des Offenen, so dass das zerbröselte Röslein im offenen Ofen röslt und als solches ein Geröstetes wird.
stehn
Stehn ist hier als Imstande-sein zu verstehen, anständig der Stätte des ständigen Standes vorzustehen. Die verständlichste Art dieses Vorstehens ist unter Umständen der Ständer, wegen dessen Beständigkeit ein gestandener Verstand von allen Standarten mit Abstand am wenigsten Anstände hat. Da nicht zu befürchten steht, dass durch ein abgestandenes Geständnis Mißverständnisse entstehen, sei noch der unmißverständliche Mißstand eingestanden, dass das Über-sich-hinaus-stehende selbständig in das Offenstehende als solches gestanden wird. Auch dieser Umstand hat seinen verborgenen Grund in der metaphysischen Grundstellung Goethes.
Wenn wir uns also an das halten, was aus der Sprache zur Sprache gekommen ist, dann besagt der ins Offene gewendete Spruch
"Sah ein Knab' ein Röslein stehn"
offen gesagt:
"Aha, einer beknab'ert ein Geröstetes stehend"
Der verweste Spruch des mit Fug und Recht nicht anwesenden Goethe bedeutet, dass dessen Anwesen in das Abwesen verfugt wurde. Was dem Anwesenden gehört, ist der Fug. Ein Spruch, aus dem Sein als Anwesen gedacht, ist der fugend-fügende Fug. Sprüche, aus dem Sein in die Verwesung gedacht, gehören zur Un-Fuge, sind der Un-Fug.
Aus Armin Eichholz "in flagranti", Parodien (Pohl und Co. München)
Lustige Weihnacht wünscht,
Philipp