AW: Hedonismus als Lebenssinn
Als ich das Thema hier hereinstellte, habe ich natürlich auch schon einiges “vorgedacht”.
Allerdings sahen meine “Gedankenflüge” eher so aus.
Wir alle streben nach Glück. Das ist natürlich eine Vorannahme - aber auf ihr beruhten meine Überlegungen.
Seit Epikur wird allerdings Glück eher als ein länger dauernder Zustand definiert. Die Wege zu diesem zu gelangen, sind vielfältig.
Einer dieser Wege ist auch, Glück = Lebenssinn im hedonistischen Lebenssinn zu finden.
Nur, lieber Robin, das ist sicher nicht nur das grobe / oder süße / oder/ oder Triebbefriedigungsausleben. Lust zu finden und zu suchen ist mehr und umfasst - mMn - sehr viele Bereiche des materiellen und geistigen Lebens.
Einige ( Dextra, Scilla, Jacques ) sehen das genau so. Und, Jaques, Du weist darauf hin, dass Lust sogar als Gegenprinzip zu Glück gesehen wurde / wird. - Scilla schaufelt nach mit seiner Theorie des Dualismus.
Eure Gedanken sind mir sehr nachvollziehbar.
Ich habe aber etwas anderes im Hinterkopf gehabt.
Und zwar die Verbindung mit der zeitlichen Dauer. Der Genuss ist - mMn - etwas sehr ( relativ) Kurzfristiges im Leben. Wenn ich also Genusssuche und Befriedigung des Genusses als meinen Lebenssinn ansehe, eile ich von Genuss zu Genuss . ( sinngemäß zitiert: Faust: Im Genuss vergeh ich vor Begierde) Eine solche Haltung kann - und das zeigen auch die Ausführungen von Jacques - nicht dauernd glücklich machen, wenn sie nur mit einer Art des Genusses - Sex, Trinken, Essen -
verbunden wird. Ich glaube, das nennen die Philosophen materiellen Hedonismus. Für mich gilt aber - ich bin bekennende Hedonistin - , dass ich alles mit großer sinnlicher Freude erleben kann. Das oben Gesagte - Naturerlebnisse - Bücher lesen - mit FreundInnen rauchen, ratschen, lachen, mit meinen Händen über Stoff - oder halt auch über die Haut des geliebten Menschen zu streichen usw. usw...
In solchen Akten kann ich die Entfremdung - das Verlassenheitsgefühl, das Leid an der strukturellen Ungerechtigkeit vergessen. - Sicherlich nicht auf Dauer - aber das liegt ja in meiner Definition des Genusses als zeitlich begrenzte Erfüllung meines Seins.
Und so: ich schlussfolgere mal meine eigenen Argumente - und so kann auch Genuss eher als Dauerzustand angestrebt und erlebt werden. Die Kehrseite ( dualistische Sicht) ist es eben, den Zustand des Nichtgenusses / des Leidens oder auch der Gleichgültigkeit ändern zu wollen. Das meine ich durchaus auch in politischer Arbeit.Heine sang das, was ich a u c h als Genuss erleben, den Weg für Gerechtigkeit bereiten - bereits in seinem Werk.
: "Deutschland, ein Wintermärchen"
Caput I
Ein neues Lied, ein besseres Lied,
O Freunde, will ich euch dichten!
Wir wollen hier auf Erden schon
Das Himmelreich errichten.
Wir wollen auf Erden glücklich sein,
Und wollen nicht mehr darben;
Verschlemmen soll nicht der faule Bauch,
Was fleißige Hände erwarben.
Es wächst hienieden Brot genug
Für alle Menschenkinder,
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust,
Und Zuckererbsen nicht minder.
Ja, Zuckererbsen für jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen.
Und wachsen uns Flügel nach dem Tod,
So wollen wir euch besuchen
Dort oben, und wir, wir essen mit euch
Die seligsten Torten und Kuchen.
Ein neues Lied, ein besseres Lied!
Es klingt wie Flöten und Geigen!
Das Miserere ist vorbei,
Die Sterbeglocken schweigen.
http://gutenberg.spiegel.de/heine/wintmrch/wintmrch.htm
Marianne