Wie die meisten hier wissen, bin ich selbst Koch, und ich darf Euch versichern: Etwaiges Mitleid hält sich in unseren Kreisen in Grenzen.
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt. Uli Hoeneß hat mehr Steuern hinterzogen, aber mit Gewinnen auf bereits versteuertes Geld. Der Fall Schuhbeck ist aber etwas anderes: Eigens eine Software entwickeln zu lassen, um Einnahmen gar nicht erst in den Umsätzen erscheinen zu lassen - das erfordert eine gewisse kriminelle Energie, und genau das hat man in dem Verfahren ja auch festgestellt. Zumal es ja nicht das erste Mal war, dass Schuhbeck Steuern hinterzog.
Schuhbecks Ansehen war in unseren Kreisen - und auch darüber hinaus - auch bereits vor dem Verfahren nicht mehr das Beste. Er gilt als ein "Hans Dampf in allen Gassen", der "Ingwerkoch". Sicher einer, der es drauf hat, und mehr noch: Ein (einst) bedeutender Koch Deutschlands, wenn nicht der Welt oder der Kulturgeschichte.
Aber auch als einer, der in seiner Gier nach Ruhm und Geld den Kanal nicht voll genug bekommen konnte. Der seinen Namen auch noch auf eine Tütensuppe kleben lässt, wenn es denn Geld bringt. Einer, der auch noch in jeder Kochshow auftritt, um seinen Senf dazu zu geben.
Das Spiel mit dem eigenen Namen für den schnöden Mammon, insbesondere als Koch: Das ist ein heisses Eisen. Wer auf allen Hochzeiten tanzen will, der verliert schnell den Überblick. Ehemalige (hochkarätige und zahlungskräftige) Gäste berichteten mir von regelmäßig wiederkehrenden, großen Caterings unter seinem Namen, die unter seiner Regie sehr gut waren, irgendwann aber nur noch mäßig. Man beschwerte sich und bekam zur Antwort, er habe die Veranstaltung an eine Fremdfirma abgegeben: Er könne sich leider nicht mehr um alles selbst kümmern.
Es stand aber noch "Schuhbeck" drauf, es war aber nicht mehr "Schuhbeck" drin, allerdings wurde noch immer "Schuhbeck" in Rechnung gestellt: Das kam nicht so gut an, wie man sich gut vorstellen kann.
Es spricht nichts dagegen, als Koch Karriere zu machen, und irgendwann überhaupt nicht mehr selbst zu kochen. Tatsächlich das genau das, was Küchenchefs oder große Küchenchefs ausmacht. Oder darüber hinaus, irgendwann nur noch Konzepte zu entwickeln, die andere Profis umsetzen.
Überwachen, was andere da tun: Das muss man aber zumindest noch tun.
Vor allem und gerade dann, wenn man seinen eigenen Namen auf die Segel der Flotte schreibt, die man da schippern lässt.
Das begrenzt naturgemäß die Größenordnung und Anzahl von Unternehmen, die man auch wenigstens noch im Auge behalten kann. Wer nicht einmal mehr die Menüpläne lesen kann, die andere in seinem Namen schreiben, der hat sich defintiv übernommen, und zwar schon lange.
Aber auch inhaltlich gilt Schuhbeck als ein Koch, der ab einem gewissen Punkt stehen geblieben ist. Man mag dies als seinen "Stil" bezeichnen, etwas, das jeder Koch entwickelt.
Überbewerten sollte man seinen Stil jedoch auch nicht.
Ob man als Koch ein "Künstler" ist, oder ein "Handwerker" - das ist eine Frage, die seit jeher umstritten war und immer noch ist. Ein Handwerker ist ein Dienstleister, der das umsetzt, was seine Kunden von ihm wünschen. Ein Künstler ist jemand, der ggf. neue Zeichen setzt oder Trends vorgibt, ob es nun jedem gefällt oder nicht. Als Koch liegt man irgendwo zwischen diesen Polen: Einerseits Handwerker, und vllt. auch ein wenig Künstler.
Ich selbst betrachte mich mehr als Handwerker unter den Köchen. Ein Maler ist zwar auch darauf angewiesen, dass jemand seine Bilder mag und kauft, auch wenn die meisten sie potthässlich finden. Darüber hinaus kann er aber malen, was und wie er will, denn ein Bild hat keine Gebrauchsfunktion. Ein Tischler kann einen Stuhl bauen, und er mag künstlerisch ziseliert sein - aber sitzen muss man auf ihm können! Und zwar bequem (auch wenn dies nicht immer der Fall ist).
Ein Essen mag neu und kreativ sein, aber essen muss man es können, und wohlschmeckend muss es sein. Und es muss sich daran orientieren, was die Gäste auch essen
wollen. "Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt!", das kann man zuhause seinen Kindern erzählen (und ihnen eine Watsche erteilen, wenn das nicht der Fall ist), seine Bezahl-Gäste kann man aber nicht verprügeln - ja, nicht einmal vorgeben, was sie denn zu essen hätten.
Wir leben in Zeiten, in denen - in der einen oder anderen Art und Weise - es die Gäste sind, die inhaltlich vorgeben, wie das Essen auszusehen hat. Das geht uns Köchen naturgemäß gegen den Strich, insbesondere den "Künstlern" unter uns. Aber wer darauf nicht reagiert, der ist auch schnell der Dinosaurier seiner Branche, und die Dinosaurier sind bekanntlich ausgestorben.
In meinem Alltag gibt es heute keine Gruppenveranstaltung mehr, aus der nicht ca. 10-20% der Gäste aus einem bürgerlichen Angebot ausscheren. Auf den Buchungen steht dann "2x Gluten, 3x Laktose, 5x vegan". Ob uns das gefällt, und wie wir fachlich, küchentechnisch oder ernährungswissenschaftlich dazu stehen: Das ist irrelevant.
Wenn wir diesen Anteil an Gästen nicht adäquat bedienen können: Dann bekommen wir die ganze Gruppe nicht.
Schuhbeck - oder die Firmen und Mitarbeiter, die unter seinem Namen laufen - stehen in dem Ruf, diese neuen Trends nicht mitspielen zu wollen.
Man ist eben "Künstler", gibt die Linie vor, und macht "diesen ganzen, neuen und unsinnigen Schnickschnack" nicht mit.
In gewisser Weise findet das in unserer Branche Verständnis, auch wir stöhnen über diese Extrawürste das eine oder andere Mal. Auf der anderen Seite sind wir aber Handwerker, Dienstleister, die das kochen, was die Menschen wollen. Und die Kunst besteht dann darin, innerhalb dieser Einschränkungen kreativ zu werden und Speisen zu kochen, die diese Kategorien erfüllen und wohlschmeckend, ja raffiniert sind.
Was dann von den Beteiligten dann i.d.R. auch wohlwollend und begeistert angenommen wird, denn daran meckern sie dann nicht mehr herum.