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Geiz ist geil ! Ist Geiz geil ?

Original geschrieben von majanna
zu Konfuzi Ohne mich jetzt auf Deine wahrhaft universale ökonomische Eingliederung der menschlichen Eigenschaft Geiz genauer einzulassen, will ich Dir nur sagen, dass es mir eigentlich gar nicht um Wirtschaftspolitik al la Lieschen Müller geht, sondern um menschliche Verformungen, die sich sicher durch die Ökonomie bedingen.

OK.

Wenn jemand geizig ist, hat er Angst, etwas hergeben zu müssen. Angst vor Verlust? Angst vor dem "Zuwenig-zum-Leben-Haben"? Angst, dass andere, die mehr haben, anerkannter sind?

Ich glaube, es sind diese und noch mehr Gründe, aber immer ist es eine Art Angst. Wer seinen persönlichen Geiz ablegen will, muss erst klären, welche Angst er hat.

Aber ich glaube, dass Angst die größte Triebfeder für die meisten unserer Handlungen ist.

Konfuzi
 
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Original geschrieben von Konfuzi
OK.

Wenn jemand geizig ist, hat er Angst, etwas hergeben zu müssen. Angst vor Verlust? Angst vor dem "Zuwenig-zum-Leben-Haben"? Angst, dass andere, die mehr haben, anerkannter sind?

Ich glaube, es sind diese und noch mehr Gründe, aber immer ist es eine Art Angst. Wer seinen persönlichen Geiz ablegen will, muss erst klären, welche Angst er hat.

Aber ich glaube, dass Angst die größte Triebfeder für die meisten unserer Handlungen ist.

Konfuzi




Hallo, Konfuzi, Hallo Ihr anderen!


Der psychologische Ansatzpunkt, das Lebensgefühl Angst als motivierende Varaussetzung für so manche menschlichen Handlungen, zu sehen: auch für den leidenschaftlichen Geiz ( Adorno) erscheint mir sehr plausibel.
Das Habenwollen um des Besitzes willen kann durchaus einer subjektiven Angst vor Verlusten entspringen, aber auch als gesellschaftliches Phänomen auftreten und in der Folge eben als Geiz bewertet werden.

Das ist aus der Geschichte des 20.Jahrhunderts leicht von jedermann nachzuprüfen.

In den gar nicht so goldenen 20zigerJahren des 20. Jahrhunderts verloren viele Menschen persönlich schuldlos ihr Vermögen. Und das traumatisiert.
Dieses Trauma verstärkte sich, als nach 1945 nicht nur die Flüchtlinge - ob persönlich schuldhaft oder nicht, will ich hier nicht erörtern - Vermögen, sprachliche und räumliche Heimat verloren, sondern die Deutschen und Österreicher insgesamt mit Zerstörung und Armut fertig werden mussten.

Dass es nicht mehr "leidenschaftliche" Geizkrägen in unseren beiden Ländern gibt als anderswo, vermute ich allerdings stark.
Verlustergebnisse allein können es also nicht sein, wenn Menschen aus Angst Geizige im traditionellen Sinne werden.
Es muss wohl die Existenzangst dazu kommen, die Angst vor der Zukunft, die der Geizige um jeden Preis sicher haben will.


Aber diese Angst, mehr geben zu müssen als man kriegt ( Binchen hat sie klassisch gut formuliert ), führt eben zu diesem neuen Geiz, dem eiskalten Kalkül im Umgang mit Menschen.

Geizt man nur mit materiellem Gut oder eben auch mit menschlicher Zuwendung, mit Empathie. Gibt man erst da, wenn einem gegeben wird?

Wenn das stimmt, ist das ebenfalls ein gesellschaftliches Phänomen - wir armen Deutschen und Österreicher sind da sicher nicht alleine.

Aber dieses Geizen an Zuwendung ist doch zu beobachten, führt zu der - gräßlich, "meine" Roten hier in Ö benutzen das schon wieder als politisches Schlagwort und entwerten es damit- Kälte, die wir allenthalben im sowohl individuellen als auch gesamtgesellschaftlichen Leben beobachten können.

Und ganz in dieser Selbsterkenntnis begann ich dieses Thema.


Und nun gebe ich den Fragball an Dich, Konfuzi, zurück:

Angst wovor, wenn das von mir Beobachtete stimmt?



Marianne
 
Original geschrieben von majanna
„Ihr sicherstes Kennzeichen ist die Eile,für empfangene Aufmerksamkeiten sich zu „revanchieren“, um nur in der Verkettung der Tauschkette, bei denen man auf seine Kosten kommt, keine Lücken entstehen zu lassen“. (Adorno aaO ebenda)



Eiskalt wurde mir bewusst, dass das,was ich für Dankbarkeit, eventuell nur für Höflichkeit hielt, ganz andere Motive haben könnte.
Was sagt Ihr dazu?
Marianne

Manchmal braucht's 'ne Weile, bis so'n Inhalt gesackt ist... ok, will mich mal darin versuchen.

Ich halte das Bißchen, das Du hier von Adorno zitiert hast, für ausgesprochenen Blödsinn. Dabei muß ich allerdings zugeben, daß ich (wie so oft) das beschriebene Phänomen aus eigenem Erleben kenne und anders interpretiere, möglicherweise also in der "Bewertung" falsch liege, weil mir andere Motivationen als meine eigenen bisher nicht zugänglich waren.

Ok, mal sehen... wenn mir jemand Aufmerksamkeiten schenkt, bin ich einerseits sehr bemüht, das schnell zu erwidern, womöglich sogar noch zu "übertrumpfen" - andererseits schwingt immer schon ein bißchen Lustlosigkeit, um nicht zu sagen: Genervtheit mit hinein. Das "Konto muß ausgeglichen sein" - oder ich muß so 'ne Art "Guthabenkonto" haben, damit ich einigermaßen entspannt sein kann.

Das nervt mich selbst tierisch, führt außerdem dazu, daß ich mich sehr schwer damit tue, Nähe v.a. freundschaftlicher Art zuzulassen (wer weiß, am End steht der oder die noch täglich bei mir auf der Matte?! :eek: ) und wird insgesamt von der Außenwelt als "abweisend" und "nicht gerade gastfreundlich" empfunden. Soweit widerspricht mein Erleben Adornos These ja nicht, ich "geize" sozusagen mit ehrlicher Begeisterung über mir erwiesene Aufmerksamkeiten. Aber: ich gehe zwar wie er von einer Art "Tauschkette" aus (klasse Ausdruck! :) ), sehe aber als Ziel keineswegs das Bemühen, darin "keine Lücken" entstehen zu lassen (das hört sich so an, als gebe man ein Frühlingsblümchen, um eine Rose wiederzubekommen). Sondern: für mich bedeuten Gaben, Aufmerksamkeiten, kleine Geschenke oder Einladungen (je nachdem eben) vor allem die Verpflichtung, wie ein Schuldner mit Konto im Soll ständig zur 'Rückzahlung' bereit zu sein.

Dazu habe ich schlicht keinen Bock. Zwar ist mir als erwachsener, reflektierender Mensch bewußt, daß menschliches Zusammenleben im Grunde auf dem Prinzip Geben+Nehmen funktioniert, das ändert allerdings nichts daran, daß ich als Produkt einer wohltätigen Einrichtung, in der nahezu ALLES von milden Spendern stammte - selbst die für die primären Bedürfnisse notwendigen Mittel - sozusagen mit Verpflichtung zu ewiger Dankbarkeit erzogen worden bin. Dieser Zwangsjacke 'Dankbarkeit' kann man nur entkommen, wenn man entweder dafür Sorge trägt, daß "der andere" immer Schuldner, nie Gläubiger in diesem Sch...spiel ist - oder indem man auf derartige Buchführung i.S.v. Adornos Bild der "Verkettung der Tauschkette" pfeift und sich sagt: ich gebe, wann ich will - und wer mir gibt, ist selbst schuld ;)

Hoffe, ich habe Dein Thema nicht in Richtung "Selbstmitleid" verzerrt :)

LG, wirrlicht
 
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Hallo, Wirrlicht ! Hallo, Ihr Anderen!


Ohne jetzt Adorno interpretieren zu wollen - dazu habe ich auch zu wenig von ihm gelesen, könnte ich doch aus dem wenigen heraus, also anhand von Originaltexten von ihm beweisen, dass er genau so etwas, wie Du uns beispielhaft vorexerzierst, gemeint hat, als er zumindestens den Text " die neuen Geizigen ( noveau avare) schrieb.

Er hat diese These von der Wirtschaftlichkeit alles menschlichen Tuns aufgestellt, weil er darüber verzweifelt war. Und er wollte, dass sich ganz normale Menschen, wie wir es hier alle sind, mit diesen Gedanken beschäftigen.
Das tun wir ja nun auch.

Im einzelnen kann ich jedes Deiner Worte nur unterstreichen. Es scheint doch so zu sein, dass nur wer so frei ist, in der "Tauschkette " Lücken entstehen zu lassen, auch fähig ist, freiwillig " neu irgendwo anzuknüpfen. Das gilt nicht nur in Beziehungen zu Menschen, zumindestens für mich.Könnt ich aus meinem Leben Beweise anführen.

Bindungsfähigkeit scheint doch gerade die Fähigkeit zuzulassen,
Bindungen auch zu beenden, wenn sie zwanghaft werden. Es gibt eine wunderschöne Kurzgeschichte von ( hab den Autor vergessen, ich glaube es ist James Krüss), die heißt "Lieben heißt loslassen können". Es geht da zwar um einen Vogel, aber dieser Vogel ist für mich Symbol für alles Lebendige, was mir gegenübersteht.
Und dort, wo Bindung als Zwang angesehen wird,kann die Lösung, das Loslassen von einer Seite sogar zulassen, dass einen neue Art der Bindung entsteht.


Und vielleicht hast Du den letzten pointierten Satz meines Eröffnungthread etwas missverstanden. Ich meint nicht " die Anderen" die mir Dankbarkeit oder Höflichkeit erweisen mit den neuen Geizigen, sondern mich und nur mich.

Jedenfalls war für mich die Begegnung mit dem Adornotext wieder einmal Anlass, mein Verhalten zu hinterfragen.
Ich habe jedenfalls erkannt, dass ich in vielen Fällen dankbar bin, weil ich diese Eigenschaft dann auch von mir nahe stehenden Anderen erwarte. Und da kotze ich mich an. Bei der Höflichkeit ist die Sache allerdings anders. Hier ist für mich der "Gib, -damit-Dir -gegeben- werde" Gedanke Lebensmaxime, weil ich finde, dass Höflichkeit eine Grundregel für friktionsfreies Leben im Alltag mit Menschen ist, die mich nicht berühren. Aber das hatten wir hier schon mal diskutiert.


Und wenn Du sagst:

"ich gebe, wann ich will - und wer mir gibt, ist selbst schuld " (Wirrlicht)

so halte ich das in dem Sinne, den ich ober versuchte klar zu legen, nicht nur für legitim, sondern sogar für eine Pflicht des autonomen Menschen, was immer wir darunter verstehen mögen.


Liebe Grüße
Marianne
 
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