Spätsommer
Manchmal - eigentlich immer öfter - ertappe ich mich dabei, dass ich mich schon richtig alt fühle. Ich blättere die allgemeine Sterbetafel durch und lese nach. Bei einem erreichten Lebensalter von 46 Jahren habe ich noch eine Lebenserwartung von 29,92 Jahren. Wie lange sind eigentlich 29,92 Jahre? Ich hab`s durchgerechnet es sind 29 Jahre, 11 Monate und 8 Tage. Also ist mein voraussichtliches statistisches Sterbedatum der 9. Januar 2030.
Gut, ich könnte jetzt mal in Brüchen rechnen. Also: Gesamtlebenserwartung rund 76 Jahre, geteilt durch vier gleich exakt 19 Jahre pro Lebensviertel. Viertel deshalb weil ich es dann so schön in die vier Jahreszeiten verteilen kann. Ich rechne: Frühjahr gleich 19 Jahre plus Sommer weitere 19 Jahre ergibt 38 Jahre. Ich bin aber schon 46 Jahre alt und stehe danach mitten im Herbst meines Lebens. Da kann aber doch etwas nicht stimmen! Meine Eltern werden dieses Jahr, so Gott will, 73 Jahre alt und behaupten - und das zusammen mit allen ihren gleichaltrigen Freunden - dass sie es sein, die im Herbst des Lebens stehen!
Nach meiner Rechnung ist das aber tiefer Winter.
Nun auf der anderen Seite muss ich zugeben, dass ich noch nie jemanden habe davon sprechen hören, er stehe im Winter seines Lebens. Das zeigt aber nur, glaube ich, dass diese Bezeichnungen eher eine Standpunktfrage sind. Denn für die einen, die ihre Herbsttage genießen, bin ich ja ein junger Mann, der in der Blüte seines Lebens steht, und so fühle ich mich ja auch. Andererseits, wenn ich meine Neffen befrage, bin ich a) der kleine, dicke Onkel und b) ein Grufti, der kurz davor steht in seine Holzkiste zu krabbeln. Das ist natürlich maßlos übertrieben von diesen pubertierenden Pickelquetschern, aber zugegeben, wenn ich in der Blüte meiner Jahre stünde, wäre für mich Sommer und der ist ja, wie ich selbst gerechnet habe, schon deutlich vorbei. Nein, nein, da hilft kein Jammern, ich bin schon im Herbst angekommen. Schon seit geraumer Zeit blicke ich morgens in den Spiegel und entdecke wieder und wieder neue bunte Blätter, die der Föhn von meinem knorrigen Haupt bläst. Gut, die meisten, eigentlich alle, sind nicht richtig bunt sondern mehr grau, aber vielleicht hat das ja etwas mit meinem nachlassenden Sehvermögen zu tun. Seh-Vermögen, auch so ein Wort. Da steckt doch „Vermögen“ drin. Und Vermögen hat doch eigentlich was mit Besitz und Reichtum zu tun. Mein Seh-Vermögen wird aber geringer, also werde ich ärmer. Als ob es nicht reicht, älter zu werden.
Ich höre übrigens auch immer schlechter. Beschwerden, Kritik, Widerwärtigkeiten nehme ich immer seltener wahr. Ich lebe in mir selbst und für mich selbst, für die Betrübnisse des Lebens habe ich immer seltener ein Ohr. Ich bin an der Nabelschnur entstanden und werde in Nabelschau enden. Gott sei mit mir gnädig.
Aber zurück zum Herbst des Lebens, dem ich mich inzwischen so zugehörig fühle. Das einzige, was mich wirklich stört, ist, von dieser debilen „For-ever-Young“-Generation“, die bisher nichts geschafft hat, außer das Geld ihrer Eltern für Mobiltelefone und PCs zu vergeuden, mit der Altersriege meiner Eltern in einen Topf geschmissen zu werden. Ich bin verdammt noch mal immer noch jung und spritzig, wenn auch leider an dieser Stelle hin und wieder - also bitte nur gelegentlich - mit einigen Einschränkungen. Aber ich würde mich doch noch nicht freuen, wenn ich das goldene Sportabzeichen dafür bekommen würde, mehr als 15 Minuten auf dem Heimtrainer durchgehalten zu haben. Ich kann noch locker einen Baum ausreißen. Gut, vielleicht nur noch in der frischangelegten Fichtenschonung, aber Bäume sind schon noch drin. Und davon abgesehen bin ich geistig noch ganz auf der Höhe. Ihr fragt nach dem Beweis? Ich habe z.B. herausgefunden, wie das mit den vier Jahreszeiten bei uns Menschen ist.
Es beginnt mit dem Frühjahr, es folgt der Sommer, und wenn die Nächte etwas kühler werden ist Spätsommer und erst der Herbst zeigt unser Lebensende an.
Aber Winter, Winter wird es nie.
Manchmal - eigentlich immer öfter - ertappe ich mich dabei, dass ich mich schon richtig alt fühle. Ich blättere die allgemeine Sterbetafel durch und lese nach. Bei einem erreichten Lebensalter von 46 Jahren habe ich noch eine Lebenserwartung von 29,92 Jahren. Wie lange sind eigentlich 29,92 Jahre? Ich hab`s durchgerechnet es sind 29 Jahre, 11 Monate und 8 Tage. Also ist mein voraussichtliches statistisches Sterbedatum der 9. Januar 2030.
Gut, ich könnte jetzt mal in Brüchen rechnen. Also: Gesamtlebenserwartung rund 76 Jahre, geteilt durch vier gleich exakt 19 Jahre pro Lebensviertel. Viertel deshalb weil ich es dann so schön in die vier Jahreszeiten verteilen kann. Ich rechne: Frühjahr gleich 19 Jahre plus Sommer weitere 19 Jahre ergibt 38 Jahre. Ich bin aber schon 46 Jahre alt und stehe danach mitten im Herbst meines Lebens. Da kann aber doch etwas nicht stimmen! Meine Eltern werden dieses Jahr, so Gott will, 73 Jahre alt und behaupten - und das zusammen mit allen ihren gleichaltrigen Freunden - dass sie es sein, die im Herbst des Lebens stehen!
Nach meiner Rechnung ist das aber tiefer Winter.
Nun auf der anderen Seite muss ich zugeben, dass ich noch nie jemanden habe davon sprechen hören, er stehe im Winter seines Lebens. Das zeigt aber nur, glaube ich, dass diese Bezeichnungen eher eine Standpunktfrage sind. Denn für die einen, die ihre Herbsttage genießen, bin ich ja ein junger Mann, der in der Blüte seines Lebens steht, und so fühle ich mich ja auch. Andererseits, wenn ich meine Neffen befrage, bin ich a) der kleine, dicke Onkel und b) ein Grufti, der kurz davor steht in seine Holzkiste zu krabbeln. Das ist natürlich maßlos übertrieben von diesen pubertierenden Pickelquetschern, aber zugegeben, wenn ich in der Blüte meiner Jahre stünde, wäre für mich Sommer und der ist ja, wie ich selbst gerechnet habe, schon deutlich vorbei. Nein, nein, da hilft kein Jammern, ich bin schon im Herbst angekommen. Schon seit geraumer Zeit blicke ich morgens in den Spiegel und entdecke wieder und wieder neue bunte Blätter, die der Föhn von meinem knorrigen Haupt bläst. Gut, die meisten, eigentlich alle, sind nicht richtig bunt sondern mehr grau, aber vielleicht hat das ja etwas mit meinem nachlassenden Sehvermögen zu tun. Seh-Vermögen, auch so ein Wort. Da steckt doch „Vermögen“ drin. Und Vermögen hat doch eigentlich was mit Besitz und Reichtum zu tun. Mein Seh-Vermögen wird aber geringer, also werde ich ärmer. Als ob es nicht reicht, älter zu werden.
Ich höre übrigens auch immer schlechter. Beschwerden, Kritik, Widerwärtigkeiten nehme ich immer seltener wahr. Ich lebe in mir selbst und für mich selbst, für die Betrübnisse des Lebens habe ich immer seltener ein Ohr. Ich bin an der Nabelschnur entstanden und werde in Nabelschau enden. Gott sei mit mir gnädig.
Aber zurück zum Herbst des Lebens, dem ich mich inzwischen so zugehörig fühle. Das einzige, was mich wirklich stört, ist, von dieser debilen „For-ever-Young“-Generation“, die bisher nichts geschafft hat, außer das Geld ihrer Eltern für Mobiltelefone und PCs zu vergeuden, mit der Altersriege meiner Eltern in einen Topf geschmissen zu werden. Ich bin verdammt noch mal immer noch jung und spritzig, wenn auch leider an dieser Stelle hin und wieder - also bitte nur gelegentlich - mit einigen Einschränkungen. Aber ich würde mich doch noch nicht freuen, wenn ich das goldene Sportabzeichen dafür bekommen würde, mehr als 15 Minuten auf dem Heimtrainer durchgehalten zu haben. Ich kann noch locker einen Baum ausreißen. Gut, vielleicht nur noch in der frischangelegten Fichtenschonung, aber Bäume sind schon noch drin. Und davon abgesehen bin ich geistig noch ganz auf der Höhe. Ihr fragt nach dem Beweis? Ich habe z.B. herausgefunden, wie das mit den vier Jahreszeiten bei uns Menschen ist.
Es beginnt mit dem Frühjahr, es folgt der Sommer, und wenn die Nächte etwas kühler werden ist Spätsommer und erst der Herbst zeigt unser Lebensende an.
Aber Winter, Winter wird es nie.