Robin schrieb:
In einer rein ästhetischen Diskussion könnten wir fortfahren und über Unschärfe und Dissonanz, Geräuschhaftes und Abstraktion dikutieren; Soziologisch interessiert mich zunächst die gesellschaftliche Akzeptanz. UNd da sehe ich Differenzen, oder was denkst du?
Du machst mir Spass, Robin. Wenn du schon die Krise bekommst, wie willst du, dass die Masse die Zwölftonmusik schön findet? Und ich soll das auch noch soziologisch erklären? Ausgerechnet ich? Mir genügt doch schon, wenn irgendwo ein Klavier steht und schöne Hände spielen drauf, um auch die Musik schön zu finden. Oder der Solist gefällt mir, oder der Konzertsaal...
Nein, im Ernst. Da gibt es gewaltige Differenzen, das ist klar. Aber es ist auch einfacher, sich eine Ausstellung anzusehen. Da laufen die Leute durch und finden bestimmt etwas, was ihnen gefällt, weil eben die Farben besonders gut harmonieren usw. Bilder werden auch als Geldanlage betrachtet oder eben als Einrichtungsgegenstände, die zum Uebrigen passen müssen...
Mit Musik ist das schon viel komplizierter, weil sie mehr Emotionen weckt. Sie wirkt viel körperlicher, finde ich. Da stehen dir doch die Haare wesentlich schneller zu Berg, nicht? Vielleicht darum zeigen da die Leute auch viel weniger Entdeckerlaune. Es erfordert viel mehr Zeit und Engagement, auch Nerven *looool*, sich damit auseinander zu setzen.
Und wer investiert schon die kostbare Zeit...
Aber es fängt ja schon bei den Orchestern an. Die, die nicht nur Bekanntes spielen, sondern auch Raritäten einspielen, haben es manchmal recht schwer. Es wird ihnen doch gerne nachgesagt, dass sie Neuigkeiten konstruieren, wo es gar keine gibt, und dass sie dem Markt nur ein Schnippchen schlagen wollen... Die Kritiker sind manchmal ganz schön brutal. Und so wird vielleicht bewusst ignoriert, was sich im Bereich der sinfonischen Musik in den letzten Jahren getan hat. Da glänzen doch die Label auch lieber mit alten Tugenden, lassen alles immer wieder neu einspielen, reden von einem Spektrum der Interpretationsstile und neuer Surround-Aufnahmetechnik oder wieder von historischer Aufführungspraxis und was weiss ich, was alles noch, statt wirklich was zu riskieren, was nicht zum vornrein einen Erfolg verspricht. Ich kann dazu wirklich nicht mehr sagen, ich verstehe zu wenig davon. Mach doch eine Umfrage...
Ich hörte nur, dass die letzten zwei documentas oder so mehr oder weniger völlig ohne Malerei auskamen. Stattdessen Video, Performances Installationen - Formen, die bei mir meist das Vorurteil einer merkwürdigen Naivität in der Aussage hervorrufen und wenig "Kunstgenuss" versprechen.
Das stimmt. Im Moment sind Installationen und Videos fast alles. Das ist halt die "Pop-Art" unserer Zeit. Aber es wird sich schon wieder ändern. Da gibt es eine Menge interessanter Leute. Bin bez. Deutschland nicht so à jour, aber Sigmar Polke in Hamburg (einer der Wichtigsten der Gegenwart) oder Beatrix Grohmann in Berlin, Cordula Güdemann mit ihren thematischen Serien und andere. Ich mag sonst Blair Thurman oder auch Sol LeWitt, aber das sind Namen, sagt dir wahrscheinlich nicht so viel, wenn du dich damit nicht befasst.
Uebrigens: in Berlin gastiert eine interessante Ausstellung der Gegenwartskunst aus dem Iran und die Kritiker reden von "Kunst einer grossen Eindringlichkeit".
Ich glaube, was uns fehlt, ist die Exotik. Es wurde schon "alles" entdeckt, es gibt keine unzugänglichen Gegende, wenig, was die Phantasie noch beflügelt. Das drückt sich vor allem in der Malerei aus.
Mein Anliegen geht dahin, dass abstrakte Kunst als Malerei oder Skulptur ja durchaus seinen Einang in die Alltagskultur geschafft hat - vom Tapetenmuster bis zur Straßenskulptur...
Da musste ich ganz laut lachen, weil mir eine kleine Fettnapf-Episode in Sinn kam (ist ganz frisch und für einmal ist es nicht mein Fettnapf, ich habe mich ganz manierlich aufgeführt):
Wir waren wieder mal zu einer Vernissage eingeladen. "White Works" - so der Titel (das Theaterstück "Kunst" von Jasmina Reza lässt grüssen). Es waren aber keine Gemälde, sondern Papier- und Wachsarbeiten. Alles halt ziemlich weiss und wenig aufregend, aber was soll's, man schaut es sich an und bildet sich eine Meinung... bis der Kommentar kam: "Lass uns doch endlich gehen, oder brauchen wir unbedingt neue Tapeten?..." kam guuuuut, die zwei Künstler standen gleich daneben und waren hoch erfreut...
Ich hoffe, es gibt hier noch andere, die sich an dem Thema beteiligen.
Einen schönen Tag...