Hallo Cleverchen
Du willst uns also im Ernst weissmachen, dass dein Schulabschluss von einem einzigen Referat abhängig ist? Welch eine grausame Schule, welch eine grausame Stadt...
Und wenn dem auch so wäre... dann sitzt du seelenruhig vor dem Compi und wartest, bis wir es für dich geschrieben haben? Wie es aussieht, hast du nicht die leiseste Ahnung was da von dir verlangt wird, denn sonst hättest du den Ratschlag von Marianne längst befolgt und dich auf den Weg gemacht.
Es geht um das 20. Jahrhundert und die ganze Revolution in der Kunst. Es gab da so eine gewaltige Menge Tendenzen, die genauso gewaltig krass in Gegensätzen zueinander standen. Aber alle gemeinsam drücken sie nur aus: Wir brechen mit der Vergangenheit. Daraus leitet sich auch der Begriff Avantgarde ab. Eine Fülle an Experimenten: mit Farben, Techniken und Materialien. Ein Ziel: der "Zuschauer" = Betrachter soll gezwungen werden, seine gewohnte Betrachtungsweise zu ändern. Der Unterschied zwischen der traditionellen Kunst und der Avantgarde wurde immer grösser und gleichzeitig wurde auch das Verhältnis des Künstlers zur Gesellschaft immer problematischer. Du kannst in deinem Referat gar nicht das ganze Jahrhundert behandeln, das würde den Rahmen sprengen. Du musst dich entscheiden für die Ursprünge der Abstraktion oder die zweite Hälfte des Jahrhunderts (da würde ich dir aber abraten, weil sich die Kunst seit den 60-er Jahren beinahe rasend und unheimlich facettenreich entwickelte).
Der Ursprung der Abstraktion war eigentlich schon im Symbolismus (Darstellungen von Gefühlen, Träumen und Sinneswahrnehmungen), aber die "richtige" Abstraktion entwickelte sich aus den ersten Avantgarden: die "Fauves", ein Spottname = "Raubtiere" in Frankreich, "Die Brücke", Kubismus, Futurismus, Konstruktivismus, Dadaismus... "Der Blaue Reiter" - die würde ich nehmen: Wassily Kandinsky, der sein erstes abstraktes Bild 1910 malte, nachdem er bereits zwei Jahre zuvor sagte: "Das Objekt schadet nur dem Bild". Auch folgende Aussage stammt von ihm: "Je schrecklicher diese Welt - desto abstrakter wird die Malerei". Die Gruppe wurde zwar bereits 1914 durch den Beginn des 1. Weltkrieges auseinandergerissen, ist aber trotzdem sehr interessant. Die Entwicklung eines Franz Marc z.B., der bis Anf. 20. Jh. gegenständlich (stilisierte Tiere als Symbol seines mystischen Einklangs mit der Natur) malte und immer abstrakter wurde (vgl. Komposition III mit seinen z.B. blauen und gelben Pferden) oder die Freundschaft zwischen Kandinsky und Arnold Schönberg, die gemeinsam die Zusammenhänge von farblichen und akustischen Klängen erforschten. Schönberg malte die Gefühle, die er nicht in seine Kompositionen einbauen konnte - diese Bilder nannte er Visionen. Kandinsky dagegen malte wieder das, was er bei Schönberg hörte (vgl. Impression III). Gemeinsam suchten sie nach Dissonanzen in der Kunst. Kandinsky behauptete, dass die Dissonanzen von heute nichts anderes als der Gleichklang von morgen sind - in der Malerei wie auch in der Musik... und behielt Recht.
Dazu kamen dann die Kubisten Braque, Picasso, Léger, Delaunay..., die Sektion d'Or mit Duchamp, Villon, Kupka und die russischen Maler der Abstrakte, z. B. Malewitsch. Die vollständige Abstraktion bei Piet Mondrian oder Paul Klee, der keiner der genannten vollständig angehörte... Später dann die Surrealisten mit Miró, Ernst, Masso und natürlich Dalí...
Klar habe ich jetzt auf die Schnelle eine ganze Menge vergessen, die 2. Hälfte des Jahrhunderts nicht mal angerissen, aber du sollst jetzt deinen Hintern bewegen, in die ausgelatschten Turnschuhe springen, oder dein Skateboard unter die Füsse nehmen und dich gefälligst endlich auf den Weg in die Bücherei machen, um dir das alles anzusehen und zu entscheiden: Ja! Darüber will ich referieren. Klar, du kannst jetzt auch einen den Namen nehmen und clever wie du bist, etwas aus Google abschreiben, aber ich würde wetten, dein Lehrer ist auch ganz schön clever und merkt das!
Viel Spass und gutes Gelingen