Ich stimme in vielen Dingen zu - sehe es aber nicht so schwarz weiß. Mit Traditionen verbinden wir gute/schlechte Gefühle, Stolz, Geschichte.
Ich persönlich habe das - aufgrund meiner persönlichen Geschichte - immer nur als Ballast empfunden.
Ich stamme aus einer Flüchtlingsfamilie, und obwohl meine Verwandten jetzt nicht so konservativ waren, so habe ich mit den Begriffen "Heimat", "Brauchtum" und "Tradition" nie etwas anfangen können. Im Westen geboren, was hatte ich denn mit einer "verlorenen, schlesischen Heimat" zu tun? Einer "Heimat", die ich nie gesehen hatte (und habe)?
Was hatte ich denn mit der "Heimat" von Ostwestfalen/Lippe zu tun, deren Einwohner mich nie - im "Spaß", zugegeben - als einen der ihren anerkannten, weil nicht mindestens meine Großeltern in ihrer lächerlichen Furz-Provinz geboren waren?
Das "schöne, alte Brauchtum" eines Munro hier ist für mich genauso austauschbar wie die nächste Generation von Smartphones.
Als Koch kann für mich eine Regionalküche spannend sein - das bedeutet aber nicht, dass ich sie nicht von einem Moment auf den Anderen abändern oder völlig über den Haufen werfen werde, wenn ich gerade beim Einkaufen etwas völlig anderes entdecke, dass ich spannend finde.
Ich finde dieses ewige Geklebe an Traditionen langweilig, geradezu Spaßbremse.
Da stehe ich in einer Küche und ein Koch fragt mich: Kannst Du denn einen Kartoffelsalat machen (?) und ich sage: Wie willst Du den denn? An der Basis könnte ich mindestens 5 verschiedene Kartoffelsalate machen und jeder davon hat seinen Reiz. Und seine passende Funktion. Gar nicht darüber zu reden, man könnte sich auch mal ganz andere Schweinereien ausdenken ...
Und dann geht der gleich hoch wie eine Rakete: NEIIIN! SOOOO muss ein Kartoffelsalat sein (denn der ist natürlich der einzig wahre).
Da möchte ich dann meinen: Junge, Tradition hin oder her, aber das Prinzip des Kochens: Das hast Du nicht begriffen.
Bayern ist Schweinsbratenland, aber das bedeutet nicht, die Leute würden nicht auch andere Dinge annehmen.
Einmal hatte ich in der Literatur etwas gefunden ... und setzte einen "Philippinischen Schweinsbraten" auf die Mittagskarte. Der war, außer der Tatsache, dass er 2 Tage in einer asiatischen Gewürzlake gelegen hatte, auch nicht viel anders als der bayerische (ein Schweinsbraten ist ein Schweinsbraten, oder?)
Erst waren die Leute skeptisch ... aber dann ist der gut gelaufen, und die Leute waren begeistert: ENDLICH mal etwas anderes ...