Neid ist nach seiner Natur denen eigen, die etwas nicht haben oder nicht erreicht haben, denen also, die zwar streben und doch ihr Ziel nicht erreicht haben. Neid wird nicht aufkommen, wenn ein Mensch nach einer Sache oder einem Besitz nicht strebt, denn er wird dieses erreichte „Gut“ nicht als erstrebenswert betrachten und damit auch keinerlei Neid verspüren.
Neid ist somit das Gefühl der Versager und dient denen, die etwas wollen, es aber nicht erreicht haben, als Begründung für die Unrechtmäßigkeit des Erfolges anderer. Es dient dazu, das eigene Versagen zu relativieren und sich vom peinigenden Gefühl des Versagens selbst zu befreien.
Damit ist der Neid in erster Linie eine Rechtfertigung und ein Vorwand für sich selbst und in dieser Funktion ist es auch die Vorstufe für das weitere und nachhaltige Versagen des Neidischen, denn der Neid führt in der Regel nicht zu einer Motivation etwas besser zu machen, zur Selbstkritik und zur Verbesserung der eigenen Fähigkeiten. Der Neidische verharrt vielmehr in seiner negativen Haltung und projiziert sein Versagen auf denjenigen, der das Gewünschte erreicht hat.
Erst wenn der Neid in die positive Richtung dreht, sich am Erreichen des Zieles orientiert und damit zur Selbstkritik und Motivation führt, erst dann verliert der Neid seine selbstzerstörerische Wirkung und verwandelt sich in Ansporn, Motivation und letztlich den Willen, mehr zu tun, sich zu verbessern und weiter an gesteckten Ziele zu arbeiten. Diese Form des „Neides“, die eigentlich kein Neid mehr ist, ist die tragende Kraft des menschlichen Strebens, des Strebens nach gesteckten Zielen und dem Erreichen von Dingen, die für unmöglich gehalten werden. Diesem Streben haben wir viele Erfindungen und Errungenschaften zu verdanken.
Dem Neid verdanken wir Kriege, Morde und Intrigen, Selbstzerstörung und vergiftete Gefühle, die allesamt für die Gesellschaft nichts einbringen. Somit lautet meine Antwort auch: nein, der Neid in seiner ursprünglichen Form ist keine sozialpolitische Notwendigkeit, aber durchaus eine Vorstufe zum Hass.